4L

Deutsches Weich.

Der Kaiser weilt gegenwärtig in Berlin und rüstet sich zum Empfang der Hochzeitsgäste bei der Vermählung seiner jüngsten Schwester Margarethe. Unter den bisher augesagt ge­wesenen fürstlichen Gästen wird das dänische Königspaar fehlen wegen Bereisung sämtlicher Häfen Dänemarks.

Es ist nicht zu verkennen, daß sowohl in der öffentlichen Meinung Deutschlands, als auch unter einer großen Anzahl von Reichstagsabge­ordneten ein erheblicher Umschwung der Ansichten bezüglich der Militärvorlage eingetreten ist. Man glaubt jetzt sicher, das es zu einer Auflösung des Reichstags nicht kommen wird, da auch die Regierung, bezw. der Reichskanzler, schon einige Andeutungen gemacht hat. wonach es bezüglich der Militärvorlage zu einer Ver­ständigung kommen solle. Die Mehrheit des Reichstags ist wenigstens schon geneigt, 40 000 Mann mehr Rekruten zu bewilligen, wenn die zweijährige Dienstzeit bei den Fußtruppen gesetz­lich festgelegt wird. Der Reichskanzler sprach von 50 000 Rekruten statt der ursprünglich ge­forderten 60 000.

Berlin. 18. Jan. Auch der sozialdemo­kratische Vorwärts hält die parlamentarischen Aussichten der Militärvorlage für günstig. Es wäre Richtersche Vogclstraußpolitik, das zu leugnen.

Berlin, 19. Jan. In der Militär­kommission des Reichstages blieb Lieber gestern auf dem ablehnenden Standpunkte des Zentrums ohne Angabe neuer Gründe. Reichs­kanzler Graf Caprivi erklärte nochmals, auf die zweijährige Dienstzeit mit der jetzigen Präsenzziffer werde die Regierung unter keinen Umständen eingehen. Deutschland werde wegen des Balkans seine Politik nicht in den Dienst einer anderen Macht stellen. Die allgem. Be­ratung ist immer noch nicht geschloffen. Wegen der Hoffestlichkeiten werden die Sitzungen der Kommission erst am Montag fortgesetzt.

Baden-Baden, 19. Jan. In einer Zentrumsversammlung sprach der Reichs- tagsabgeordnele Dekan Lender die Hoffnung aus. daß ein Konflikt wegen der Militärvorlage an­gesichts der gegenwärtigen ernsten Lage ver­mieden werde. Der Reichstag müsse zur Sicher­ung des Vaterlandes Notwendige bewilligen.

Berlin, 18. Jan. Der Reichstagsabg. Göser (Zentrum) ist heute früh gestorben. Göser, Stadtpfarrer in Saulgau, vertrat den 17. württ. Wahlkreis, Ravensburg-Tettnang- Saulgau-Riedlingen, seit 1887. Vor wenigen Tagen war er in Berlin an Lungenentzündung erkrankt. (Der Verst. war früher Vikar in Weil d. Stadt, 1866 und 1870/71 Feldgeist- lichee.

Berlin, 18. Jan. Die grimmige Kälte (heute früh 23 Grad) forderte unter den Ob­dachlosen mehrere Opfer; nach Meldungen der Blätter sind 3 Personen erfroren aufgefunden worden. Auf den Sanitätswachen melden sich zahlreiche Personen mit erfrorenen Gliedern. Die Zufuhr von Lebensmitteln ist vielfach gestört.

Zur Schnecbeseitigung in Berlin sind gegenwärtig fast 4000 Arbeiter und 1100 Wagen in Betrieb.

Halle, 19. Januar. Die bakteriologische Untersuchung ergab, daß die verdächtigen Er­krankungen in der Irrenanstalt Nietleben 6ko- leru asiaticu sind. DerHalle'schen Ztg." zufolge wurden seit gestern abend 11 Uhr 28 Erkrankungen und 13 Todesfälle gezählt. Der Landrat des Saalkreises machte das Auftreten der Ldolora asiatica amtlich bekannt. Ge­heimrat Prof. Dr. Koch ist zu den Untersuch­ungen der Cholera-Epidemie eingetroffen.

Saarbrücken, 18. Jan. Der Ausstand ist beendet, da heute alles angefahren ist. Die gestrige Versammlung in Bildstock konnte wegen mangelnder Teilnehmer nicht stattsinden.

In Schornsheim bei Mainz ist am Samstag die Frau des Metzgermeisters Nauth vor Schreck gestorben. Sie sah, wie ihr Kind, das mit einem Schlachtmesser spielte, von der

Bank auf die Erde stürzte. Die Frau erlitt bei diesem Anblick einen Herzschlag, dem sie erlag.

