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Allerhöchsten und hohen Herrschaften vors Rat­haus, wo Oberbürgermeister Schnetzler die Maje­stäten begrüßte und mit dem sich der Kaiser längere Zeit lebhaft unterhielt. Die Haltung u. Begrüßung der zu tausenden und abertausende» aufgestauten Volksmenge war eine begeisterte. Am Karl Friedrich-Denkmal überreichte eine Schülerin der hohen Töchterschule derKaiserin einen prächtigen Blumenstrauch. Dann fuhren die Equipagen nach dem Schlosse.

Die Verhandlungen zwischen dem Zentrumsführer Herrn v. Huene und der Reichs­regierung wegen eines in der Militärfrage abzuschließenden Kompromisses werden fortgesetzt. Erneut wird in verschiedenen Blättern versichert, daß die Frage einer Auflösung des Reichstags in Bundesrate bislang noch gar nicht zur Er­örterung gelangt sei. Der Bundesrat kann allerdings auch dann erst in die Lage kommen, hierüber laut Art. 24 der Reichsverfassung einen Beschluß fassen, wenn ihm ein entsprechender Antrag des Reichskanzlers im Namen des Kaisers zugeht.

Berlin, I. Mai. Die »Kreuzzeitung" schreibt: Es bestätigt sich, daß Herr v. Huene für seine Person einen Antrag zur Militär­vorlage einbringen wird, der das Angebot Bennigsens erheblich übersteigt. Es sollen be­willigt werden 53 500 Rekruten statt 60 000 der Vorlage und statt für 14 Artillerieabteil­ungen zu 3 fahrenden Batterien je 4 Geschütze statt 6 der Vorlage. Die gesetzliche Festlegung der zweijährigen Dienstzeit will Herr v. Huene im wesentlichen nach dem von Dr. Lieber in der Kommission eingebrachten Antrag regeln. Erspart sollen ferner werden die sonstigen For­derungen für die Spezialwaffen, die Etatser­höhungen für die Grenzregimenter und 2300 Oekonomiehandwerker. An jährlichen Ausgaben dürfte sich die Ersparnis auf etwa 9 Millionen belaufen. Wie es heißt, hielt der Reichskanzler dieses Angebot für annehmbar, obgleich die von der Militärverwaltung in der Kommission als unumgänglich notwendig bezeichneten Com- pensationen für die Einführung der zweijährigen Dienstzeit sich auf 53 295 Mann und 8256 Unteroffiziere beziffern. Die Konservativen konn­ten heute dieser neuen Situation gegenüber selbstverständlich eine endgiltige Stellung noch nicht einnehmen; nur das eine dürfte außer Zweifel stehen, daß die Fraktion unter keinen Umständen für eine weitere Abschwächung der Vorlage zu haben sein würde. DieNational­zeitung" will wissen, der neue Kompromißvor­schlag des Abgeordneten Frhr. v. Huene habe die Zustimmung des Reichskanzlers erhalten. Für denselben werde auf die Stimmen der Konservativen, der Nationalliberalen und mit größerer Bestimmtheit als für frühere Vorschläge auch auf Teile des Zentrums und des Deutsch­freisinns gerechnet.

Berlin, 30. April. Von einem harten Schlage ist eine hiesige Familie betroffen worden, indem sie an einem Tage von 6 Kindern 5 an der Diphterie verloren hat. Nur die älteste, zwölfjährige Tochter ist bisher von der tückischen Krankheit verschont geblieben.

Hamburg, 29. April. Die allein an­wesende Ehefrau des Klempners Henning ist am Hellen Tage in lebhaftester Geschäftsgegend des Stadtteils St. Georg Langereihe über­fallen. gewürgt, geknebelt und beraubt worden. Unbehelligt entkam der unbekannte Räuber.

Aus dem Taunus. Auf einer Anhöhe nahe dem Orte Diedenbergen befindet sich ein Hünengrab. Dasselbe wird jetzt unter der fach­männischen Leitung des Oberst v. Cohapsen untersucht. Am ersten Tage wurden 3 Ringe und ein Gürtel gefunden.

