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schmunzelnde der Schaffner, indem er den nicht geringen Betrag einsteckte. „Wenn der Herr Lieutenant sonst noch etwas befehlen, so stehe ich zu Diensten."
„In diesem Zuge befinden sich zwei Damen." erklärt der Graf auf der nächsten Station dem aufmerksam zuhörenden Schaffner, „die eine brünett, etwa 30 Jahr alt. in grauer Reisc- toilette, die andere blond, vielleicht 25 Jahr, in braunem Regenmantel, beide sind in Berlin eingestiegen. Suchen Sie von ihren Kollegen zu erfahren, wohin die Damen reisen."
Der Schaffner ging fort, die Reisenden aufmerksam musternd, auf dem Bahnsteige längs des Zuges auf und ab.
Nach kurzer Zeit kam er zurück.
„Nach Thorn, Herr Lieutenant!"
„Nach Thorn?" fragte dieser entsetzt und warf sich auf den Sitz zurück. „Nach Thorn! — Zum Teufel und ich habe keine Stunde Urlaub!"
Der Schaffner zuckte die Achseln und ging dann, da sich der Offiziere starr, vor sich hinsehend, nicht mehr um ihm kümmerte, auf seinen Posten.
3.
Station F.! Zwanzig Minuten Aufenthalt !"
Die Wagen leerten sich.
Graf Zackwitz hatte den Degen umgeschnallt, die Mütze aufgesetzt und blickte, während er die Handschuhe anzog, vorsichtig zum Fenster hinaus.
Frau von Sterneck war nebst ihrer Gesellschafterin und ihrem Kammermädchen ebenfalls ausgestiegen und ging direkt auf den Bahnhofs- Inspektor zu.
„Suchen Sie zu erfahren, was die Dame von dem Bahnhofs Inspektor wünscht," rief Kurt den in der Nähe stehenden Schaffner halblaut an.
Dieser nickte stumm und ging, um sich in die Nähe des Inspektors zu schaffen zu machen.
„Die Damen unterbrechen hier die Fahrt und werden erst mit dem Nachtzuge weiter fahren. Sie lassen die Fahrscheine mit dem nötigen Vermerk versehen," berichtete bald daraus der Schaffner.
„Ich danke Ihnen," sagte der Graf, und drückte ihm beim Aussteigen abermals ein Geldstück in die Hand. —
Während Gesellschafterin und Kammermädchen zurückblieben, eilte Frau von Sterneck schnellen Schrittes die nach der Stadt führende Straße hinab, bis zum Thore. Anstatt aber durch dasselbe in die Stadt zu gehen, bog sie links ab, den Friedhöfen zu.
Bei dem ziemlich lebhaften Verkehr bis zum Thore hielt sich Zackwitz fast dicht hinter ihr. Dann aber blieb er etwas mehr zurück und suchte die Dame nur auf weitere Entfernung im Auge zu behalten.
Erst als Frau von Sterneck durch das Thor des mit ziemlich hohen Mauern umfriedeten Kirchhofes eingetreten war, beschleunigte er seinen Schritt und kam gerade zurecht, um zu sehen, wie sie in einen Seltengang einbog, der nach dem ältesten Teile des Friedhofes führte. Er folgte ihr jetzt schneller mit pochendem Herzen.
Die Kirchhöfe in F. gereichen der Stadt zur Zierde. Sie werden wie die öffentlichen Schmuckplätze und Promenaden sorgfältig gepflegt und sind daher meist von Spaziergängern belebt, namentlich im Sommer des Morgens und Abends. Jetzt um vier Uhr Nachmittags bei brennender Sonnenhitze waren sie leer.
Durch das Knirschen des seinen Kiessandes unter dem Tritt des Offiziers aus ihren Betrachtungen aufgeweckt, wandte sich die langsam dahinschreitende Dame um.
Eine dunkle Glut durchzog plötzlich ihr Gesicht, als sie den Grafen erkannte und mit funkelnden Augen und vor Zorn bebender Stimme fragte sie stehen bleibend:
„Was soll das, Herr Graf?"