Aus Baden, 18. Jan. In Ettlingen erschoß sich derN. Bad. Landztg." zufolge, der zur dortigen Unterossizierschule kommandierte Lieutenant Grell, wie es heißt, wegen eines unglücklichen Liebesverhältnisses.

Vom Wetter. 17. Januar. Immer un­heimlicher macht die Gewalt des Winters sich geltend, und selbst der Rhein, der schwer zu bändigende, muß seiner Botmäßigkeit sich mittel­los fühlen. Bei Kehl, Mannheim und Mainz hat sich das Eis gestellt. Der Main ist längs der Stadt Frankfurt bereits zugesroren. Bei Bingen wird die Eisdecke des Rheins seit gestern vom dortigen wie vom Rüdesheimer Ufer aus von zahlreichen Personen überschritten. Der Ueberqang ist gefahrlos, denn die vielfachen Lücken, welche sich gestern im Eise noch gezeigt hatten, sind bei 15 bis 17 Grad Kälte in letzter Nacht dick zugefroren. Zwischen den Bahnhöfen Bingen und Rüdesheim führt ein gebahnter, mit Tannenbäumchen abgesteckier Weg, den die Schiffslcute hergestellt haben. Klagen über das verspätete Eintreffen der Züge und Posten treffen von allen Seiten ein.

Maximiliansau. 18. Jan. Wie der Pfälz. Kur." meldet, hat sich heute früh in­folge des Eisganges das Trajektboot losgeriffen. Infolge dessen mußte der Personenverkehr über den Rhein bis auf weiteres eingestellt werden. Als das fliegende Brückenjoch rieß, befanden sich auf demselben ungefähr 80 Personen. Das Joch trieb zwischen Eisschollen I Kilometer weit rheinanwärts. Die Personen konnten nur mit großer Mühe gerettet werden.

Aus Baden, 17. Jan. Wie dieKarls. Ztg." meldet, ist in verschiedenen Landesteilen Schnee in bedeutender Höhe gefallen, so unter anderem am Feldberg-Gasthaus 120, Todtnau­berg 58. Kniebis 45, um die Höhen des Plättig 45 Centimeter. Der Boden ist allerwärts hart gefroren ; bei rasch eintretendem Taüwetter wäre bedeutende Anschwellung der Gebirgswasfer zu erwarten.

Württemberg.

Sc. Maj. der König hat den Oberfinanz­rat v. Schmidt bei der Domänendirektion zum Direktor der Oberrechnungskammer und Staals- kaffenverwaltung ernannt.

Se. Maj. der König hat den Oberförster Ksublan in Hofften auf das Revieramt Oehr- ingen, den Oberförster Kiefer in Dunningen (vorher in Neuenbürg) auf das Revieramt Hohengehren, Forsts Schorndorf je auf An­suchen versetzt, ferner das Revieramt Neuffen, Forsts Kirchheim, dem Forstamts-Ass. Lechler in Ellwangen (früher in Wildbad) und das Re­vieramt Beilstein, Forsts Heilbronn, dem Forstamtsassistenten Leibnitz in Wildberg (früher in Herrenalb) übertragen.

Stuttgart. Wie der Slaatsanzeiger vernimmt, hat das K. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens mit Allerhöchster Ermächtigung angeordnct, daß der Tag des Geburtsfestes .S. M. des deutschen Kaisers (27. Jan.) an den öffentlichen Schulen des Landes allgemein als schulfreier Tag zu behandeln ist.

Die Ständeversammlung hat in beiden Häusern bis jetzt nur die verschiedenen Wahlen vorgenommen, welche nach Ablauf der ersten Legislaturperiode sowohl für das Präsidium, als für die einzelnen Kommissionen vorzunehmen waren. An die Stelle des wegen hohen Alters aus der ersten Kammer ausgeschiedenen Scaats- ministers a. D.. Frech, v. Linden, wurde der Direktor der Zentralstelle für Handel und Ge­werbe, v. Gaupp, zum lebenslänglichen Mit­glied der Kammer der Standesherrn durch Se. Maj. den König ernannt. Die Kammer ehrte das überaus verdienstvolle Wirken des ausge­schiedenen Frech, v. Linden durch eine besondere Adresse an denselben. Die Ständeverjammlung wird bis Anfang März vertagt werden.

Stuttgart, 17. Jan. Bei der Kammer der Abgeordneten ist eine Beschwerdejchrift des suspendierten Oberbürgermeister Hegelmaier aus Heilbronn über das gegen ihn von der Regierung cingeschlagene Verfahren eingelaufen.