Karlsruhe, 30. Apr. Bon den Plättig- höhen oberhalb Bühl trifft die Kunde von einem schweren Unglück ein. Bei der Rückfahrt stürzte der Wagen, in welchen sich der hiesige städtische Baurat Armbruster, früher in Offenburg, ein vortrefflicher, im besten Mannesalter stehender Beamter, am Morgen nach der Höhe begeben hatte. Herr Armbruster erlitt schwere, wie man

sagt lebensgefährliche Verletzungen. Der Be­gleiter des Herrn Armbruster, Herr v. St. George, ein hier in gesellschaftlichen Kreisen weithin bekannter, liebenswürdiger Cavalier, früher Premier-Lieutenant in österreichischen Diensten, ein Mann von nicht ganz 60 Jahren, blieb tot auf dem Platze. Ein Herzschlag hatte ihn getötet. Das Unglück erregt in der Stadt die lebhafteste Teilnahme.

Baden-Baden, 1. Mai. Der Afrika­reisende Dr. Peters ist am Samstag zu längerem Curaufenthalte hier eingetroffen.

Aus Baden, 30. April. Es scheint fest­zustehen. daß das große Brandunglück im Dorf Klengen bei Villingen durch zwei vier­jährige Knaben entstand, welche hinter dem Wohnhause des Altbürgermeisters Käfer einen Streuhaufen anzündeten, umFeuerles" zu spielen. Das Feuer erfaßte sofort die ausge­trockneten Schindeldächer und das Hilfegeschrei der Kinder blieb ohne Wirkung. Die Klengener Feuerwehr war vollständig machtlos gegen die brennend umhcrfliegenden Schindeln. Die Feuer­wehr eines Nachbarorts mußte zurückkehren, weil auch dort ein Brand ausbrach. Die obdachlosen Bewohner wnrden in Villingen und anderen Nachbarorten untergebracht. Hilfsausschüsse sind gebildet, Unterstützung thut not.

Chicago, l. Mai. Bei nebelseuckt?« Wetter eröffnet? Präsident Cleveland hx^ die Ausstellung unter freiem Himmel. Ein? sehr große Menge Zuschauer war anwesend Die Aufrechterhaltung der Ordnung war eine ungenügende, doch ist kein bedeutender Zwischen- fall eingetreten. Bei dem Rundgang durch Jndustriehalle machte die deutsche Abteiluna insbesondere auch deren Militärmusik einen guten Eindruck. Die ganze Ausstellung ist vielfach noch unfertig. Cleveland bot den Vertretern der auswärtigen Nationen den Willkommengruß Vor den Augen der Völker der alten Welt seien durch die junge Nation große Werke voll­bracht worden. Das jetzt unternommene Werk sei der Erleuchtung des Menschengeschlechts ge­weiht. Im Sinne der erhabensten Brüderlich­keit der Nationen möge an der wahren Bedeut­ung der heutigen Feier festgehalten werden. Durch einen Druck auf einen Knopf wurden sodann auf elektrischem Wege sämtliche Maschinen und Springbrunnen in Bewegung gesetzt, dazu wurden Artilleriesalven abgefeuert, Glockenge- läute ertönte, und die Festteilnehmer stimmten dasHalleluja" von Händel an. Darauf fand ein Festmahl statt.

Telegramme an den Enzthäler.

Württemberg.

Stuttgart, 3. Mai. Ministerpräsident Dr. Frhr. v. Mittnacht begiebt sich heute Mittag nach Berlin.

Heilbronn, 29. April. Oberbürger­meister Hegelmaier hat, wie hier allgemein bekannt wurde, gegen denangesehenen Bürger", der an der bekannten Veröffentlichung in der N.-Z. schuld sein soll, Privatklage wegen Beleidig­ung erhoben. Gestern ist Hr. Hegelmaier in der bekannten Heilanstalt Illen au einge- lroffen.

Ausland.

Wien, 1. Mai. Der vaticanische Bericht­erstatter derPolit. Korresp." stellt neuerdings den günstigen Eindruck des Besuches des Kaisers Wilhelm im Vatican fest. Der Papst habe wiederholt seine Befriedigung über den Besuch ausgedrückt.

Aus Jglau (Mähren) 28. April meldet man der N. Fr. Pr.: Herzzerreißend ist der Jammer, unsäglich das Elend, welche in dem von einer Feuersbrunst fast gänzlich eingeäscherten Städtchen Kreuzberg herrschen. 1500 Menschen sind obdachlos geworden und wissen nicht!, wo sie heute und in den nächsten Tagen ihr Heim aufschlagen sollen; es sind zumeist Kleinhäusler und Arbeiter, die so hart heimgesucht worden sind. Nach der letzten Zählung sind 176 Häuser ein Raub der Flammen geworden, nur 14 Häuser sind stehen geblieben. Eine Familie, Mann, Frau und 2 Kinder, ist verbrannt.

