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naünstiger gestaltet als ihm verflossenen «abr Wenn schon seine geographische Lage und seine geschichtliche Entwicklung Deutschland die Pflicht auscrlegt. auf den Bestand eines verhältnismäßig großen Heeres Bedacht zu nedmn, so wird die wertere Ausbildung unserer Wehrkraft mit Rücksicht auf die Fortschritte des Auslandes zu einer zwingenden Notwendig- lei, Um den Mir verfassungsmäßig ob- lienenden Pflichten genügen zu können, erachte »ch es für unumgänglich, daß mit allen zu Gebote stehenden Mitteln aus die Herstellung einer ausreichenden und wirksamen Verteidigung der vaterlädischen Erde hingewirkl wird.

Es wird Ihnen deshalb unverzüglich ein neuer Gesetzentwurf über die Friedenspräsenz- stärkc des Heeres vorgelcgt werden. Darin sind d,e hei der Beratung des früheren Entwurfs laut gewordenen Wünsche, soweit dies angäng­ig erschien, berücksichtigt und demgemäß die Anforderungen an die persönliche Leistungs­fähigkeit und an die Steuerkrast des Volkes, soweit dies ohne Gefährdung des. Zwecks ge- gehen konnte, herabgemindert worden. Das Interesse des Reichs erheischt es, zumal im Hinblick auf den im nächsten Frühjahr bevor­stehenden Ablauf des Septennats, daß der Ge­setzentwurf mit thunlichster Beschleunig. ug verabschiedet wird, damit die diesjährige Mekruteneinstellung schon auf der neuen Grund­lage vorgenommen werden kann. Eine Ver­säumnis des Termins dieser Einstellung würde sich auf mehr als zwei Jahrzehnte zum Nachteil unserer Wehrkraft fühlbar machen. Um es Ihnen zu ermöglichen, Ihre Arbeitskraft un­geteilt der Beratung der Vorlage zuzuwenden, werden die verbündeten Regierungen davon ab- sehen. die Session mit anderen umfassenden Vorlagen zu beschweren.

Wenngleich bei mir und bei meinen hohen Verbündeten die Ueberzeugung fortbesteht, daß die durch die Neugestaltung unserer Heeresein- richlungen bedingten Mittel zweckmäßig und ahne Ueberlastung auf dem Wege beschafft Werden können, welcher in den im verflossenen Herbst vorgelegten Steuergesetzentwürfen in Vor­schlag gebracht war, so bildet doch dieDeckungs- trage den Gegenstand fortgesetzter Er­wägungen. Ich gebe mich der Erwartung hin, daß Ihnen beim Beginn der nächsten Wintersession Vorlagen zugehen werden. in welchen der Grundsatz, daß die Bereitstellung jener Mittel nach Maßgabe der Leistungsfähig­keit und unter thunlichster Schonung der Steuerkraft des Volkes erfolgen muß, noch vollständiger als in jenen Vorlagen zum Ausdruck gelangt. Bis zum Ablauf des gegen­wärtigen Etatsjahres werden für die Deckung des Mehrbedarfs die Matrikularbeiträge heranzuziehen sein.

Geehrte Herren! Unter schweren Opfern ist cs gelungen, die deutschen Stämme durch ein festes Band zu einigen. Die Nation ehrt die­jenigen, welche sür dieses Werk Gut und Blut eingesetzt und das Vaterland einem politischen und wirtschaftlichen Aufschwung zugeführt haben, welcher, wie er den Zeitgenossen zum Stolz und M Freude gereicht, den nachkommenden Ge­schlechtern, wenn sie im Geist der Väter weiter bauen, des Reiches Größe und Glück verbürgt. Die glorreichen Errungenschaften zu wahren, mit denen Gott uns in dem Kampfe um unsere Unabhängigkeit gesegnet hat, ist unsere heiligste Pflicht. Solcher Pflicht gegen das Vaterland werden wir aber nur dann genügen, wenn wir ^ jtarl und wehrhaft genug machen, um ein zuverlässiger Bürge des europäischen Friedens »leiben zu können.

Ich vertraue, daß Mir und Meinen hohen -verbündeten Ihre patriotische und opferbereite Unterstützung bei der Verfolgung die>es Zieles NG fehlen wird.»

Der Kaiser schloß die von ihm verlesene Monrede. welche zum Schlüsse zweimal von -oeifall unterbrochen wurde, mit folgenden frei Sefprochenen Worten:Gehen sie hin, meine Herren, unser Aller Gott, er leihe Ihnen seinen Nr " rum Zustandebringen eines ehrenvollen A brkes sür das Wohl unseres Vaterlandes, mnen.» Tiefe Bewegung in der Versammlung.

