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akliven Dienstpflicht sind die Mannschaften der Kavallerie und der niienden Feldartillerie die Mn drei, alle übrigen Mannschaften die ersten zwei Jahre zum ununtclbrvcheiieu Dienst bei der Fahne verpflichtet". Da diese Bestimmung für die Dauer der Bewilligung des neuen Ge­setzes, also bis 3. März 1899 gelten soll, so Me bis dahin für die Fußtruppen thalsächlich die zweijährige Dienstzeit gesetzlich festgestellt.

Berlin. 27. Juni. DieVoss. Ztg." behauptet, dem Reichstage werden bei seinem Zusammentritt sofort außer der Militärvor­lage Vorschläge zur Linderung der Futlernot zugehen.

Berlin, 23. Juni. Die soeben veröffent­lichten Ergebnisse des Heeres-Ergänzungs- geschäfteS für 1892 legen wieder ein lautes Zeugnis dafür ab, wie ungleichmäßig bei der jetzigen Friedens-Präsenzstärke die Heranziehung der Bevölkerung zum akliven Militärdienst uus- fällt. Nach einer derPost" entnommenen Zu­sammenstellung mußten allein 21074 völlig brauchbare Leute zurückgcstellt werden, weil sie über den Rekrutcnbedarf überschießend waren, 81 796 kamen zur Eisatzrcservc, 118 312 zum Landsturm I.; hierin stecken auch noch sehr viele völlig Brauchbare. Von den crstercn wird jetzt nur ein geringer Teil im Frieden notdürftig ausgebildet, der Rest sowie der ganze Land­sturm I. kommt erst im Kriege zur Ausbildung und in der Regel gar nicht vor den Feind, wohl aber die älteren Landwehrleute.

Colmar, 23. Juni. Ein grausiges Verbrechen, das vor zwei Jahren hier verübt wurde, ist erst jetzt ans Tageslicht gekommen und bildet seit einigen Tagen das allgemeine Gesprächsthema, soweit es nicht durch die Wahlen in Anspruch genommen wird. Bei dem Schwager und Associo der Maschinenhandlung Gebrüder Eglinsdörffer hier, Namens Becker, war vor 2 Jahren in der Nacht ein Brand ausgebrochen wobei seine Frau und zwei kleine Kinder an­geblich erstickt waren. Becker war in jener Nacht in Schletlstadt und als er am Morgen nach dem Brande mit dem Zuge hier ankam, weinte er, daß es einen Stein hätte rühren können. Es war offenkundig, daß Becker mit seiner Frau nicht das beste Leben geführt hatte, und daß er mit einer Dame in Geb­weiler ein verbotenes Verhältnis unterhielt. Nach dem Brande ging Becker erst nach Frank­furt, dann nach London. Vor einiger Zeit wegen Betrugs und Unterschlagung zu längerer Gefängnishaft verurteilt, machte er seinem Leben durch Erhängen ein Ende. Vor seinem Tode wollte er aber noch sein Gewissen erleichtern, indem er das schriftliche Geständnis ablegte, daß er in jener Brandnacht, ehe er auf seinem Veloziped nach Schletlstadt fuhr, seine Frau und Kinder erdrosselte, die Leichen und das Bett mit Petroleum begoß und dann anzündete. Erst dann ist er nach Schletlstadt gefahren. Becker warzin jener Nacht von einem hiesigen Herrn bestimmt erkannt worden, als er aus Colmar hinausfuhr; cs war auch damals eine Unter­suchung gegen ihn eingeleitct worden, die aber wieder aufgegeben wurde, da er angeblich den Alibibeweis geführt habe.

. Karlsruhe, 27. Juni. Gestern Nach­mittag siet an dem Hause Zirkel 8 das Mauerwerk mier baufälligen Mansarde vom Dache auf die Straße herunter, glücklicher Weise war im Augen­blick Niemand auf der Straße, so daß kein Un­glück geschehen konnte.

Württemberg.

Stuttgart. 27. Juni. Das Königs- ^ar ist mit der Prinzessin Pauline heute zu mehrwöchigem Aufenthalt nach Friedrichshasin abgereist.

Das Parteiverhältnis in Württem­berg ist das nämliche geblieben wie im auf­gelösten Reichstage. Württemberg entsendet auch fernerhin in den Reichstag: 2 National- lieberale (siegle-Stutlgart und Bantleon-Ulm), 1 Freckonservativen (v. Gültlingen), 4 Ultra- montane und 10 Angehörige der süddeutschen l 7 ?"E?Mtei. Hinsichtlich der Militärvorlage hat >>ch die Sachlage um ein geringes verschlechtert,

insofern als der militärsreundliche Zentrumsab- geordncte Graf Adelmann, der für den Antrag Hnene gestimmt und eine Wiederwahl abgelehnt hat, durch einen Zentrumsmann Licberscher Richt­ung ersitzt worden ist.

