Württemberg.

Stuttgart, 4. Mai. I M. die Königin Wilhelmine und die Königin-Regentin Emma der Niederlande nebst großem Gefolge (etwa 40 Personen) sind gestern abend mit Sonderzug in Ludwigsburg eingetroffen.

Nächsten Sonntag findet in Ludwigsburg die Konfirmation I. Kgl. Hoheit der Prinzessin Pauline, der einzigen Tochter unseres Königs aus dessen 1. Ehe in feierlicher Weise statt. Die Königin-Regentin der Niederlande und die Fürstin von Bentheim, Tanten der hohen Konfirmandin, werden außer sämtlichen Mit­gliedern des Kgl. Hauses an der Feier teil­nehmen, ebenso sämtliche Staatsminister, der kommandierende General und zahlreiche sonst eingeladene Persönlichkeiten, worunter auch sämt­liche frühere Angehörige des Hofhaltes unseres jetzigen Königs. Einige Tage nach der Konfir­mationsfeier soll der Kgl. Hofhalt zunächst nach Bebenhausen und dann erst nach Friedrichshafen verlegt werden. Bekanntlich steht aber für den laufenden Monat der Besuch des Kaisers von Oesterreich in Stuttgart in Aussicht und über diese Zeit wird der Kgl. Hof auch sicher in Stuttgart wieder anwesend sein. S. Maj. der König hat aus Anlaß der Konfirmation der Prinzessin Pauline dem Oberbürgermeister Abel zur Verteilung unter die Armen der Stadt Ludwigsburg die Summe von 3000-^ mit dem Anfügen zultellen lassen, daß hiedurch der für die königliche Familie so wichtige Tag auch zu einem Freudentag für manche Bedürftige an dem Orte der bevorstehenden Konfirmation, ins­besondere für bedürftige Eltern von heurigen Konfirmanden werden soll. Die Stadt ist hoch erfreut über diesen neuen Beweis der könig­lichen Huld.

Die Kammer der Abgeordneten beriet letzter Tage den Eisenbahnetat. Regierung und Stände empfinden es ziemlich schwer, daß unsere Eisenbahnen ein so geringes Erträgnis abwerfen, daß zur Verzinsung der Kosten noch ein Teil der Staatssteuern herangezogen werden muß. Der Personen- und Gepäckverkehr sind zwar im Steigen begriffen, wobei, wie der Ministerpräsident konstatierte, die Einführung der lOtägigen Giltigkeitsdauer der Retourbillets mindestens keinen Einnahmeausfall verursacht, dagegen sind die Einnahmen aus dem Güter­verkehr zurückgegangen, nicht etwa weil der Güterverkehr abgenommen hat. sondern weil die Gütertarife billiger geworden sind. Dazu kommt eine beträchtliche Steigerung der Ausgaben, eine Erscheinung, die übrigens bei allen deutschen Eisenbahnverwaltungen auftritt. Württemberg liegt für den großen Eisenbahndurchgangsverkehr geographisch ungünstig. Was von Norddeutsch­land nach der Schweiz geht, nimmt seinen Weg über Baden und noch mehr über Elsaß-Loth­ringen, der Verkehr aus dem östlichen Deutsch­land und aus Böhmen nach Süden gehl teils über Oesterreich, teils über Bayern, und der Verkehr von Osten nach Westen und umgekehrt größtenteils mit der Arlberg-Bahn über die Schweiz. Infolge dieser Umstände ist Württem­berg in der Hauptsache auf seinen Lokalverkehr angewiesen und der Herr Ministerpräsident konnte mit Recht hervorheben, daß wir eine Hebung der Industrie und damit des Lokalverkehrs nicht aus dem Boden stampfen können. In der 2. Kammer kam auch der Gesetzentwurf betreffend die Entschädigung für an Maul- und Klauen­seuche gefallenes Vieh zur Beratung. Die Land­wirte haben ein großes Interesse an dem Zu­standekommen dieses Gesetzes.

Stuttgart, 1. Mai, DerSchwäb. Merkur" schreibt:Dem Vernehmen nach wurde neuerdings angeordnet, daß Offi­ziere, Sanitätsoffiziere und Militärbe­amte des XIH. (königlich württembergischen) Armeekorps von jetzt ab Mäntel nach preußi­schem Schnitt zu tragen haben (im wesent­lichen hinten statt 2 7 Knöpfe, am Kragen statt einer Lasche 3 Hasten); außerdem bis zur endgiltigen Einführung grauer Mäutel in der Armee zunächst die Generäle und Flügeladju- tanlen solche von grauer Farbe."