Berlin, 4. Juli. Zur heutigen Reichs­tagseröffnung war der Kaiser in Leib­husarenuniform zu Pferde von Potsdam nach Berlin gekommen. Vor der Eröffnungsfeierlichkeit im weißen Saale des Schlosses wohnte der Kaiser mit mehreren Prinzen dem Gottesdienst in der Schloßkapeüe bei. Anwesend waren sämtliche Mitglieder der preuß. Regierung, des Bundcs- rats und die Staatssekretäre. Die Abgeordneten hatten sich sehr zahlreich versammelt, viele Zen­trumsmitglieder wurden bemerkt, nur die Volks­partei und die Sozialisten fehlten, sonst waren alle Parteien vertreten. Der Kaiser betrat in der Uniform der Gardes du Korps den Sagt. Die Schloßwache zog hinter den Abgeordneten auf und präsentierte. Der Alterspräsident Dieden von Trier brachte das dreimalige Hoch auf den Kaiser aus, in das die Versammlung begeistert einstimmte. Die Thronrede wurde lautlos angehört bis gegen den Schluß, wo bei der Stelle über Deutschland als dem zuverläs­sigen Bürgen des europäischen Friedens lautes Bravo erscholl. Ebenso ertönte zum Schluß noch ein lebhaftes Bravo. Bei dem Verlassen des Saals brachte der bayrische Gesandte Gras Lerchenfeld-Köfcring ein degeistertaufgenommencs, dreimal wiederholtes Hoch auf den Kaiser aus.

Berlin, 4. Juli. Erste Sitzung des Reichstags. Alterspräsident Dieden eröff­net die Sitzung. Er beruft die provisorischen Schriftführer. Der Namensaufruf ergibt die Anwesenheit von 291 Mitgliedern. Das Haus ist also beschlußfähig. Die Thronrede macht einen guten Eindruck. Emgegangen ist der Gesetzentwurf, betreffend die Friedenspräsenz­stärke. Nächste Sitzung Mittwoch 11 Uhr: Prä­sidentenwahl.

Berlin, 4. Juli. DerFreisinnigen Ztg." zufolge soll die erste Beratung der Militär- Vorlage am Freitag erfolgen.

Berlin, 3. Juli. Noch niemals seit der Begründung des Reiches hat ein neugewählter Reichstag über seine Lebensdauer und seine Eig­nung für eine gedeihliche Entwicklung der politischen Arbeit so zwiespältiges Urteil geweckt, so viel Bedenken und Zweifel an seiner Wiege gesehen, wie der jetzt versammelte. Möge er alle trüben Prognosen enttäuschen und dem Interesse des Vaterlandes besser frommen und seine Wirkung heilsamer gestalten als man nach seiner schweren nnd schmerzenreichen Geburt be­sorgen mochte.

Berlin, 3. Juli. Ueber die neue Mili­tärvorlage verlautet nun folgendes: Die Abweichungen des neuen Hceresgesetz Entwurfs vom Antrag Huene sind bei Artikel 2 lediglich redaktioneller Natur. In § 2 ist neu: anstatt 24 werden nur 23 Pionierbataillone formiert. Der Grund für diesen Wegfall ist folgender: Bayern hat jetzt 2 Pionier-Bataillone zu je 5 Compagnieen und wollte einen Bataillonsstab und eine Compagnie neu formieren, sodaß es dann 2 Pionier-Bataillone zu je 4 Compagnien und 1 Pionier-Bataillon zu 3 Compagnien ge­habt haben würde. Diese Absicht ist wegen des Abstriches an der Friedenspräsenzstärke aufge­geben worden. Bayern behält auch ferner nur zwei Pionierbataillone. Durch Uebernahme des württembergischen Fußartillerieregiments Nr. 13 auf preußischen Etat ist schließlich ein Zusatz zu Artikel 5 bedingt.

Der neugewählte Reichstag ist nun­mehr zusammcngetreten und es muß sich nun bald zeigen, wie eigentlich die Mehrheit sür den Militärgesetzentwurf ausschaul, welche vor Allem die Reichsregierung von der neuen Volks­vertretung erwartet. Erst dieser Tage wieder hatte dieNordd. Allg. Ztg.» herausgerechnet, daß 206 Reichslagsabgeordnete für und 191 gegen die Militäroorlage gewählt worden seien. Das ist indessen eine ebenso vage und auf un­gewissen Voraussetzungen beruhende Berechnung, als dies alle anderen Lalculationen über die größere oder geringere Mehrheit sind, mit welcher die Militäroorlage im jetzigen Reichstage angeb­lich zur Annahme gelangen würde. Denn die Stellung der Polen und der Freisinnigen Ver­einigung zu Gunsten der Heeresreform ist doch noch keineswegs eine so unbedingt zustimmende, wie die Optimisten in der Militärfrage anzu­