Auch in diesem Jahre sind die Regiments­und Balaillonskommandos von zuständiger Stelle angewiesen worden, Soldaten zur Unter­stützung ihrer Angehörigen bei der Ernte, soweit die dienstlichen Interessen dies gestatten, in die Heimat zu beurlauben. Bei dieser Ge­legenheit ist zu bemerken, daß Gesuche von Privatpersonen um zeitweise Beurlaubung von Soldaten am besten an die Regimentskommandos, als an die zur Gewährung solcher Gesuche zu­nächst berechtigten Behörden, zu richten sind. Beurlaubungs Gesuche, welche an die höheren militärischen Kommandobehörden, wie Brigade-, Divisions- und Generalkommando gerichtet wer­den, erltidcn erfahrungsgemäß eine Verzögerung, weil sie in der Regel an die Gesuchsteller mit der Weisung zurückgehen, sich au das bctr. Regimentskommando zu wenden.

KZ Dem Vernehmen nach hat die württ. Notstands-Kommission am Montag in Mannheim bei 3 Großhändlern 400 Eisenbahn- Waggons Welschkorn pr. Doppelztr. zu 13cM 50^ aufkaufen lassen.

Stuttgart, 22. Juni. Der hsisige Gcmcindcrat hat mit 12 gegen I I Stimmen be­schlossen, das Ortsstatut über die Sonntagsruhe aufzuheben und die König!. Stadtdirektion zu bitten, vormittags von 89 und nachmittags von 113 Uhr den Verkauf zu gestatten. Bei der Abstimmung gab der Stadtvorstand mit seiner Stimme den Ausschlag.

Stuttgart. Der erste größere Versuch in Herstellung von Holzpflasterung in der Kronprinzenstraße und Umgebung wurde nun vollendet; die hvlzgepflasterlen Straßen, wurden nach allen Richtungen und mit Wägen aller Art befahren. An der Kreuzung der Linden- und Kronprinzstraße ist ern Versuch mit Diagonalpflaster gemacht worden.

In der Gewehrfabrik Oberndorf wollte der Arbeiter M. Haas eine Anzahl abgeschvssener Gewehre aus dem Schießraum tragen, um die­selben mit dem Kontrvüstempel versehen zu lassen. Beim Niederstellen der Gewehre entlud sich eines derselben, und die Kugel drang dem Arbeiter durch den Hals, was dessen sofortigen Tod zur Folge hatte.

Untertürkheim. 22 Juni. Die Reben haben nun nahezu verblüht; zur Freude des Weingärtners hat die für die übrigen Gewächse so nachteilige Dürre die Blüte und das Ge­deihen des Weinstocks so sehr begünstigt, daß Aussichten auf einen mittleren, ja in manchen Berglagen der Nachbargemeinde Rothenberg auf einen vollen Herbstertrag vorhanden ist. Mit dem Obst sieht cs im Thal recht spärlich aus; dagegen giebt cs an den Thalwänden und auf den Höhen von Rotheuberg und Uhlbach viel Obst.

Ausland.

Die Russen haben sich j tzt nach dem Beispiele ihrer französischen Busenfreunde eben­falls einen doppelten Zolltarifgeleistet", einen Minimal- und einen Maximaltarif. Als Minimaltarif gilt der russische jetzige Zolltarif, der lediglich einige Abänderungen erfährt, als Marimallarif wird ein Tarif eingesührt, der für zahlreiche Waaren Zollaufschläge von 30, 20 und Prozent einführt. Der 30prozentige Zu­schlag wird namentlich auf viele Fabrikate, be­sonders der Eisen- und der Wollen-, sowie der Leinen-Industrie, ferner auf Lokomotiven, land­wirtschaftliche Maschinen, Waggons u.s w. gelegt werden. Ein kaiserliches Dekret bestimmt, daß der künftige Minimaltarif denjenigen Ländern zugestanden werden soll, welche die russischen Produkte unter den günstigsten Bedingungen zur Einfuhr und Durchfuhr zulassen. Diejenigen Länder, welche Rußland nicht die Behandlung als meistbegünstigte Nation zugestehen, werden einem Moximaltarif unterworfen werden. Fast scheint es, als ob der neue russische Maximql- tarif zunächst deshalb erfunden worden ist, um

Deutschland in den handelspolitischen Verhand- lungen mit Rußland den russischen Wünschen gefügiger zu stimmen. Ob die Russen aus diesem Gcwaltswege Deutschland gegenüber etwas er­reichen werden, erscheint freilich sehr zweiselhast.

