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Aus Stadt. Bezirk und Umgebung.
Se. Maj. der K ö n i g hat am 19. ds. Mks. die Ratsstelle bei dem Berwaltungsrat der Ge- baudebrandversicherungsanstalt dem Hilfsarbeiter in, Ministerium des Innern tit. Regierungsrat Lofmann übertragen.
Herr Reg.Rat Hof mann wird übrigens, v>e wir vernehmen, in seiner bisherigen Stellung (im K. Ministerium des Innern) verbleiben.
Wildbad, 20. Juni. Nach der ersten Md zweiten amtlichen Kurliste beträgt die Zahl der Kurgäste 1297.
Neuenbürg. 21. Juni. Der so sehnlich erwartete Regen ist nun. Gott sei Dank, mit dem gestrigen Tage eingetreten, zunächst in Begleitung eines leichten Gewitters, dem die ganze Nacht über ein. wenn auch nicht starker, so doch erfrischender Niederschlag folgte, der heute andauert. Ec giebt, obgleich natürlich noch lange nicht genügend für die lechzende Pflanzenwelt und für die Speisung der Quellen, doch wieder etwas Hoffnung aus Grünfutter und kommt namentlich auch den Halmfrüchten, dem Obst und den Kartoffeln zu gut.
Schwann. (Eiliges.) Auf das „Eingesendet" in der letzten Nr. ds. Bl. erklärt der hiesige Militärverein, daß die Fahnenweihe dieses Vereins, wie bestimmt, am 9. Juli ds. Js. stattfinden muß. Wir hatten am letzt-vergangenen Eoiintag zwei Versammlungen, bei welchen ausdrücklich bestimmt wurde, die Fahnenweihe dürfe nicht aufgeschoben und nicht aufgehoben werden, da uns dadurch zu viel Schaden verursacht würde. Wir bedauern also, dem Wunsche des bell. Einsenders nicht entsprechen zu können. Nach Lage der Sache ist dies nicht mehr möglich.
— R-rnemckrü^g. 19. Juni 1893. „Sei gegrüßt du Fest der Lieder, Gieße Freud' und Segen aus,"
so quoll es aus den Kehlen der Sänger des Enz-Nagold-Gaubundes, welche gestern zum 3. Sängerfcst nach U n te rreichen b aK, gekommen waren. Freilich'„heiß war der Tag", aber nicht „blutig die Schlacht", nein, friedlich war der Wettkampf, der nach kurzer Rast draußen auf dem Festplatz an der Nagold begann. Daß sich die Sänger zum Kampf gerüstet und sich tüchtig vorbereitet hatten, ließen die zum teil ganz vorzüglichen Liedervorträge erkennen. Nach ausgeloster Reihenfolge traten auf den Plan die 10 Vereine: Männergesangverein Conweiler (Dirigent Lehrer Eisenmann) mit „In dem hohen Reich der Sterne" v. Zwyssig. Sängerbund Grunbach (Dirig. Lehrer Gehring) «Froh wandre ich" von Attenhofer, Frohsinn Schwann (Lehrer Wieland) „Ein Morgenschimmer gliche von Silcher, Freundschaft Unterrcichenbach (Fabrikant Bachmaier) „Es steht ein Haus am Rheine" von Jsenmann, Liederkranz Hirsau (Lehrer Knüller) „Am Waldrand steht ein Tannenboum" von Schmölzer, Liederkranz Engelsbrand (Lehrer Weireter) „Auf deinen Höhn", Volkswelse, Liederkranz Calmbach (Lehrer Martin) „Wenn alle Brünnlein stießen" von Silcher, Sängerbund Birkenfeld (Lehrer Bender aus Pforzheim) „Zieh hinaus!" von Dregert, Liederkranz Dobel (Lehrer Siegle), „Treue Liede" Volksweise, und Sängerbund Arnbach (Lehrer 2 Herrigel) „Wenn die Quellen silbern fließen" öon Häjer. Der Preisgesang vollzog sich in bester Ordnung, und die guten Leistungen ließen b>e Zuhörer die Brathitze ganz vergessen. Möchte buch künftighin das Preissingen auf den Vormittag verlegt werden. Während sich die Preis- uchtcr zur Beratung zurückzogen, eilten die anger zur Hauptprobe der Gesamtchöre in die Vuterhalle. Dem umsichtigen Dirigenten, Schul- cyrer Schramm, wurde hier der Dank für Me thatkrästige Leitung dargebracht. Dann ütugs zum Mittagessen in die verschiedenen uartiere. Im Löwen, wo der festgebcnde mit den Festjungfraueu speiste und sich H das Preisgericht und der Gauausschuß mit ^"öürger Liederkranz eingefunden hatte, ein ^chttltheiß Scholl von Unterrcichenbach ^oast aus auf den Gauausschuß und die dem Musikdirektor Baal aus Psorz-
Mnti'fl u "^Ehrer Eckert aus Brötzingen und I lehrer Ha asi s aus Maulbronn, ihnen für
