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nungen und Aufmerksamkeiten förmlich überhaupt. unter denen namentlich die Verleihung des berühmten Hosenband-Ordens, des höchsten englischen Ordens, an den Großfürsten-Thron- solger hervorragt. Kluge Leute, welche das politische Gras wachsen hören, wollen darum schon wissen, dieser erste Besuch des künftigen Zaren am Londoner Hofe sei von weittragender Bedeutung, die sich vielleicht schon in naher Zeit in einer merklichen Annäherung zwischen England und Rußland offenbaren werde. Ob der zunächst nur familiären Mission des Zarewitsch nach England wirklich auch ein politischer Charakter zukommt, das wird indessen wohl noch sehr abzuwarten sein.
Paris, 3. Juli. Nach einem heute amtlich veröffentlichten Erlaß sollen im Oktober ein Regiment Dragoner und ein Regiment Husaren zu je 5 Schwadronen errichtet werden.
Pest, 3. Juli. Der Kriegsminister ver- ordnete, daß die Einjährig-Freiwilligen nach bestandener Prüfung nur zu Osfizierstellvertretern ernannt werden und erst, wenn sie eine selbständige Zivilstellung haben, Offiziere werden, wie dies in Deutschland der Fall ist.
Wien, 29. Juni. Hier ist es gelungen, einen Einbrecher. Groschl festzunehmen. der Jahre lang die frechsten Einbruchdiebstähle verübt hat. Die Wiener Blätter füllen Spalten mit der Liste seiner Unthaten. Die „Neue Freie Presse" macht sich den gelungenen Scherz, einige Blätter „aus dem Tagebuche des Einbrechers" zu veröffentlichen, die unterhaltend genug sind, um daraus folgendes mitzuteilen. Das Blatt läßt den gefühlvollen Dieb schreiben: Am 3. April 1893: Wie herrlich, daß der Frühling naht! Die Vögel singen in den Lüften, und einige Parteien ziehen schon aufs Land, sodaß ich endlich meine Sehnsucht, diese Leute zu besuchen, erfüllen kann. Ich gebe ihnen die Ehre; dafür nehme ich ihnen auch etwas. Als ich gestern meinen falschen Nachschlüssel musterte, siel mir folgendes Gedicht ein:
Einbruch des Frühlings.
Leise zieht durch mein Gemüt Schlüsselbunds Geläute,
Klinge kleiner Dietrich, kling,
Kling hinaus ins Weite.
Kling hinaus bis an das Haus,
Das sie schlecht verschließen,
Wenn du Hausbesorger schaust —
Sag', ich lass' sie grüßen.
7. Juni: Nicht zu vergessen! Ich habe noch Besuche zu machen bei . . . (Folgen 42 Namen bekannter Hausbesitzer). Gestern nachts bei der Tänzerin Fräulein *** übernachtet, welche schon aus Ferien gegangen ist. Welcher Verfall der Kunst bot sich mir in dieser Wohnung dar! Kein einziger Diamant und lauter Versatzzettel
— niemals mehr werde ich mich durch einen berühmten Künstlernamen verblenden lassen. Mtch so zu mystificieren! Schändlich! Habe ich denn meine Zeit gestohlen? Und dann am 23. Juni, als Groschl verhaftet wurde: Himmelsakrament, die geretteten Manschetten — ich bin verloren — man holt mich soeben, Adieu, Tagebuch. Zeuge meiner vertrautesten Stimmung und Geheimnisse! . . . „Es klopft, man kommt
— pfui über diese erbärmliche Welt, in welcher man sparsame ruhige Leute nicht bei der Arbeit läßt! . . . Das Dienstmädchen sagt, die Polizei sei draußen — sie soll nur kommen, kühnen Mutes trete ich vor eure Schranken, denn
Wer den Besten seiner Zeit genug gestohlen,
Der hat gelebt für alle Zeiten!
Wien, 3. Juli. Der wegen massenhafter Einbruchdiebstähle jüngst verhaftete Groschl stürzte sich während eines Spaziergangs vom Gefängnisflur in den Hofraum und war sofort tot.
Anterhattender HeU.
Um Tod und Leben.
Eine Erzählung aus den Ausläufern des Rothhaar.
(Nachdruck verboten.) (Fortsetzung 10.)
