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Pfeiler der Verfassung, durch Ausnutzung jeder Gelegenheit, das Wohl des Arbeiters zu fördern. Vollkommene Zustände zu erreichen sei unmöglich, denn wir seien alle unvollkommene Menschen. Man sage auch, der oder jener sei glücklicher als der andere. Das wahre Glück bestehe in dem Bewußtsein treuer Pflichterfüllung, selischer und leiblicher Gesundheit; derjenige, der selbst und dessen Familie seelisch und leiblich gesund sei und der seine Pflicht erfülle, der sei glücklich zu nennen, ob er nun König sei oder Arbeiter sei." Reicher Beifall lohnte den Redner.
Eltville, 3. Juni. Der dem Bahnhof gegenüber liegende neue Saalbau des Gastwirts Emmel ist gestern zusammengestürzt. Aus den Trümmern zog man 1l Personen hervor, von denen die Tochter des Wirtes schwer verletzt, das Dienstmädchen tot war. Die übrigen neun Verschütteten haben gleichfalls mehr oder weniger schwere Verletzungen davongetragen.
Mannheim, 6. Juni. In dem benachbarten Weinheim suchte bei einem gestern Nachmittag niedergehenden Gewitter das auf dem Felde beschäftigte Ehepaar Hilpert von Sulzbach Schutz unter einem Baume. Bald darauf schlug der Blitz in den Baum, wodurch das Ehepaar sofort getötet wurde.
Ein massenweise auftretender, bisher unbekannter Käfer verwüstet die Getreidefelder der oberschlesischen Kreise Lublinitz und Großstrehlitz. Auf der Herrschaft Cziasnau allein mußte man bereits 800 Morgen vernichteter Sommersaat einackern.
Württemberg.
Rotten bürg, 3. Juni. Am Fronleichnamsfest Nachts 3 Uhr wurde Bischof v. Hefelje von einem Schlaganfall gerührt. Obwohl sich der 83jährige Kranke wieder ein wenig erholt hat, ist doch wenig Aussicht auf Erhaltung seines Lebens vorhanden.
Rotten bürg, 5. Juni. Bischof v. Hefele ist heute Vormittag 11 Uhr gestorben.
Dem Schw. Merk, geht aus Heilbronn den 5. Juni folgende Mitteilung zu: „Oberbürgermeister Hegelmaier ist heute von Jllenau wieder hierher zurückgekehrt, nachdem die Beobachtung seines Geisteszustandes in der dortigen Jrrenheilanstalt ihr Ende erreicht hat. Seine Entlassung konnte noch vor Ablauf der auf 6 Wochen bestimmten Beobachtungsfrist erfolgen. Die Beobachtung fand durch zwei Irrenärzte in der sorgfältigsten Weise statt und wurden insbesondere auch eingehende Erhebungen durch Vernehmung derFamilienglieder, des langjährigen Hausarztes u. s. w. vorgenommen. Das durch den Direktor der Jrrenheilanstalt, Geh.Rat Dr. Schäle, erstattete Gutachten gelangt zu dem Ergebnis, daß H. geistig vollständig gesund ist, und es auch früher immer war, während das K. Medizinalkollegium bekanntlich ihn für „unheilbar geisteskrank" erklärt hatte. Die Veröffentlichung des Gutachtens wird nächstdem ermöglicht werden."
Stuttgart, 1. Juni. Die Bevölkerung Stuttgarts ist um ein großes Vergnügen gekommen. Dem Gigerl, welcher sich ein dressiertes Ferkel als Begleitung wählte, wovon mir Mitteilung machten, ist von der Polizei bedeutet worden, daß ein Schweinchen als ein legaler Begleiter des Menschen nicht betrachtet werden könne und daß das Wiederauftauchen des genannten Getiers in den Straßen der schwäbischen Metropole eine Geldstrafe zur Folge haben werde.
Ausland.
Paris, 5. Juni. Der Gaulois schreibt, die Regierung werde sich, trotz der Wichtigkeit des Kadresgesetzes, enthalten, die Beratung bereits jetzt zu erlangen, aus Furcht, gewisse Vorwände zu Gunsten der deutschen Militärvorlage zu liefern. Der Kriegsminister habe sich mit dem Ministerpräsidenten verständigt, die Wahl des neuen Reichstags abzuwarten, bevor an die Lösung dieser ernsten Frage geschritten werde. (Man weiß, daß das Kadresgesetz neue wichtige Verstärkungen des französischen Heeres beabsichtigt und es ist sehr bezeichnend, daß man fürchtet,
die Beratung des Gesetzes würde, wenn sie jetzt staltfände, in Deutschland Stimmung für die Militärvorlage machen.)