ihre Mühewaltung herzlich dankend. Den um 3 Uhr beginnenden Festzug bildeten 27 Vereine. Gleich nach Ankunft auf dem Festplatz hielt Schultheiß Scholl eine sehr beifällig aufgenommene Begrüßungsansprache, in welcher er seiner Freude Ausdruck verlieh, daß das Gaufest nach Unterreichenbach verlegt worden sei. Auf die Bedeutung dieses Festes übergehend, pries Redner den Gesang als eine Gabe Gottes, die uns veranlassen solle, nicht bloß zu unserem Vergnügen. sondernauchzurEhreGotteszu singen. Der Gesang begleite den Menschen von der Wiege bis zum Grabe, er sei ein Tröster in den Nöten des Lebens, möge er vom Gaubund immerfort gepflegt werden. Nach dem Gesamtchor: „Was ist das Göttlichste auf dieser Welt" von Kreuzer hielt der Gaukassier, Schullehrer Braun, die Festrede. Die Festgäste u. Sänger begrüßend und dem Vorredner sowie dem Festort und den Festjungfrauen für den freundlichen Empfang dankend, führte Redner aus, daß die Sänger ein tüchtig Stück Arbeit hinter sich hätten und daher das heutige Fest mit Freuden begrüßen werden. Den Mittelpunkt desselben bilde das deutsche Lied mir seinen lieben Melodiken und seiner geheimnisvollen Kraft. Der Gesang sei eine herrliche Gabe Gottes, ver- ichmelze doch bei ihm Verstand und Gemüt, Wort und Empfindung gleich in Eins, und erkläre in ihm das Wort die Töne, während der Ton die Worte verkläre. Im Gesang schwinge sich die Freude himmelan und ersterbe der Schmerz. Er bilde den edelsten und lieblichsten Schmuck der Geselligkeit und halte diese in Zucht, ohne der Fröhlichkeit zu wehren. Er umschlinge jung und alt, führe die verschiedenen Stände zusammen und bringe sie einander näher, und nie werde es vergessen werden, was der deutsche Männcrgesang zur innerlichen Einigung unseres Volkes beigelragen habe. Auch jetzt habe der Gesang eine hohe patriotische Aufgabe zu vollbringen. indem er den Parteihader und den sonstigen politischen Zank, unter dessen Einfluß die deutsche Einheit kränkle und der sich auch in den letzten Wochen wieder da und dort in seinem häßlichen Gewand gezeigt habe, im täglichen Leben überwinden helfe. Der herzbildende Einfluß des Gesanges mache diesen zu einem gewichtigen Bildungsmittel für unser gesamtes Volksleben und dadurch unsere Gesangvereine zu Kulturträgern. In unserer dem Matccialis. mus huldigenden Zeit sei es notwendig, daß es sich alle Pfleger geistiger Güter angelegen sein lassen, die Ideale hoch zu halten und das Schöne zu pflegen in der Kunst des Gesanges. Wenn die andere Künste nur von Einzelnen geübt werden, so sei die Sangeskunst die einzige, welche das Volk im ganzen erlernen und betreiben könne. Am lohnendsten sei die Kultur des Gesangs beim deutschen Volk wegen seiner tiefen Gemütsanlage und weil ihm am meisten Sangcslust eingepflanzt sei. Ganz unbegreiflich erscheine es uns, von andern Völkern, z. B. dem amerikanischen Volke zu hören, daß es dort keinen Volksgesang gebe, daß dort der Hirte, der Landmann und der Handwerker nicht singe und daß die an Naturschönheiten so reichen Landschaften der zauderkräftig belebenden Klänge der Menschenstimme ermangeln. Anders sei es bei unsern deutschen Landsleuten drüben im fernen Westen. Werde auch bei der „Jagd nach dem Dollar" das Gefühlsleben mehr in die Brust zurückgedrängt, so bleibe doch etwas erhalten , wenn Sprache, Sitte und Gebräuche schon abgestreift sind, das deutsche Lied. Dies sei das Band, das sie umfasse und zugleich mit der alten Heimat verbinde. Sie haben sich neuerdings zu deutschen Gesangvereinen zusam- mengethan und diese durch einen großen Sängerbund mit einander in Verbindung gebracht. Als Beweis ihrer rührenden, uns wirklich beschämenden Heimatliede trägt Redner eines ihrer Lieder vor. Daß dies nicht leere Phrasen seien, haben unsere Volksgenossen anno 70 gezeigt, wo viele Hunderte freiwillig herbeigeeilt seien und Gut und Blut fürs alte Vaterland eingesetzt haben. So sei das deutsche Lied zugleich ein Hort des Deutschtums im Ausland. Mit dem Wunsche, auch künftighin zusammenzustehen und den Geist der Eifersucht und Unzu