Ausland.

Bern, 3. Mai. Der deutsche Kaiser hat folgendes Telegramm an den Bunvespräsidenten Schenk gerichtet: Es liegt mir am Herzen. Ihnen beim Verlassen des schweizerischen Bodens meinen und der Kaiserin aufrichtigsten Dank für die freundliche Begrüßung des Bundesrates und den sympatischen Empfang, der uns seitens d«s Schweizer-Volkes zuteil geworden ist, zu.wieder­holen, und Ihnen als Repräsentanten der Schweiz und Ihrer Bürger meine besten Wünsche für die Gegenwart und Zukunft des Landes auszu­sprechen.

Mo ns. 29. April. Der in Brüssel er­scheinendePatriote" hat sehr interessante Er­mittlungen über die Verluste angestellt, welche durch die letzte Streikbewegung für die Indu­striellen, für die Gemeinden und vor allem für die Arbeiter selbst entstanden sind. So hat der­selbe auf Grund genauer Nachforschungen heraus­gefunden, daß allein in Verviers 17 Firmen während des Ausstandes 73076 Frs. weniger an Löhnen ausbezahlt haben, und zu noch ganz anderen Resultaten haben die Ermittlungen na­türlich in den großen Jndustriebezirken. wie z. B. im Centrum, geführt. Hier sind zum mindesten 120000 Arbeitstage verloren gegangen, und da in diesem Bezirke der tägliche Durch­schnittslohn gering gerechnet 3 Frs. beträgt, so haben die dortigen Arbeiter innerhalb weniger Tage die respektable Summe von wenigstens 360000 Frs. eingebüßt. In Borinage, wo der Streik heute noch andauert, dürfte sich diese Einbuße auf das Doppelte, also auf ungefähr 720000 Frs. im Bezirke von Charleroi auf 150000, in Gent auf 120000, in Brüssel und Antwerpen zusammen auf etwa 100000 und in sonstigen Städten insgesammt auf ca. 50 000 Frs. belaufen, so daß man zu einer Totalsumme von rund anderthalb Millionen Franks gelangt, welche die belgischen Arbeiter in Folge des Aus­standes innerhalb eines Zeitraums von noch nicht 8 Tagen verloren haben. Der Schaden, welcher durch den Streik der belgischen Industrie verursacht ist, läßt sich selbstverständlich nicht genau taxieren, derselbe wird jedoch schwerlich hinter den vorstehenden Summen Zurückbleiben. Was den von den Gemeinden zu tragenden Schaden anbelangt, so kann in dieser Hinsicht ein übersichtliches Bild zur Zeit noch nicht ge­geben werden, es sei daher vorläufig nur darauf hingewiesen, daß Brüssel allein für zertrümmerte Fensterscheiben etwa 45000 und Antwerpen allein für die verbrannte Baumwolle etwa 70000 Frs. zu bezahlen haben wird. Die Ver­luste endlich, welche durch die zahlreichen Töt­ungen und Verwundungen, durch die massen­weisen Gefängnisstrafen u. s. w. so viele Familien erlitten haben, die lassen sich überhaupt niemals auch nun annähernd abschätzen.

Das französische Ministerium hat endlich den Konflikt zwischen Kammer und Senat aus der Welt geschafft und sein Budget für 1893 bewilligt erhalten. Damit ist das neue Kabinet vorläufig über die schlimmsten Schwierigkeiten weggekommen und es ist nicht unwahrscheinlich, daß das Ministerium wenigstens einige Monate Bestand haben wird.

Im englischen Unterhause beginnt nun­mehr die Einzelberatung der Homerule - Bill. Da zu jedem Artikel mehrfach Verbesserungs­vorschläge sowohl seitens der Opposition als seitens der Iren vorliegen, so schätzt man die mutmaßliche Dauer der Einzelberakung auf 2 bis 2'/r Monate. Ein halb oder ganz ver­rückter Mann hat in London einen Pistolenschuß in die Luft abgefeuert, als der Ministerpräsident Gladstone zufällig in der Nähe vorüberfuhr. Es verlautete anfangs, als sei ein Attentat auf Gladstone versucht worden, aber davon ist keine Rede. Die Dockarbeiter in Hüll streiken weiter und haben schon wieder eine schwere Brandstiftung verübt; auch in London beschlossen die Dockarbeiler einen allgemeinen Streik zu beginnen. Die Erregung unter den Dockarbeitern wie unter den Rhedern ist sehr groß und noch größer die Verlegenheit der Regierung.