Ein jäher Blitzstrahl fuhr in gewaltigem Zickzack hierniedcr. krachend schlug der Funken ein in eine Eiche, die kaum einen Büchsenschuß von dem Oberförster stand. Vor dem blendenden
Strahl hob derselbe momentan wie schützend den Arm mit der erhobenen Büchse, einen Moment und es galt auch hier, der Schnellere sein. Der Moment hatte dem Wilderer genügt. Mit Gedankenschnelle hob er die Waffe an die Wange der Schuß blitzte auf und sein Krach verhallte im gewaltigen Donner, der dem zündenden Blitzstrahle folgte und sich in vielfachem Echo brach in den Bergen und in den Schluchten. Und auf thaten sich die Schleusen des Himmels und der Regen prasselte nieder in gewaltigen Strömen. Dornap war im Feuer zusammengebrochen. Wenige Sätze und der Wilderer stand neben ihm, in der Hand die rasch wieder geladene Flinte.
„Verdammt!" Knirschend kam es über die Lippen des über sein Opfer gebeugt Dastehenden. Der Förster konnte nur betäubt sein. Der auf seinen Kopf abgegebene Schuß hatte den erhobenen Büchsenschaft zerschmettert, denselben aber mit solcher Wucht ihm an die Schläfe geschleudert. daß Dornap ohnmächtig niedergesunken war. „Verdammt!" murmelte Vesroth wieder. „Um Leben und Tod gehi's bei uns beiden, ist's heute nicht, ist's morgen oder später und bei der nächsten Gelegenheit wird er nicht wieder lang Federlesens machen." Der schrewwe Henner hob die Flinte gegen das Haupt des Daliegenden, der kein Glied regte. Und doch, er ließ den erhobenen Arm wieder sinken. Den gänzlich Wehrlosen so hinzumorden, nein, es widerstrebte selbst dem herzlosen Mörder. In Strömen goß es hernieder. Wie lange und durch das erquickende Naß wurde der Ohnmächtige wieder belebt, und was dann? ein Kampf, ein Ringen auf Leben und Tod. Da. ein teuflisches Lächeln spielte um des Wilderers Lippen. Da rauschte es das Thälchen herab, die dunklen Gewässer traten bereits über die niederen Ufer der Schwärze. Der kleine Bach wurde zum Strome bei solchem Unwetter. Vesroth wußte das. Und das Brückchen da unten? Schon schwankte das Brett unter den anstürmenden Wogen. Wenn er den Körper des Leblosen da hinauf schleppte? Nicht einmal selbst den Wogen brauchte er den Todfeind zu übergeben, sie holten ihn sich selbst. Und dann schleppten sie ihn weiter zum nahen Strom und wird er gefunden, ist er ertrunken, umgekommen in dem Unwetter, das in diesen Bergen schon so manchen als Opfer gefordert. Ja so gehts!
Mit kräftigen Armen faßte der Wilderer den immer noch leblosen Körper und schleppte ihn hinab zum Brette. Schon mußte er mit seiner Last durch die hüpfenden Wellen, jetzt lag sein Opfer auf schwankendem Brette, schnell ganz hinüber. Rasch war der ausgeweidete Bock auf den Rücken geworfen, noch einen Blick zurück, — schon hüpften die Wellen wie spielend über ihr Opfer, nun hinein in den Wald, was die Gewitterwogen erst fassen, lassen sie lebend nicht wieder aus ihren Armen.
Die Zweige schließen sich klatschend vor Nässe hinter dem davoneilenden Wilderer, der mühsam auf schlüpfrigem Boden die Höhe erklimmt und der nahen Grenze zueilt.
Ueber den Wald aber zucken unaufhörlich die Blitze, grollt der Donner in hundertfachem Echo. Durch das Gezweig strömt der Regen, von den Höhen rieselt es nieder in unzähligen Bächlein, die Schwärze toset und brauset und das schwankende Brett hebt sich, die Flut duldet das Joch nicht auf ihrem Rücken. So tobt ein Gewitter im Rothhaargebrige.
7.
Wahn.
Das war ein lauschiges Plätzchen am Ufer der Eder. Unter überhängendem Felsen ein grüner Rasenplatz, der, geschmückt von Weidenruten, Minze und Vergißmeinnicht wie ein prächtiger Teppich da lag. Hoch auf dem moosbewachsenen Fels hatte eine Tanne Wurzel gefaßt , ihr Stamm regte sich aufwärts den Bäumen entgegen, die am weitaufstrebenden Berge Hochwald bildeten. Abwärts aber am Felsen nickten in wirrem Gerank Brombeersträuche herab und schwarze Früchte schimmerten einladend am schwankenden Zweige, leider der
Hand des Menschen kaum erreichbar. M die klare Flut hinab tauchte das wirre Geraü und hinter ihm auf bunten Teppich ein Bersteck wie es die Natur selten geschaffen.