Paris, 22. Juni. Bei dem Festmahl, das Zolas Verleger diesem anläßlich des Er­scheinens seines letzten Romans: Doktor Pascal gestern veranstaltete, sagte nach der Wes.Ztg. General Jung in einer Tischcedt :Sie haben die Niederlage geschrieben, möchten Sie auch den Sieg schreiben können!"Das", rief Zola,ist Ihre Sache, General!"

Antwerpen, 20. Juni. Wie die hie­sigen Blätter melden, hat die französische Regierung der belgischen mitgeteilt, daß sie sich offiziell nur an einer der nächstjährigen Aus­stellungen beteiligen würde, also entweder an der Antwerpener des Jahres 1894 oder an der Brüsseler des Jahres >895, und darauf er­widerte die belgische Regierung, daß es ihr am angenehmsten wäre, ivenn man sich in Paris für Antwerpen entscheiden wollte. Hiernach darf nunmehr die offizielle Beteiligung Frank­reichs an der Antwerpener Ausstellung als sicher gellen, und das verleiht der letzteren eine ganz besondere Bedeutung, speziell auch für die deutsche Industrie. Denn die Haltung ihr,r Regierung wird natürlich die Franzosen zu einer sehr umfangreichen Beschickung der Ausstellung veranlassen und cs wird somit den deutschen Industriellen Gelegenheit geboten sein, sich ans neutralem Boden in Europa mit ihren franz. Rivalen zu messen und zu zeigen, wer von Beiden Größeres zu leisten vermag. Wahrschein­lich ist cs auch, daß die Erklärung der franz. Regierung der geplanten Brüsseler Ausstellung, welche ohnehin viele als ein totgeborenes Kind betrachten, vollends den Todesstoß versetzen wird,

- so daß dieselbe überhaupt nicht zu Stande kommt. Zwei Ausstellungen in zwei aufeinander­folgenden Jahren in demselben kleinen Lande sind an und sür sich ;chon zu viel des Guten, nach dem zweifellos glänzenden Erfolge der Ant- werpenerWeltausstellung aber würde dieBrüffeler, zumal mit Rücksicht auf die von so vielen Aus­stellern im Jahre 1888 in Brüssel gemachten schlimmen Erfahrungen, schwerlich virle Indu­strielle zu einer Beteiligung veranlassen können.

Jeddah, 27. Juni. Gestern kamen in Mekka 999 Choleratodesfälle vor.

Kolumbia, Jll., 9. Juni. Bon hier meldet man der N. U. H. Z.: Gestern Nacht um 9 Uhr haben 6 maskierte Räuber bei dem acht Meilen nördlich von hier gelegenen Orte Forest Lawn einen Zug der Mobile- u. Ohio- Bahn überfallen und aus dem Expreßwagen 10 000 Lire in Baar und außerdem andere Gegenstände von bedeutendem Werte geraubt. Der bctr. Zug mschte an der genannten Station einen kurzen Halt, als die sechs vermummten Kerle aus einem Dickicht vordrangen. Zwei der Banditen zwangen mit drohend erhobenen Re­volvern den Zugführer und Heizer sich ruhig zu verhalten, während die andern 4 Räuber nach d m Expreßwagen stürmten. Mehrere Bahn- bedienstetc stellten sich den Räubern entgegen, wurden aber nach kurzem Kampfe durch einen Kugelregen aus Winchester-Büchsen u. Revolvern gezwungen, sich in das Innere des Wagens zu flüchten. Die Räuber schlugen die Thür des Expreßwagens mit einem schweren Hammer ein. Der Expreßbote Branford, welcher ihnen Wider­stand leistete, wurde von ihnen durch einen Hieb mit einem Beile verwundet und sank zu Boden. Die Räuber wandten Wiederbelebungs­mittel an und als Branford sich einigermaßen erholt hatte, zwangen sie ihn, den eisernen schrank zu öffnen. In wenigen Sekunden hatten sie alle Gelder und Wertpackete aus dem Wagen geräumt und ohne die Mitreisenden zu belästigen, schlugen sie mit ihrer Beute sich seit­wärts in die Büsche. Eine starke Sheriffs- mannschast hat die Verfolgung ausgenommen, doch ist wenig Aussicht, die flüchtigen Banditen, welche einen bedeutenden Vorsprung haben, in der durch Wälder und Sümpfe unzirgänglichen Gegend einholen zu können.