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Wiener Blattes wieder und lassen dahingestellt, ob sie richtig ist. Wir können uns aber kaum denken, daß der Kaiser diese Worte gebraucht hat.
Berlin, 30. März. Der Zusammenbruch der Spielhagener Banken hat zwei neue Opfer gefordert. Wie der Lokal-Anzeiger berichtet, sind die früheren Directoren der Aktiengesellschaft für Grundbesitz und Hypotheken-Verkehr Otto Landen und Alexander Hänschke verhaftet worden. Otto Sanden ist ein Bruder des bereits in Untersuchungshaft befindlichen Kommerzienrats Eduard Sanden Die Verhaftung ist aus Anlaß der in der Voruntersuchung gegen die vier Direktoren Sanden und Genossen zu Tage getretenen Manipulationen erfolgt.
Berlin, 30. März. Ter „Lok.-Anz." meldet aus London: Aus Aokohama wird telegraphiert: In offiziellen Kreisen herrscht große Spannung. Das auswärtige Amt ist Tag und Nacht an der Arbeit. Zwischen den höchsten Generalen finden häufig Konferenzen statt, denen auch der Kaiser beiwohnt. Drei Generalstabsoffiziere wurden nach Korea entsandt. Die Eventualität eines Krieges wird lebhaft besprochen. Die Zeitungen in Tokio erklären, die japanesischen Truppen, welche jetzt in Tschili stehen, sollen durch eine um die Hälfte stärkere Truppenzahl abgelöst werden und es sollen sofort Truppen nach Korea gehen, obwohl der Abgang der Ablösungstruppen in normalen Zeiten erst im Mai fällig ist. In den Arsenalen herrscht eine ungewöhnliche Thätigkeit.
Paris, 31. März. Ein Redakteur der Liberts hatte eine Unterredung mit einem Waffengefährten Bothas, der sich augenblicklich in Paris befindet und demnächst nach Utrecht zum Präsidenten Krüger Weiterreisen wird. Auf die Frage, ob der Krieg sich seinem Ende nahe, antwortete der Betreffende, die jetzige Lage der Buren erlaube ihnen noch auf eine recht lange Zeit Widerstand zu leisten. Bei Beginn des Krieges herrichte unter uns Willkür, aber heute ist eine eiserne Disciplin eingeführt, die von Dewet und Botha mit aller Strenge gehand- habt wird. Wir sind augenblicklich 17000 Mann und wir können in der jetzigen Lage den Krieg noch ein Jahr fortdauern lassen. Bis dahin wird England keine Ersatztrnppen mehr auftreiben können und ermüdet sein. Hierauf stützt sich unsere ganze Hoffnung.
London, 29. März. Aus Tientsin wird gemeldet: Tie russische Fahne weht immer noch über dem Gebiet, welches den bekannten Konflikt zwischen England und Rußland herbeigeführt hat. Oberst Macdonald hatte die Forderung aufgestellt daß die Fahne heruntergeholt würde, doch sprachen die russischen Offiziere ihr Bedauern aus, seinem Wunsche nicht Nachkommen zu können.
London, 29. März. Daily Mail meldet aus Petersburg, mehrere bedeutende Gefechte seien im Süden der Mandschurei durch russische Truppen den Chinesen geliefert worden. Der russische Oberst Abasa soll hierbei gefallen sein. Die Chinesen sollen eine Niederlage erlitten haben.
London, 30. März. Nach einem Telegramm aus Balmoral haben die Buren wieder einen englischen Proviantzug auf der Linie Delagoa-Bai— Pretoria in die Luft gesprengt. Die Sprengung erfolgte in der Nähe von Balmoral. Infolge dieses neuen Attentats wurden zahlreiche berittene Truppen zum Schutz der Eisenbahnlinie abgesandt.
London, 30. März. Aus Kapstadt wird gemeldet: Die Anwerbung von Polizeitruppen für das Korps des Generals Baden-Powell ist beendet. Tie erforderlichen 11000 Mann sind zusammengebracht.
Petersburg, 29. März. Einer der hervorragendsten Lehrer der Hochschule Binlelubaki richtete an den Stadthauptmaun einen Protest wegen des brutalen Vorgehens der Polizei gegen die Studenten anläßlich der letzten Studentenunruhen. Infolge dieses Protestes wurde der Professor seines Amtes entsetzt und aus der Residenz ausgewiesen. Einen ähnlichen Protest gegen das Vorgehen der Polizei erhob bekanntlich auch der altrussische Schriftsteller-Verband.
P etersburg, 31. März. Der Mörder des Unterrichtsmiuisters Bogoljepow wurde zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt und
sofort in die Festung Schlüsselburg abgeführt. — Mehrere Minister, darunter der Justizminister erhielten Drohbriefe. — Hier zirkuliert das Gerücht, daß Graf Leo Tolstoi verhaftet und interniert werden soll. — In Wladiwostok fanden Straßenkundgebungen statt, bei welchen es zu blutigen Zusammenstößen zwischen Militär und Bevölkerung kam.