Paris, 6. Juni. Der Kassenbote der „Sociatö Generale" ist mit 239 000 Fr. flüchtig.
Warschau, 6. Juni. Aus dem Postwagen eines von Kowel hierher fahrenden Personenzuges der Weichselbahn wurden Nachts zwischen Rejowier und Trawnicki 7 Kasetten mit 70 000 Rubel entwendet. Die Diebe sind noch nicht gefaßt.
In Südrußland stehen Ernte und Futter teilweise ziemlich gut, teilweise herrscht aber auch so großer Futtermangel, datz das Vieh schon mit dem Stroh der Dächer gefüttert oder um jeden Preis losgeschlagcn wird.
London, 6. Juni. Der Spezialberichterstatter der „Daily News„ in Chicago schreibt: Die deutschen Aussteller haben recht, über den Triumph ihres Vaterlandes in der Weltausstellung zu jubeln. In fast jeder Abteilung stehen die Deutschen an der Spitze, und wenn Handel und Industrie irgend einer Nation von der Ausstellung Nutzen haben sollen, muß es Deutschland in erster Linie sein. — Der deutsche Reichskommissar Geheimer Regierungsrat Mermuth hat gestern den Krupp-Pavillon in der Weltausstellung eröffnet und dabei die patriotischen Gesinnungen Krupps hervorgehoben.
Unterhaltender Heil.
Um Tod und Leben.
Eine Erzählung aus den Ausläufern des Rothhaar.
(Nachdruck verboten.)
1 .
Auf heimischem Boden.
Mai war s, blühender, duftender Mai! Mit seinem lebenspendenden Odem hatte er den Wald geküßt und tief unten auf mosigem Grunde, hoch oben, wo Zweige und Wipfel sich wiegen, regte sich neues Leben. Der grüne Teppich des Waldes schimmerte in neuer glänzender Farbe, und das Helle Grün der Buchen feierte Hochzeit mit dem dunkeln Gezweig der ragenden Tannen. Die flaumigen Kätzchen der Sohlweide streuten Helle Flocken auf das leuchtende Hochzeitgewand des Waldes, dessen Saum Primeln, Veilchen und Sauerklee schmückten. Wenn aber am Morgen der Thau mit seinen Perlen den Hochzeitsschmuck vollendete, oder wenn am Abend weiße wallende Nebel den Brautschleier woben, flötete die Nachtigall ihr Liebeslied durch den weiten Wald und die ganze Natur lauschte der Sängerin. Ja, köstlich ist die Maienzeit und köstlich ist's, da draußen zu streifen in Wald und Hüde, wenn der Frühling Einzug hält. Doch auch im maigrünen Walde lebt neben der Freude das Leid. —
Unter knorriger Eiche, deren Blütenkätzchen leise im Winde zitterten, stand ein Wandersmann. Von dem erhöhten Standpunkte schaute er hinab in das Blättergewirr, hinauf zum blauenden Himmel. Das Haupt jetzt auf die Brust geneigt, lauschte das Ohr dem Gesänge der Nachtigall und eine Thräne rann über die gebräunte Wange hinab in den dunklen Gart. Dann aber, gleichsam sich ermannend, warf der Fremde den schönen Kopf mit den blitzenden blauen Augen zurück, die schlanke, aber kraftvolle biegsame Gestalt reckte sich, die Hand rückte das leichte Ränzchen bequemer, faßte den derben Reisestock fester und mit rüstigen Schritten folgte er dem schmalen Pfade, der in das Blättergewirr hinein, südwärts führte. Unbekannt schien dem Fremden die Waldgegend nicht zu sein. Nicht lange und in das leise Rauschen des Waldes mischte sich das Brausen fließenden Gewässers, noch einige Schritte und der Wanderer stand auf hohem schroffen Felsvorsprunge. Unten in der Tiefe brauste es dahin, das frische kristallhelle Gebirgswasser, über Moos und Gestein, gefallene Baumstämme und Geröll, das muntere Kind des Rothaargebirges, die schlanke Eder. Der Wanderer stand still. Sein Blick glitt hinab in das Thal und hinüber auf die unabsehbaren Kuppen und Waldungen des jenseitigen Ufers. Und drüben glänzten zwischen den Baumwipfeln die roten Dächer eines Dorfes, über dieselben