nehmen Pflegen, von diesen kleineren Fraktionen hängt aber in Anbetracht der sonstigen Partei­gruppierung im gegenwärtigen Reichstage das Schicksal der Militärvorlage ab. Allerdings bleibt jedoch die Wahrscheinlichkeit einer schließ- lichen Reichstagsmehrheil sür die umgearbeitete Heeresvorlage bestehen, vorausgesetzt, daß man in Regierungskreisen mit einer gewissen Geschick­lichkeit manöveriert, und nachher hätte die Auf­lösung des Reichstags wenigstens ihren nächsten Zweck erfüllt! Die Frage der Kosten­deckung wird natürlich bei den bevorstehenden Reichstagsdebatten über die Militärvorlage eben­falls ihre Rolle spielen, wenngleich positive Beschlüsse in dieser Beziehung wohl erst für die nächste Session zu erwarten sind. Schon der offiziöserseils angekündigte Nachtragsetat, durch welchen die Deckung der Militärforderungen für das erste halbe Jahr» vom I. Oktober 1893 bis 31. März 1894, im Wege der Erhöhung der Matrikularbeiträge vorgesehen werden soll, wird Gelegenheit zu eingehenden Erörterungen des ganzen Finanzproblems in der Militärsrage geben. Die betreffenden steuer- und finanz­politischen Verhandlungen werden dann der Reichsregierung vermutlich bereits einen Anhalt dafür gewähren, welche Aussichten sich hinsicht­lich ihrer zu erwartenden concreten Steuervor­schläge zur Deckung der Kosten der Heeres­reform im neuen Parlamente etwa eröffnen.

Berlin, 4. Juli. Der Kaiser verlieh dem Finanzminister Miguel das Großkreuz des roten Ablerordens mit der Krone.

Nach dem Ergebnis des diesjährigen Musterungsgeschäfts beläuft sich die Zahl ver wirklich diensttauglichen zur Einstellung in den aktiven Dienst vorgemustcrten Mannschaften um 90000 bis 100000 Mann höher als der gesamte Rekrutenbedarf.

Weijenbach im Murgthal, 27. Juni. Der Eijenbahnbau von Gernsbach hierher macht rasche Fortschritte, so daß manche sich der Hoffnung hingeben, bis Ende oes Jahres die Lokomotive pfeifen zu hören. Auf dem zukünftigen Bahn­hof wachsen schon die Fundamente des Stalions­und Postgebäudes aus dem Boden.

Württemberg.

Stuttgart, 4. Juli. Sicherem Ver­nehmen nach nimmt Se. Maj. der Kaiser im November d. I. als Gast Sr. Maj. desKönigs an den Jagden im Schönbuch teil. Voraus­sichtlich wird über diese Zeit das Hoflager nach Bebenhausen verlegt werden.

Stuttgart, 28. Juni. Die Festsetzung der durchschnittlichen Jahresarbeirervervienste der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter im Schwarzwaldkreis für die Periode 18931897 wurde derart getroffen: a) für erwachsene männliche Arbeiter aus 500 in den Gemein­den Balingen, Ebingen, Horb, Nagold, Enzthal, Altensteig, Hmterbach, Neuenbürg, Wildbad, Calmbach, Höfen, Reutlingen, Tuttlingen, Tros­singen; auf 450 für die Gemeinden Rottweil, Bühlingen, Schwenningen, Zimmern o. R.; die der weiblichen auf 350 -/lL für die Gemeinden Balingen, Ebingen, Horb; auf 300 sür Nagold, Altensteig, Enzthal, Haiterbach, Reut­lingen, Rottweil, Bühlingen, Schwenningen, Zimmern o. R., Tuttlingen und Trossingen; auf 250 ^ für die Gemeinden Neuenbürg, Wildbad, Calmbach, Höfen. Als Normalsatz sür alle nicht genannten Gemeinden wurde für Männer 400 für Frauen resp. erwachsene weibliche Arbeiter 250festgesetzt.

Ulm, 3. Juli. Das Fußartilleriebataillon Nr. 13 begab sich gestern abend 5 Uhr 55 Min. mittels Sonderzugs nach dem Schießplatz Wahn bei Köln, wo das Bataillon bis 4. August Schießübungen hält.

Ausland.

Der Großfürst-Thronfolger von Rußland, welcher als Vertreter des ruisischen Kaiserhauses bei den Vermählungsfeierlichkeilen im englischen Königshause nach London entsendet worden ist. kann sich einer ungemein ehrenvollen Aufnahme am englischen Hofe rühmen. Der Zarewitsch wird bei diesem seinem erstmaligen Aufenthalte am britischen Hofe mit Auszeich-