Der Sturm in New-Aork. Wie ein Telegramm aus New-Iork meldet, raste am Montag morgen in der Stadt Birmingham, in Alabama, ein fürchterlicher Sturm, der die ganze Stadt mit ihren bedeutenden industriellen Anlagen in wenigen Minuten zerstörte. Viele Leute wurden getötet und mindestens 1000 verwundet. Es sei bisher unmöglich gewesen, den ganzen Umfang des angerichteten Schadens festzustellen. Es wird befürchtet, daß die Stadt Montgomery ebenfalls zerstört worden ist. 25 Leichen seien in Birmingham schon gefunden worden. Ganze Heerden Vieh seien umgekommen. Die meisten der in Birmingham zerstörten Häuser gehörten der ärmeren Klasse an und weitaus der größte Teil der Geschädigten seien Neger. Der Schaden wird in Birmingham allein auf eine halbe Million Dollars geschätzt. Ferner sind mehrere Meilen der Eisenbahnlinie zerstört und ein großer Teil des außerhalb der Stadt angerichteten Schadens wird überhaupt erst beurteilt werden können, wenn die Verbindung wieder ganz hergestellt sein wird. Die Ernte ist in ganz Georgia vernichtet und Tausende von Bäumen sind durch den Wind anSgerodet worden, was von besonderer Bedeutung ist, weil die Obstbaumzucht eine der wertvollsten Industrien des Landes ist. Ein Ausläufer des SmrmeS zog sich über die Stadt Sandusky, in Ohio, hin. Auch hier wurden eine Anzahl Häuser zerstört und auch sonst großer Schaden angerichtet.
Vermischtes.
Hirsau. Jäger und Naturfreunde wird nachfolgendes Gedicht von Franz von Kobell bei Beginn des Frühjahrs und ebendamit Beginn der Auerhahnfalz angenehm anregen:
Auerhahnfalz.
Wenn die Buchen knospen, so denke dran Und kürze den Schlaf, o Weidcmann.
Und zieh' zum Wald eh' graut der Tag,
Viel schöne Lust dir blühen mag.
Und lauschend pirsche durch die Nacht Um die alten Eichen mit Bedacht,
Nicht zagend ob des Käuzleins Ruf Der Herr auch bessere Vögel erschuf.
An den Auerhahu denk', an den Auerhahn,
Der allen an Stolz und Pracht v^ran.
Ihm gilt der nächtliche Weidwerksgang,
Er gilt seinem heimlichen Falzgesang.
Des Morgens Zwielicht, das ist die Zeit Wo er zu musizieren bereit.
Wo zwischen Mond- und Sonnen glanz Die Henne er lockt zum Hochzeitstanz.
Horch! hörst du das leise klipp und klapp,
Es trägt's der Wind wohl auf und ab;
Horch! jetzt der Hauptschlag, nun voran,
Das Schleifen schließt sich deutlich dran.
Ta springt der Weidmann, lauscht und springt,
Das Falzen immer näher klingt,
Wo steht der Hahn, der Tag schon graut,
Das Aug' nach allen Gipfeln schaut.
Sieh! dort der Ast, da regt sich was.
Da steht er, nun genau ihn faß,
Und wenn er schleift, fahr' keck hinein Und schieß' nicht wankend, er ist dein-
Und rings der Schuß die Vöglein weckt,
Die schlafend in Busch und Baum versteckt,
Und keines von ihnen bekümmert der Tod,
Sie alle frisch grüßen das Morgenrot.
Die Drossel beginnt den melodischen Reih'n,
Es zwitschern die Meisen und Finken d'rein Und die Rotkehlchen auch, eS wird laut überall Von Lieben und Locken in fröhlichem Hall.
O, wie hold sind die Lieder, wie hold euer Sang, Wenn gnädig Hubert, wenn das Weidwerk gelang,
Doch wenn es mißlungen im trügenden Licht,
Dann schweigt nur ihr Vöglein, dann hört man euch nicht.