Dieser hatte die linke Hand auf's Herz, die rechte grüßend an den Mützenschirm gelegt, und sich höflich verneigend, antwortete er mit fester, ruhiger Stimme:
„Ich bitte tausend Mal um Verzeihung, gnädige Frau —"
„Ihr Ueberfall ist mir unbegreiflich und verletzt mich. Herr Graf" unterbrach ihn diese nunmehr völlig ruhig. „Sie hatten unlängst die Güte, mir Ihre sehr ehrenwehrten Absichten zu verstehen zu geben. Meine Antwort darauf war, wie ich meine, nicht mißzuverstehen. Wozu das nutzlose Fortspinnen eines Gedankens, der sich nie verwirklichen kann."
„Aber, gnädige Frau —"
„Nicht weiter, mein Herr Graf, von einem Mann» dem ich die Hand für's Leben reichen soll, verlange ich zuerst Achtung für mein Geschlecht. Diese erste Bedingung geht Ihnen, Ihre Anwesenheit an diesem Platze und zu dieser Stunde beweist es. gänzlich ab ."
„Und es bliebe mir demnach nicht die geringste Hoffnung, gnädige Frau?" fragte der Offizier tonlos.
„Keine, Herr Graf. Sie sind noch jung, bald werden Sie mich vergessen, und wenn sie beherzigen, was ich Ihnen wiederholt gesagt habe, so wird es Ihnen nicht schwer werden, aus den ersten Ständen der Gesellschaft eine passende Gemahlin zu finden.
„Und nun leben Sie wohl. Graf Zackwitz." fuhr sie fort in dem sie schnell auf ihn zutrat und ihm die Hand reichte, lassen Sie uns als Freunde scheiden. Wenn Sie wirklich das für mich fühlen, was Sie mir angedeutet haben, so erfüllen Sie meine Bitte, verlassen Sie mich sofort und kehren Sie in Ihre Garnison zurück. Adieu!
Gerührt ergriff der Graf ihre Hand und führte sie an seine Lippen. Dann richtete er sich kerzengerade auf, satulierte und sprach:
„Ihr Wunsch ist mir Befehl, gnädige Frau, — leben Sie wohl!"
(Fortsetzung folgt.)
Das Kindergehirn. Eine für Eltern und Lehrer gleich wichtige Beobachtung hat Dr. Burgerstein in Wien gemacht und auf dem Londoner Kongreß für Hygiene veröffentlicht. Um die Schwankungen in der Empfänglichkeit des Kindergehirns nachzuweisen, wurden in je zwei Mädchen- und Knabenklassen während einer Stunde einfache Additionen und Multiplikationen aufgegeben. Auf je 10 Minuten Rechnen folgte eine Ruhepause von 5 Minuten. Die meisten und korrektesten Aufgaben wurden in den ersten 10 Minuten gelöst. In der dritten Periode wurden die meisten Fehler gemacht; es trat hier die größte Erschöpfung ein. Auf Grund dieser Beobachtungen erklärte es der Kongreß für wünschenswert, solange die Frage der Ueber- anstrengung nicht genau festgestellt sei, daß jede Unterrichtsstunde nur drei Viertelstunden dauere und die häusliche Schularbeit ebenfalls nicht länger währen solle.
Zwölf große Smyrna-Teppiche sind im Aufträge des Königs von Italien von der Gevers und Schmidt'schen Teppichfabrik in Schmiedeberg (Schles.) für den Quirinal in Rom hergestellt. Die Anfertigung derselben mußte in der kurzen Zeit von nur 14 Tagen erfolgen. Diese Teppiche sind für die Zimmer bestimmt, welches das deutsche Kaiserpaar bei seinem demnächstigen Aufenthalte am italienischen Hofe bewohnen wird. Schon bei Gelegenheit des letzten Aufenthaltes unseres Kaisers am Hofe des Königs von Italien ist aus der oben genannten Fabrik ein türkischer Teppich nach Rom für den großen Festsaal des königlichen Schlosses geliefert worden, dessen Größe etwa 360 gm betrug.
Philadelphia, 10. April. „Man weiß nicht, wovon man fett wird," sagt ein bayrisches Sprichwort, das sich die Philadelphier aneignen sollen, denn das Trinkwasser der Stadt scheint dem berüchtigten Wasser von Paris noch um ein Bedeutendes über zu sein. Der „Ingenieur" veröffentlicht von diesem angenehmen Getränke folgende wenig reizende Analyse. Nach chemischer Untersuchung enthält das Wasser: 20 Prozent Kohlenstaub, 7 Prozent Schmutz,
2 Prozent tote Katzen und Hunde, 6 Jauche, 2 Prozent Cholerakeime. 2 Typhuskeime, 5 Prozent Reste unserer Vorfahre,, 5 Procent Farbstoffe und nur 30 Prorem Wasserstoff und 20 Prozent Sauerstoff. Nun äs gustübus non 68k äisputanäum.