Paris, 1. Mai. Bis jetzt ist Paris sehr ruhig. Auf vielen Plätzen wird nicht gearbeitet, dagegen wurde in einer Anzahl von Fabriken und im Seinehafen die Arbeit nicht eingestellt. Auf den Straßen sieht man nur wenig Polizei. Alle Verkaufsläden sind geöffnet. Die Arbeiter- schaaren gehen gutwillig auseinander. Mit Ausnahme eines Zwischenfalles in der Straße Turbigo, wo die Polizei um 2'/» Uhr einen Haufen von 50 Personen auseinandertrieb. war nichts vorgekommen. In Clichy und Levallois arbeiten alle Fabriken. Um 3 Uhr verhaftete die Polizei den Deputierten Baudin, der eine Kundgebung vor der Arbeitsbörse veranstalten wollte. Die Verhaftung wird in der Kammer allgemein gebilligt. In der Provinz ist alles ruhig geblieben, nur in Roubaix kam es zu einem kleinen Streit zwischen Arbeitern einer Fabrik, die arbeiten wollten, und andern.

Ein gewaltiger Bär im Gewichte von 3 Zentner wurde letzter Tage auf einer Streifjagd, die von Forstvorständen aus Misox (Graubünden) in Folge des großen unter Biehheerden ange- richteten Schadens veranstaltet wurde, von drei Jägern am Fuße einer Felswand ob dbm Dorfe erlegt.

Karlsruhe, 3. April. Auf der Fahrt nach dem Schloß begrüßte der Oberbürgermeister das Kaiserpaar vor dem Rathause und sprach seine Freude darüber aus, dieselben in dem Augenblick begrüßen zu können, wo der Kaiser ohne Sorge für die Wehrhaftigkeit zurückkehm könne, da dieselbe ohne innere Kämpfe gesichert erscheine. Der Kaiser dankte und fügte hinzu, er teile diese Hoffnung und freue sich dieselbe aussprechen zu können in der Hauptstadt eines Fürsten, der stets den nationalen Gedanken ge­pflegt habe.

Berlin, 3. Mai. DieNordd. Allgeri. Ztg." schreibt: Während die Mitteilungen du Blätter über den Verständigungsantrag v. Huene zur Militärvorlage in den Details ab- weichen, dürfte feststehen, daß es sich in der Hauptsache darum handelt, neben der vollen Kompensation für die zweijährige Dienstzeit alle Reformationen mit Ausnahme der geforderten Schwadronen zu bewilligen. Die Zustimmung der Konservativen ist zweifellos. Indem diese Partei auch jetzt wieder als erste, einem aus­führbaren Berständigungsvorschlag, der ein wirk­liches Angebot darstellt, zustimmt, beweist sie, in wie hohem Grade sie fähig ist. in Fragen, welche die Ehre und Sicherheit des Vaterlandes be­treffen, alle anderen Rücksichten zurücktreten zu lassen.

Berlin, 3 Mai. Die Bossische Ztg. teilt mit: In einer Fraktions-Sitzung des Zentrums, die gestern abgehalten wurde und bis Mitternacht währte, fanden sich nach heftigen Debatten, gutem Vernehmen nach, nur acht Mitglieder, die bei der Abstimmung für das Hucne'sche Kompromiß eintraren. Aus parlamentarischen Kreisen ver­lautet, daß 15 Mitglieder der deutschfreisinnigen Partei für den Kompromißantrag Huene zur Militärvorlage stimmen werden. Ein Teil der Freisinnigen brachte beim Reichs« tag einen Abänderungsantrag zur zweiten Lesung der Militärvorlage ein, worin die verfassungsmäßige Festlegung der zweijährigen Dienstpflicht für die Fußtrnppen und die Fest« stellung der Friedenspräsenzstärke bis zum 3t. März 1895 auf 486 983 Mann festgestellt wird. Der Antrag hat 40 Unterschriften, darunter vt Birchow, Bamberget, Schräder, Batth un Baumbach. Unter dev Fehlenden befinden M Brömel, Hinze, Rickert. Hähne! und Stauffenbrrg.

Reduktiv», Druck und Verlag von Ehr». Meeh tu NeUenbürg.