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heitsbeweis wurde vom Gericht als erbracht ange­sehen, insbesondere auf Grund eines Artikels des Beobachters zum Sedansfest 1873, in dem die Verwendung der städtischen Latrinenwagen als einer Art Festartillerie vorgeschlagen wurde, und auf Grund verschiedener späterer Artikel, die sich mit der Person des Kaisers beschäftigen.

Crailsheim, 20. März. Auf höchst eigentümliche Weise hat vergangenen Sonntag ein hiesiger Handwerkersohn, 16 Jahre alt, lautNeckar- ztg." vermutlich aus Furcht vor einem zu leistenden, weniger bedeutenden Schadenersatz, von welchem seine Eltern nichts erfahren sollten, seinem jungen Leben den Garaus zu machen gesucht. Die Eigenart der angewandten Selbstmordmethode dürfte aber wohl die Annahme rechtfertigen, daß mit dem ganzen Unternehmen nur das Hervorrufen eines allgemeinen Mitleids beabsichtigt war. Der an­scheinend Lebensmüde hatte nämlich seine beiden Hände zusammengeschlungen und sich an diesen in dem Gartenhäuschen seiner Eltern aufgehängt. Die durch längeres Hängen verursachten Schmerzen veranlaßten ihn zu Hilferufen, worauf ein Spazier­gänger sich als Lebensretter einstellte und ihn durch Abschneiden von seinen Qualen befreite.

Ravensburg, 22. März. Vor dem hie­sigen Schwurgericht stand gestern der 36 Jahre alte Dienstknecht Johann Schmidhäusler von Langenau OA. Tettnang, wegen Raubs und Diebstahls. Derselbe überfiel am 21. Oktober v. I. morgens in Hagenbach eine Frau in ihrer Wohnung, band sie und schleppte sie in den Keller. Hierauf durchsuchte er das ganze Haus und bedrohte die Gefesselte mit dem Tode, wenn sie nicht sage, wo das Geld sei. Es fielen ihm etwa 100 in barem Geld und eine geladene Pistole zur Beute. Erst Ende Januar wurde man seiner hab­haft. Das Urteil lautete auf 7 Jahre Zucht­haus und 3 Jahre Ehrverlust.

Friedrichshafen, 22. März. Ein eigen­artiges Treiben entwickelte sich heute auf dem hier stattgefundenen Gesindemarkt der Tiroler Hütekinder. Obgleich dieselben dieses Jahr zahlreicher als sonst eingetroffen sind (über 400 Buben und Mädchen), so war doch die Nachfrage aus dem Allgäu, der württembergischen und badischen Seegegend noch viel größer, so daß man sich förmlich um diese jungen Arbeitskräfte riß. Auch ein Beitrag zur Leutenot auf dem Lande! Als Lohn für ihre bis zum Spätherbst dauernden Dienstleistungen verlang­ten die jungen Tiroler, je nach dem Alter, 50160 Mark unddoppeltes Gewand".

Ueberlingen, 21. März. Ein erschüt­terndes Unglück, dem zwei Menschenleben zum Opfer fielen, ereignete sich gestern Abend auf dem See zwischen Wallhausen und Dingelsdorf. Der Schiffsmann Josef Meßmer von Wallhausen, die Geschwister Heckler von Wallhausen und der ungefähr siebzehn Jahre alte Sohn des Adam

Römer von Dingelsdorf fuhren gestern Abend gegen 8 Uhr auf zwei aneinander befestigten mit 500 St. Rebstecken beladenen Kähnen vom hiesigen Landungs­platz nach Wallhausen ab. Auf der Fahrt begannen die schwer beladenen, nur noch wenig aus dem Wasser ragenden Kähne, da inzwischen auch der See unruhig geworden war, Wasser zu fassen und zu sinken. Während es den Geschwistern Heckler gelang, sich an zusammengebundcnen Rebstecken über Wasser zu halten, bis von Dingelsdorf Hilfe kam, konnte Meßmer nicht mehr aufgefunden werden. Der junge Römer wurde noch lebend aus dem Wasser gezogen und nach Wallhausen gebracht, wo er aber noch im Laufe der Stacht gestorben ist.

Berlin, 22. März. Die Frage, ob der Kronprinz bereits zu Ostern oder erst im Herbst zum Besuch der Universität nach Bonn übersiedeln wird, kann dieKreuzztg." mit Bestimmtheit dahin beantworten, daß der Kronprinz bereits das Sommer- semester in Bonn verleben und Ende April oder Anfang Mai dort eintreffen wird. Die Nachricht über eine bevorstehende Verlobung des Kronprinzen wird demLokalanz." von best unterrichteter Seite als völlig erfunden bezeichnet. Eine so frühe Ver­mählung sei weder beabsichtigt, noch vertrüge sie sich mit den Dispositionen über den weiteren Studien­gang der für den Kronprinzen vorgesehen ist.