Dieselbe wurde der staatsrechtlichen Kommission überwiesen. Ferner meldete sich wieder ein an­geblicher Herzog von Urach in der Person eines Bürgers von Geislingen (Brudi), mit seinen nie verjährenden Ansprüchen, was Heiterkeit erregte.

Stuttgart. 15. Januar. Dieser Tage wurde von der in Ensingen vorgenommenen Verhaftung eines ledigen Frauenzimmers berichtet, in deren Besitz eine Geld- und Wcrtsumme von über 20 000 gefunden wurde, worüber sie sich nicht ausweisen konnte. Die Betreffende, sowie ihr Verlobter, ein junger Goldschmied aus Pforzheim, welcher hier in den letzten Tagen durch außerordentlichen Geldverbrauch sich be- merklich gemacht hatte, waren unter dem Ver­dachte eines Diebstahls hier in Untersuchungshaft genommen. Die mehrtägige Untersuchung lieferte aber das merkwürdige Ergebnis, daß nicht bloß die erwähnte Wertsumme, sondern in Wirklichkeit mehr als die doppelte Summe von einem reichen Privatier in Baden-Baden dem Mädchen zum Geschenk gemacht worden ist. Es erfolgte des­halb die Entlassung Beider aus dem Untersuch­ungsgefängnis des königl. Amtsgerichts Stutt­gart-Stadt.

Liebenzell. Am 17. ds. Mts., morgens 3 Uhr. brach in dem zweistöckigen Wohnhaus des Jakob David Walz und des jung Johannes Fenchel in Liebenzeü Feuer aus. welches das Gebäude in kurzer Zeit in Asche legte.

Unterreichenbach, 17. Jan. Zur Ein­weihung der umgebauten Ortskirche am Sonntag waren zahlreiche Gäste von nah und fern erschienen. Das Dorf hatte reichen Schmuck angelegt, auch das kleinste Häuslein war mit Tannengrün und Blumen geziert. Dekan Braun von Calw hielt die Weiheredc. Nach der Pre­digt des Ortsgcistlichen, Pfarrer Furch, üver- brachte Präl. Dr. v. Wittich, der zur großen Freude der Kirchengemeinde erschienen war. die Segenswünsche der Oberkirchendehörde. Beim Mittagessen wurde der 1. Toast von Präl. Dr. v. Wittich auf Se. Maj. den König ausgebracht. Eine Reihe von ernsten und heiteren Reden folgte. Nachmittags war liturgischer Gottes­dienst, die wohlgelungenen Chöre wurden vom hies. Kirchenchor ausgeführt.

Ausland.

Im Panama-Prozeß hat der Sachver­ständige Flory ausgejagt, daß Eiffel von der Gesellschaft 33 Millionen aus seine Unternehm­ungen erhalten, davon aber nur 4 oder 5 Mill. auf Arbeiter und ebensoviel auf Kommissionen an Teilnehmer verwendet habe. Das am Mitt­woch in Paris verbreitete Gerücht, daß Eiffel ebenfalls verhaftet worden sei, hat sich nicht be­stätigt, worüber man sich nach obigen Feststell­ungen allerdings wundern muß.

In Frankreich ist man offenbar noch nicht am Ende des Panamaskandals angelangt. Neuerdings soll wieder eine ganze Reihe bisher unbescholtener Deputierten der Annahme von Bestechungsgeldern überführt und vor den Unter- mchungsrichler gerufen worden sein. In den französischen Blättern dauert der Kampf nicht nur gegen die bestochenen Deputierten, sondern auch gegen den Präsidenten Carnot fort und nimmt noch immer mehr zu. Letzterem sind die Zügel der Gewalt schon beinahe gänzlich aus den Händen gewunden. Auch das Ministerium steht auf äußerst schwachen Füßen und besitzt keinerlei Autorität mehr, ebenso wenig aber auch die Kammer und der Senat, so daß die Vorbedingungen zu einer förmlichen Anarchie in bedenklicher Weise vorhanden sind. Der that- sächliche Beherrscher Frankreichs ist gegenwärtig das Pariser Blatt Figaro. Sowohl Carnot, als das Ministerium, als die Kammer sehen mit wahrer Angst jeder neuen Nummer jenes Blattes entgegen und dieses fängt schon an, den Grafen von Paris auf die Bildfläche zu bringen. Die Restauration des Königtums scheint in Frank­reich mehr und mehr Boden zu gewinnen, sonst würde das genannte Pariser Blatt, welches in ganz Frankreich das Gras wachsen sieht und die Flöhe husten hört, den Grasen von Paris sicher aus dem Spiele gelassen haben. Müßte das jetzige Staatsoberhaupt Frankreichs selbst infolge der Panama-Affaire zurücktrelen, so wäre