London, 2. Mai. Die Maikundgebung beschränkte sich hier hauptsächlich auf die Anar­

chistenversammlung bei der Resormeicheim Hyde-Park. Die Teilnehmer waren meistens Ausländer; sie versammelten sich um eine blnr. rote Fahne, die eine Phrygische Mütze mit schwarzen Bändern trug. Unter den zahlreichen Inschriften las man die Schlagworte:Weg mit der Autorität und dem Monopol!»,Weder Gott noch Herr". Unter anderen sprach auch Louise Michel über die Sklaverei und Freiheit in dem ihr geläufigen Stile.

Telegramme.

Berlin, 4. Mai. Der Kaiser fuhr gestern Abend nach seiner Ankunft im Neuen Palais alsbald in einem Sonderzuge nach Berlin und verweilte längere Zeit beim Reichskanzler, von dem er dann in das Neue Palais zurückkehrte.

Berlin, 4. Mai. In den Wandelgängcn des Reichstages wollte man wissen, in Würdig­ung der vom Reichskanzler Graf v. Caprivi geltend gemachten Gründe habe der Kaiser zur eventuellen Auflösung des Reichstags bereits seine Genehmigung erteilt.

vermischtes.

Berlin, 30. April. Die aus Paris zurück, gekehrten Damenkleiderverfertiger haben aus den dortigen Werkstätten außer anderen Modellen auch das Modell der modernen Krinoline mitqebrachl. An der Copierung desselben wird so eifrig gearbeitet, daß man demnächst das Vergnügen haben wird, sie in mehreren Exem­plaren öffentlich bewundern zu können, oder' vielmehr sich darüber zu entsetzen. ImFremden­blatt" wird eines dieser von Worth in Paris stammenden Modelle folgendermaßen beschrieben: Der Rock, der aus blauer, geblümter Seide angefertigten Robe, ist nicht weniger als sieben Meter weit, also mehr denn doppelten UmfangS als bisher, und auf Roßhaar gearbeitet, einem steifen Material, das den Rock weit auseinandei- hält, sodaß die bei den letzten Krinolinen ge­bräuchlichen Reifen vollkommen überflüssig sind. Man hat es also mit einer Krinoline zu thun, die sich nur durch die Art, wie der Umfang er­zielt wird, von der alten aus der Großvaterzeit unterscheidet. Die Toilette ist mit oeru-Spitzen und schwarzen Entredeux bedeckt. An der Taille bilden die Spitzen ein reiches Jabot. Eigen­tümlich sind die Aermel. Bis zum Ellenbogen gibt es nicht weniger als 4 mächtig gebauschte Puffen, die dem Ganzen erst recht einen aufge­blasenen Charakter verleihen. Einige Bestell­ungen auf das beschriebene Modell sind bereits gemacht worden. Um allgemeine Mode zu werden, dafür ist eine solche Tracht glücklicher­weise noch zu teuer. Wenn sie aber wirklich einmal in die Mode gelangt ist, muß bekannter Erfahrung zufolge selbst der bescheidenste ehe- männliche Geldbeutel dafür ausreichen.

Aus Thüringen, 22. Apr. Beim Post­amt zu Arnstadt war vor längerer Zeit ein zweifellos von Kinderhand geschriebener Brief zur Beförderung aufgegeben worden, der die Aufschrift trägt:An den Lieben guten Herrn Storch, Finschhaf, Ka-serwiLhelmland auf Neu- Guinea". -Der kleine Briesschreiber wird recht enttäuscht fern, denn jetzt ist der Brief jeden­falls ein Bittgesuch als unbestellbar zurück- gekommen, auf der Rückseite den Vermerk der Postagentur in Finschhafen tragend:Ein Herr Storch ist im Schutzgebiet .der Neu-Gumea- Kompagnie unbekannt. Gerbich." Vielleicht hat sich aber inzwischen ein anderer Storch des Briefschreibers erbarmt und denselben mit dem mutmaßlich gewünschten Brüderchen oder Schwe­sterchen getröstet.

(Ein angenehmer Gast.) Hausherr (M Gast):Sie sitzen ja hier so allein? Sie amü­sieren sich wohl nicht?" Gast:O doch, ich amüsiere mich schon, wenn ich sehe, wie die andern sich langweilen." ^

Redaktwn, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.