(Viertausendjährige Toiletten - Geheimnisse, hat der Rektor der Münchener Universität, Pros der Chemie Dr. Bacher, enthüllt, indem er Schminken aus den Mumiengräbern zu Achmin chemisch untersuchte und dabei zu höchst in,er- essanten Entdeckungen kam. Die ägyptische Schönen benutzten zu ihren Schminken Bleipräparate, welche auf sehr umständlichem, von Prof. Bacher in allen Einzelheiten nachgespürtem Wege sehr geschickt verarbeitet wurden. Dü Bleierze, welche sich in Aegypten nirgends finden, sind jedenfalls aus Indien bezogen worden was einen weiteren Beweis dafür giebt, wie viel Mühe und Kosten man vor 4000 Jahren schon auf die Täuschung der Männerwelt verwandte. Die „Aerztl. Rundschau" berichtet auch über die Bestandteile und Zubereitung von einer grünen Schminke, mit welcher die ägyptischen Prinzessinnen das Weiße ihrer Augen (!) ,n einem feuchten, grünlichen Schimmer erscheinen ließen, eine Sitte, die sich heute noch unter den taurischen Tartarinnen und Araberinnen finden soll. Solche grüne Schminke wurde in dem Körper der vor 3600 Jahren verst. Prinzessin Ast nachgewiesen.
(Wörtlich genommen.) Wagnerianer: „Ich will ja gern zugeben, daß Verdi viel für die Sänger gethan, aber das Orchester ist erst durch Wagner in die Höhe gebracht worden!" — Anti-Wagnerianer: „Im Gegenteil, herunter hat er's gebracht; die Musiker sitzen ja jetzt beinahe unter der Bühne!"
(Scharf pariert.) Direktor: „Sie sind gestern als Othello sehr unnatürlich gestorben." — Schauspieler: „Begreife es selbst nicht; denn bei der Gage, die Sie mir zahlen, kann man natürlich sterben."
(Untrüglich.) A.: „Wie kann man eigentlich das wirkliche Alter eines Pferdes erfahren?" — B.: „Ganz einfach. Sie fragen einen Pferdehändler und multiplizieren die Zahl mit zwei."
Gemeinnütziges.
(Als ausgezeichnetes Kopfdüngemittel für Klee) empfiehlt sich phosphorsaurcs Kali. Dasselbe enthält 38°/o Phosphorsäure und 26—28°/° Kali. Beide Nährbestandteile befinden sich darin in einer ungemein leicht löslichen und durchaus reinen Form. Ihre leichte Löslichkeit hat zur Folge, daß sie sich rasch im Boden verbreiten und zu den Pflanzenwurzeln gelangen, und das vollständige Freisein von schädlichen Bestandteilen sichert ihre günstige Wirkung. In einem Falle wurde durch Anwendung von 125 phosphorsaurem Kali im Frühjahr auf schmachstehendeui Klee eine so ungemein üppige Wirkung hervorgerufen, daß der Klee schon nach 3 Wochen der besten Kleefläche gleichstand. Allerdings ist der Preis dieses Düngemittels ziemlich hoch, allein mit Rücksicht auf die ungemein kräftige Wirkung desselben immerhin nicht zu hoch.
(Daß der Tabakrauch auf Fleisch und ähn> liche Nahrungsmittel gesundheitsschädlich wirb,) wurde neuerdings der „B. Pr." zufolge von einem Berliner Arzt an zwei Kranken festgestellt, die in einem Wirtshause Fleischspeisen genossen hatten, welche stark dem Tabakrauche ausgesetzt gewesen waren. Dadurch, daß der Tabakrauch einen Teil seiner giftigen Bestandteile auf dem rohen oder gekochten Fleische niederschlägt, verleiht er diesem einen hohen Grad von Schädlichkeit; gleichwohl werden in Gastwirtschaften, wo es an Tabakrauch nicht fehlt, Fleisch und andere Eßwaren tagelang auf unbedeckten Schusseln und Tellern aufgestellt und feilgehalten. oM Interesse der Gesundheit und Reinlichkeit mutz die Benutzung von Gasglocken zur Pflicht S' macht werden.
Redaktton, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.