Berlin, 22. März. Nach einer Depesche aus Braunschweig herrscht im Oberharz ein furcht­barer Schnee-Orkan. Alle Fernsprech-und Tele­graphenleitungen sind zerstört. Der Schneesturm hat riesige Waldschäden verursacht.

Berlin, 23. März. Die Antwort des Kaisers auf die Ansprache des Präsidenten des Abgeordnetenhauses beim gestrigen Empfang giebt dieNat.-Ztg." in folgender Fassung wieder. Die That in Bremen beweise, welche Verwirrung in unreifen jugendlichen Köpfen herrsche. Es liege das wesentlich daran, daß die Achtung vor Krone und Regierung mehr und mehr im Schwinden sei. In dieser Hinsicht seien die Verhältnisse in den letzten Dezennien schlechter geworden. Der Respekt vor der Autorität fehle. Tie Schuld daran liege an allen Klassen der Bevölkerung. Statt den allgemeinen Interessen des Volkes zu dienen, würden Sonder­interessen verfolgt. Die Kritik an Maßnahmen der Regierung und der Krone erfolge in der schroffsten und verletzendsten Form. Hieraus erwachse die Unklarheit und Demoralisation in der Jugend. Die Volksvertretung solle und könne hier bessernde Hand anlegen. Von der Schule beginnend, müsse Wandel geschaffen werden.

B erlin, 23. März. Die Aeußerungen des Kaisers beim gestrigen Empfang des Prä­sidiums des Abgeordnetenhauses werden von einigen Blättern lebhaft besprochen. Tie Vossische Zeitung findet cs unbegreiflich, wie Herr von Kröcher Ver­gleiche ziehen konnte zwischen dem Mordanschlage auf Kaiser Wilhelm I im Jahre 1878 und dem Bremer Zwischenfall. Dagegen müsse Einspruch

erhoben werden im Interesse der Gerechtigkeit und des Glaubens an die Sicherheit unserer Zustände. Das Berliner Tagblatt ist der Ansicht, daß die kaiser­lichen Urteilsworte jeden Vaterlandsfreund mit tiefem Schmerz erfüllen müssen. Die Volkszeitung widmet der Angelegenheit einen sehr eingehenden Artikel, den sie wie folgt einleitet: Es versteht sich von selbst, daß die Ausführungen des Kaisers im ganzen deutschen Lande, ja sogar im Auslande einer eingehenden Erörterung werden unterzogen werden. Denn, daß in Deutschland die Autorität der Krone stark gelitten habe, ist eine Bemerkung, die bei den Urteilen des Auslandes über die innern Zustände im deutschen Reich von erheblicher Bedeutung sein muß. Ter Vorwärts schreibt: Aus den Reden und Aeußerungen des Kaisers sprach sonst ein Hochge­fühl von Kraft und Macht. Das scheint jetzt wie ausgelöscht. Seine Worte an das Präsidium des Abgeordnetenhauses deuten auf eine überaus ge­drückte Stimmung, die nicht recht verständlich ist. Wenn auch der Kaiser in dem Wurf des Epilep­tikers nichts als einen unglücklichen Zufall steht, so mag sein, daß die düstere Verurteilung der Dinge seitens des Kaisers nicht allein aus dem Bremer Vorkommnis herrührt. Die Unfruchtbarkeit des opferreichen Chinazuges, der mit so hohen Erwar­tungen begonnen wurde, die Mißgunst anderer Brächte gegen das deutsche Oberkommando und alle die anderen Aussichtslosigkeiten dieser weltpolitischen Expedition, das alles mag die Verstimmung des Reichs-Oberhauptes erklären.

Berlin, 23. März. Der Post zufolge hatte Freiherr von Stumm für die in einigen Jahren zu erwartende Gedenkfeier des hundertjährigen Familienbesitzes der Neunkirchener Eisenwerke von Seiten der Gebrüder Stumm eine Stiftung be­absichtigt, welche die sämtlichen umfangreichen Wohl- thätigkeitsanstalten der Firma vor allen Wechsel­fällen der Zukunft sicher stellen sollten. Die Erben des Verewigten haben nunmehr den ersten Schritt zur Verwirklichung dieses Vorhabens gethan, indem für denselben der Betrag von 500000 bereit gestellt wurde.