ragte der altersgraue Turm der Dorste. Die Abendglocken schallten herüber, erst W klar, dann dumpf und abgemessen. Sie lüde zum Gebet, mahnten deu Wanderer, ein MI Dach zu suchen, führten ihn zurück aus den rechten Weg. den er vielleicht im Gewirr? ^ Waldes verfehlt. °°s
Der Wanderer auf einsamer Höhe zog den Hut. Er betete, betete nach langen Jahren des Fernseins zum ersten Male wieder in der Hy, mat. Dann stieg er einen schmalen Pfad hj^h' um dort unten den schmalen Brettersteg zu n?! Winnen, der zum anderen Ufer der Eder sühne' auf dem das Dörfchen lag, das er von der Höhe geschaut. Aber er konnte nicht anders wes das Herz voll ist, geht ja der Mund über' er mußte singen. Und kraftvoll klang es hinein in den abendstillen Wald und es klang hinüber zur Bergeswand und klang zurück in vielstim. migem Echo:
O deutscher Wald mit deinem Schatten
Den Thälern weit, den grünen Matten,
Den Bergen, die zum Himmel streben,
Mit deinem zaubervollen Leben:
O deutscher Wald, sei mir gegrüßt! Sy mir gegrüßt! „Sei mir gegrüßt!" kam es von drüben zurück, leise verhallte das Echo und murmelnd eilte der Fluß dahin, sonst Ruhe.
„Sie lieben wohl den Wald sehr?"
Eine kräftige, sonore Stimme war es, welche die Ruhe unterbrach und den Sänger sich rasch zur Seite wenden ließ. Unter dem tief herabhängenden Geäst einer riesigen Tanne stand ein Forstmann mit wetterharten Zügen und weißem borstigen Schnurrbart. Der Wanderer hemmte seine Schritte und ließ seinen Blick prüfend an der Gestalt des alten Waidmannes herabgleiten. Wie rasches Erkennen huschte es über seine Züge, dann sagte er warm:
„Ob ich ihn liebe, den deutschen Wald? Von meiner Kindheit an liebe ich ihn, und mein Herz dehnt sich weit, jetzt, nachdem ich seit Jahren der Abwesenheit seinen Odem wieder fühle, seine Pracht sehe im Frühlingssonnenschein!"
Der alte Forstmann nickte. „Es geht Ihnen wie mir. werter Herr, im Walde möcht' ich begraben sein!"
„Der Wunsch eines jeden echten Waidmanns, doch hört, Alter, was für ein Dorf ist das da drüben?"
„Holzhausen, Herr, und eine halbe Stunde hier hinwärts liegt Schloß Holzhausen, der Sitz des Grafen Bernsberg, dem all' diese Waldungen zu Eigentum gehören."
„Wohl, findet sich im Dorfe ein anständiges Nachtquartier für einen müden Wanderer, der heute weit her seinen Fußmarsch machte?"
„Will ich meinen, Herr, schon mancher war beim Wirt Herrdorn und seiner hübschen Tochter Elsbeth wohl aufgehoben."
„Ich danke Euch, doch ihr geht wohl auch in's Dorf?"
„Zunächst ja, wir wollen hier hinab steigen, wir kommen rascher zum Stege."
Der steil abfallende Weg verbot weitere Unterhaltung, ein niederer Tannenschlag, dann trat man hinaus auf eine Wiese, durch die ein Pfad zum Flusse führte. Auf den schwanken Brettern, nur an einer Seite hatte das schmale Brückchen ein Geländer, gelangte man hinüber und stand in der Dorfstraße. Die Häuser links und rechts waren mit Birken geschmückts. denn
norgen war Pfingsten.
„Der Weg zum Wirtshause geht hier hinaus- „Schön, doch wollen Sie nicht mein Gau ein bei einem Gläschen, es ist Sonnabend Abend rnd der Dienst wohl zu Ende, Herr — Herr-
„Ich heiße Ehrhardt und bin Wildhuter
>ei Sr. Erlaucht dem Grafen-,
„Also. Ehrhardt, seien Sie mein Gast, ich
(Fortsetzung folgt.)
sZeitungspapier als Schutz gegen Fcos-) Um Gurken, Bohnen und andere Gemüsepslanz vor dem Erfrieren zu schützen, bedecke man - selben vor dem Eintritt der Nacht mit grob Zeitungsbögcn.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.