friedenheit niederzuhalten, dagegen in der Pflege des deutschen Liedes fortzufahren und es in immer weitere Kreise zu tragen, damit der „Wunderstrom noch manch Jahrhundert dahinbrause" , schloß Redner. Hierauf trugen die Vereine ihre Preischöre noch einmal vor. um den erst nachmittags angekommenen Festgästen auch etwas zu bieten. Wir hätten gewünscht, daß letztere dankbarer und aufmerksamer gewesen wären. Nun folgten unter Leitung des Fest- dirigenten Schullehrer Schramm die Gesamtchöre: „In einem kühlen Grunde" (Glück, geb. 1793) und „Nimm deine schönsten Melodiken" (Abt), welchen sich einige Spezialchöre nicht- preissingender Vereine anreihten. Zu den letzteren gehörten die von Calw und Neuenbürg, welche als Inhaber erster Preise sich statutengemäß diesmal nicht am Wettkampf beteiligen durften. Die mit Spannung erwartete Preisverteilung leitete Musiklehrer Haasts mit einer Ansprache ein, in welcher er den Vereinen mit- leilte, daß jedem derselben eine eingehende Beurteilung seiner Leistung schriftlich zugehen werde, weshalb er sich auf eine allgemeine Kritik beschränken könne. Er müsse anerkennen» sagte Redner, daß seit dem letzten Fest tüchtig gearbeitet worden und der Fortschritt ein über Erwarten guter sei. Insbesondere haben sich die Vereine bemüht, schön zu sprechen, woran cs bisher gefehlt habe, doch liege jetzt die Gefahr nahe, ins Gezierte und Manierierte zu verfallen. Andererseits aber müsse noch viel mehr auf harmonische Reinheit gehalten werden. Bei der Auswahl der Lieder, die diesmal im allgemeinen das Richtige getroffen habe, sollten die Vereine am Volkslied festhalten. Das Preisgericht habe nach bestem Wissen und Gewissen geurteilt, könne aber nicht mehr Preise verteilen als ihm zu Gebot stehen, es möchten sich deshalb diejenigen, die nicht haben bedacht werden können, nur nicht entmutigen lassen, sondern immer mehr in der Pflege des schönen Gesangs fortschreiten. Redner brachte zum Schluß ein Hoch auf den Gaubund aus. Diesen wohlmeinenden Worten schloß sich der Gauvorstand in einer kurzen Rede an und nahm sodann die Preisverteilung vor. Preise erhielten die Vereine: Unterreichenbach (mit 31'/, Punkten), Birkenfeld (28'/, P.), Enqelsbrand (28 P.), Calmbach (27 '/, P.),
, Grunbach (26 P.) und Arnbach (25 P.) Die zwei nächstfolgenden Vereine waren Schwann (24 P.) und Dobel (23 P.) Die Freundschaft Unterreichenbach hatte für den mit dem 1. Preis bedachten Verein einen prächtigen Pokal gestiftet, der nun, da sich die Freundschaft nicht selbst beschenken wollte, dem Sängerbund Birkenfeld überreicht wurde. Bald darauf zogen die beglückten Vereine mit ihren von schöner Hand an die Fahnen gehefteten Preismedaillen in ihre Quartiere ab. Ja, „heiß war der Tag" und staubig die Straße, aber fröhlich das Fest und schön der Gesang.
Darum thu' jeder Sänger freudig kund:
Es wachs' u. blüh' der Enz- u. Nagold-Sängerbunds.
Calw, 20. Juni. Die hiesige freiwillige Feuerwehr hielt gestern Montag Abend ihre jährliche Hauptversammlung. Dabei war von dem bisherigen Kommandanten, Emil Georgii, ein Schreiben eingelaufen, worin er erklärte, wegen vorgerückten Alters eine Wiederwahl nicht mehr annehmen zu können. Es wurde einstimmig beschlossen, ihn zum Zeichen des Dankes für seine ersprießliche, aufopfernde Thätigkeit als Kommandant während eines Zeitraums von 31 Jahren zum Ehrenkommandanten zu ernennen und ihm ein künstlerisch ausgestatteteS Diplom hierüber zuzustellen. Konditor Haager wurde mit großer Mehrheit zum neuen Kommandanten gewählt.
Deutsches Weich.
Berlin, 18. Juni. Aus einer Liste der Wahlergebnisse, die wir im „Vorwärts" finden, ergibt sich ziffermäßig, daß es mit dem Anwachsen der sozialdemokratischen Wahlstimmen doch nicht allenthalben so unheimlich ernst ist. In Berlin erklärt sich der Zuwachs zum großen Teile aus dem organischen Zuzug der arbeitenden Bevölkerung in den betreffenden Gebieten der Peripherie der Hauptstadt. In einer Reihe von