Alleinschlafen! Die Londoner „Lan- cet" behauptet, daß nichts das Nervensystem einer Person so störe, als die Gewohnheit, mit einer andern, die Nervenkraft anzieht, die ganze Nacht im selben Bette zu liegen. Letztere schlafe fest und erwache frisch, während erstere sich ruhelos umherwerfe und am Morgen matt, müde und entmutigt erwache. Es sollten nicht zwei Personen, wer dieselben auch sein mögen, beständig zusammen schlafen,
die eine wird zu-, die andere dagegen abnehmen. Eine ältere Person und ein Kind sollten nie im selben Bette schlafen. So groß auch die Freude der Großmutter sein mag, ihren „kleinen Schatz" bei sich im Bette zu haben, so ist es doch eine Freude, welcher sie, wenn sie weise ist, um des Kindes willen gern entsagen wird. Erst kürzlich kam ein Fall solcher Art zur Kenntnis des Schreibers. Er traf-zwei Schwestern im Alter von 15 bis 17 Jahren. Die jüngere war ein Bild wahrer Jugendkraft, thätig und fröhlich, während die ältere, obgleich nicht gerade krank, doch mager, bleich und recht abgemattet war und sich wie eine alte Frau über Kleinigkeiten ereiferte. Es ergab sich die Thatsache, daß die Mädchen nicht nur im selben Bette schliefen, sondern daß auch Elsa, das ältere Mädchen, so an ihrer Schwester hange, daß sie seit Jahren nicht habe einschlafen können, wenn sie nicht die jüngere mit ihren Armen umschlungen halten könne. Der Arzt bestand darauf, daß die Schwestern von jetzt ab allein schliefen. Die Folge davon war, daß die ältere nach Verlauf von 6 Monaten bedeutend frischer und gesunder aussah und nach 18 Monaten ein glückliches, mit heiterem Temperament gesegnetes junges Mädchen war und beträchtlich an Gewicht zugenommen hatte.
Vier Wochen ohne Nahrung. Eine unfreiwillige Fastenzeit von 28 Tagen hat, wie aus Brest berichtet wird, ein Soldat, der Korporal Andrä DeSrats, der dem 2. Regiment der Kolonialinfanterie angehört, hinter sich. Am Morgen des 24. März hörten einige Männer, die auf dem Wege zur Arbeit die Route St. Marc passierten, klägliches Schreien aus einigen Höhlen, die im Verlaufe der Bergwerksarbeiten in dem Berge, der sich über diesem Durchgang erhebt, gemacht worden waren. Sie durchsuchten mehrere Höhlen und fanden schließlich auf dem Grunde der einen in einer Tiefe von fast hundert Fuß den Korporal Desrats bleich, fahl und verstört aussehend vor. Er war so schwach, daß er kaum ein Wort Hervorbringen kannte. Die Arbeiter trugen ihn an die Oberfläche und brachten ihn ins Krankenhaus. Dort erzählte der Korporal, wie er in die Höhle gekommen war. Am 24. Febr. fiel er in die Grube, wo er ohne Speise und Trank bis zum Tage seiner Befreiung eingekerkert war. Sein Zustand ist besorgniserregend aber die Aerzte hoffen, durch sorgfältige Pflege sein Leben erhalten zu können.
Getragene Effekten. Ein heiteres Vorkommnis wird dem „Luzerner Tagblatt" von der Zollstation Verriäres berichtet: Tort kam letzthin ein Missionar an, der in Südamerika eine wissenschaftliche Forschungsreise unternommen hatte und seiner Vaterstadt Basel zureiste. Unter seiner Fahrhabe befand sich eine Kiste, sehr alte Schä- d e l enthaltend, die der Forscher in Grabstätten von Patagonien entdeckt hatte. Ohneweiters klassierten die schweizerischen Zollwächter diese wertvollen Dokumente in die Kategorie tierischer Knochen und verlangten den Eingangszoll von 10 Rappen per Pfund. Entrüstet suchte der Missionar den Wächtern des Gesetzes die große wissenschaftliche Bedeutung dieser Gebeine klar zu machen. Die Zöllner zogen sich zurück, um den Fall in aller Würde zu beraten, worauf folgendes auf Zollfreiheit lautende Bulletin ausgestellt wurden: „Kiste mit Schädeln Einheimischer: schon getragene persönliche Effekte n".
Mit „Kneißl-Andenken" wird in Bayern zur Zeit ein schwungvoller Handel getrieben. Aus Mammendorf (Station Nannhofen) schreibt man der „Augsb. Abdztg.": Wer Geisenhofen besucht, findet Kneißel's letzte Herberge mit Kugeln durchlöchert — Kugeln selbst aber, sowie Mauerwerk an welchem Blut haftete, sind verschwunden; sie wurden als Andenken, wohl aber auch zu abergläubischen Zwecken hinweggetragen, selbst durchschossene Bretter fortgeschleppt. Kugeln wurden verkauft um den Preis von 50 bis 1,50 Ein findiger Jagdpächter verknallte seine Patronen auf eine Bretterwand, schnitt die Kugeln heraus und brachte sie an den Mann. Merkwürdig: Die meisten gekauften Kneißl-Andenken befinden sich im Besitz von Städtern!
Angenehme Aussicht. Frau Scharf (die ins Bad gereist, schickt gleich am ersten Abend um 10 Uhr eine Depesche an ihren Mann): „Bist Du schon zu Haus? Rückantwort bezahlt! Laura!" (M. Jgd.)