Berlin, 24. März. Wegen schwerer Dienst­vergehen wurde demKl. Journal" züfolge ein Vizefeldwebel der in China stationierten deutschen Truppen niit dem gestern abend von Ostasien im HamburgerHafen eingetroffenen DampferHamburg" nach Deutschland befördert und von einer Patrouille noch gestern abend von Bord abgeholt. Gleichzeitig wurde von demselben Dampfer ein Matrose abgeholt, der sich schwere Vergehen gegen die Seemanns­ordnung hat zu Schulden kommen lassen.

Brüssel, 22. März. Die Königin hat der Familie des von ihrem Wagen überfahrenen und verstorbenen Handwerkers als Entschädigung die Summe von 40000 Frs. zugesandt.

Haag, 23. März. Hiesige Blätter ver­öffentlichen den Wortlaut mehrerer amtlicher Doku­mente, welche grauenvolle Einzelheiten über die

Ihr seid ja alle in einer recht kläglichen Stimmung zurückgekommen," versuchte ich einen leichten Ton anzuschlagen.Was wollt ihr denn? Ist es nicht schon ein Segen, daß wir Trinkwasser gefunden haben? und obendrein die vielen Ziegen, welche hinreichen werden uns sechs Monate mit Fleisch zu ver­sorgen. Ihr spottet freilich und meint wir würden keine kriegen; aber woher wißt ihr das?" Es ist doch sonst nicht die Art der Seeleute etwas aufzugeben, bevor sie es versucht haben."

Da haben Sie auch ganz recht, Mr. Seymour," ermannte sich der Boots­mann.Wir werden wieder munter sein, wenn wir etwas ausgeruht haben."

Alle mit Ausnahme des Bootsmanns schlichen nun müde in die Hütte, wo sie den größten Teil des Nachmittags der Ruhe pflogen.

Schilling war nach der Gig gegangen, um etwas zu suchen, wie ich an­nahm, und als er nicht zurückkehrte, fand ich ihn bald darauf auf dem Boden derselben in tiefem Schlaf, die Beine unter die Duchten gestreckt und den Kopf auf den Armen ruhend. Ich stieg noch einmal den Berg hinauf um den Ozean abzusuchen, denn im geheimen rechnete ich noch immer auf das Langboot. Es war ein schwerer Schlag, als ich, nach wiederum vergeblicher Ausschau, erkannte, daß ich jede Hoffnung darauf aufgeben mußte. Langsam trat ich den Rückweg an, um Zeit zu gewinnen, mich zu beruhigen und meinen Kummer nicht merken zu lassen.

Als ich unten anlangte, hatte ich mich wieder gefaßt. Ich setzte mich neben Floren« und nahm ihre Hand.

Alles schläft, nur wir drei nicht. Miß Hawke, Sie haben zwei Nächte kein Auge geschloffen. Sie müssen zum Umfallen müde sein."

Auf diesem Felsen finde ich keine Ruhe," antwortete sie mit schmerzlichem Lächeln.

Nein, aber das zusammengelegte Segel wird eine weiche Matratze für Sie abgeben. Wenn Sie sich zu legen wünschen, sollen ihnen die Leute sofort Platz machen."

Florences Finger krampften sich um die meinen.Dort könnte ich nicht schlafen," flüsterte sie, auf die Hütte deutend.

Aber warum nicht?" Du mußt doch heute nacht dort schlafen, im Freien kannst du nicht liegen."

Sie schauderte, aber schwieg.

Es ist ja alles nur Einbildung. Wenn du schläfst ist es ganz gleich, ob du in solcher elenden Hütte oder zu Haus in deinem Bett liegst."

Ja, aber nicht, bis ich eingeschlafen bin."

Das ist es," stimmte ihr Tante Damaris bei.Ich ziehe auch vor im Freien zu bleiben. Sie sagten uns noch nicht, ob sie droben auf dem Felsen etwas entdeckt haben?"

Nichts."

Sie seuzte und sah mit gefalteten Händen zum Himmel auf.

Lassen Sie uns nur erst einmal geschlafen haben," suchte ich sie zu er­mutigen.Paffen Sie auf, dann sehen wir die Dinge ganz anders an. Sie haben beide in schwerer Gefahr so viel Mut gezeigt, warum verzweifeln Sie jetzt? Haben Sie kein Vertrauen mehr zu mir?"

O, Jack, ich weiß, daß du nichts versäumen wirst, was der beste Seemann nur immer thun könnte, aber du bist ja ebenso hoffnungslos wie Tante und ich."

(Fortsetzung folgt.)