Im Grase dahingestreckt liegt eine bekannt, Gestalt: Vesroth, der Wilderer. Er war M allein. Neben ihm lag. auf den Bauch dabin gestreckt, das Haupt aus die Hände aestükt °i« widriger Geselle, der schwarze Fritz, so g^nt von seinem schwarzen, struppigen Haar und der dunklen Hautfarbe. Er sollte von Zigeunern abstammen, war aber mit einigen Genossen jenseits der Grenze in einem Dorfe ansässig geworden. Vom Betteln und Stehlen nährte sich die Kolonie, wenn sie auch unter dem Deck- mantel fahrender Korbmacher die Gegend durch, streifte. Der schwarze Fritz war dem ver-' wegenen Vesroth ein unentbehrlicher Geselle da er des Wilderers Beute in recht schwunn! haftein Handel in baar Geld umsetzte. Seine Abnehmer fand er in den nahen und fremden Städten gar gern. Heute hatten die beiden Gesellen Abrechnung gehalten, der Schnapzflasche wurde wacker zugesprochen. Das Gespräch, in dem vom Geschäft die Rede gewesen, nah« plötzlich eine andere Wendung.
„Möchte wissen", sprachder Zigeuner u. seine Blicke waren fest auf seinen Kameraden gerichtet möchte wissen, wohin der Oberförster Dorny gekommen, eine merkwürdige Geschichte, wahrhaftig!"
Der Wilderer blickte in die vorüber- rauschende Flut. Noch konnte man am Ufer an angeschwemmten Wurzeln. Aesten und Pilzen erkennen, wie der Fluß beim Gewitterregen gestiegen. Jetzt nach einigen Tagen war das Wasser zurückgegangen und die Flut wieder klar.
„Ich bin so neugierig wie Du", erwiderte Vesroth mit leichtem Lächeln, auch ich möchte wissen, wohin der Mensch gekommen, wenn ich auch froh bin, daß er mir aus dem Gehege gekommen."
„Wenn einer was weiß, dann bist Du's!"
Der Wilderer schaute seinen Spießgesellen lachend an: „Ich? Warum gerade ich? U weiß so wenig oder so viel wie Du, alter Freund!"
„Das sollte mich wundern. Aber lachen mußte ich doch, wie ich sah. wie sie ihn suchten. Die zerschmetterte Büchse hatte man in der Schwärze gesunden, man sagt, der Schaft müsse von einer Kugel zerschmettert sein, von der aus dem eigenen Lauf gewiß nicht; he! Henner. was machst Du, schläfst Du, oder wo sind Deine Gedanken!"
(Fortsetzung folgt.)
Fünfzig Jahre sind heute seit dem Tode des Dr. Samuel Christian Friedrich Hahne- mann verstrichen, der durch die Begründung der Homöopathie einen vollständigen Umschwung auf dem Gebiet der Arzneikunde herbeisührte Gerade vor hundert Jahren begann der damals 38jährige Arzt die ersten Versuche, die ihn schließlich zur Homöopathie führten. Aber er hatte von ärztlicher und behördlicher Seite Jahre lang die größten Anfechtungen zu erleiden und konnte nirgends festen Fuß fassen oder zu einer sicheren Praxis kommen. Erst im Jahre 182! berief ihn der Herzog Ferdinand von Anhalt- Köthen nach seiner Residenz, wo er die ersten großen Erfolge seiner neuen Behandlungswelse erzielte. Außer seiner ausübenden ärztlichen Thätigkeit entfaltete Hahnemann auch eine große Arbeitskraft als medizinischer Schriftsteller und seine Werke wie „Kennzeichen und Verfälschung der Arzneimittel", „Organon der Heilkraft", „Der Kaffee in seinen Wirkungen" u. a. sind s. Z. recht volkstümliche Schriften gewesen. Hahnemann starb als 88jähriger Greis auf einer Reise in Paris am 2. Juli 1843.
(Auf der Seereise.) (Aus .einem Briese.) Postskriptum: Entschuldige die Schreibfehler, aber das Schiff schaukelt so furchtbar.
(Aus einem Roman.) Die Hände auf den Rücken gelegt, ging der .... im Garten >P zieren und las die Zeitung.
Redaktion, Druck und Verlag von Thrn. Meeh in Neuenbürg.