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jetzt täglich die Blätter berichten, sind für das öffentliche Gefühl auch ein Skandal, und ein schlimmerer vielleicht, als der im Parlament entstandene.

Chicago. 14. Jan. Ein Expreßzug der Chicago-Jllinoisbahn stieß gestern mit einem auf der Fiftyfifth Street-Station haltenden mit Pas­sagieren besetzten Borstadtzuge zusammen. Drei Wagen des Vorstadtzuges wurden zertrümmert; die Trümmer gerieten in Brand, und gegen 18 Personen wurden schwer verletzt.

Telegramme an den Enzlhäler.

Berlin, 16. Jan. Das Krönungs- und Ordensfest wurde im königlichen Schlosse in her­kömmlicher Weise gefeiert. Dasselbe begann mit der Verleihung der Orden. Die Neudekorierten wurden den Majestäten später vorgeslellt, hier­auf begaben sich die Allerhöchsten Herrschaften zum Gottesdienst in die Schloßkapelle. Um vier Uhr fand Galatafel statt, wozu 800 Personen geladen waren. Zwei Musikkapellen stellten die Tafelmusik. Gegen Ende der Tafel trank der Kaiser auf das Wohl der alten und neuen Ritter. Hierauf hielten die Majestäten Cercle in den inneren Gemächern.

Essen. 16. Jan. Der Rheinisch-Westf. Ztg." zufolge wurde die gestrige Bergarbeiter- Versammlung, welche über die Fortsetzung des Streiks beschließen sollte, bald nach der Eröff­nung wegen Verhöhnung obrigkeitlicher Anord­nungen polizeilich aufgelöst.

Wermischtes.

Braunschweig, 20. Dez. Ueber einen eigenartigen Vorfall, der hier seit einer Woche allgemein besprochen wird, berichtet dasBraun­schweiger Tagebl." wie folgt:Ein hiesiger Staatsanwalt gerät mit einem hiesigen Landgerichtsdirektor wegen amtlicher Vor­kommnisse in Differenzen. Der Staatsanwalt ist auch Reservelieutenant; in dieser Eigenschaft glaubt er sich verpflichtet, seine, wie er meint, verletzte Ehre mit den Waffen in der Hand wieder Herstellen zu müssen: er schickt also dem Gerichtsdirektor seine Zeugen und läßt ihn auf Pistolen fordern. Der Geforderte lehnte aber sehr verständigerweise das Duell ab. Mit Recht weist das genannte Blatt auf das Unhaltbare der Zustände hin, denen wir durch diese seltsame und einseitige Auffassung ent­gegentreiben. Seine (des Staatsanwalts) Stell­ung als Reservelieutenant zwang ihn nach seiner Meinung gebieterisch, die ihm sagen wir widerfahrene Unannehmlichkeit mit der Waffe in der Hand zu rächen. Aber der Heraus­forderer ist zugleich auch Staatsanwalt und als solcher Hüter des Gesetzes und der öffent­lichen Ordnung und verpflichtet, ähnlich Schritte, wie er sie unternahm, mit der Strenge des Ge­setzes zu verfolgen, sobald sie zu seiner Kenntnis gelangen. Zwei Eigenschaften oder zwei Mächte

der Reserveoffizier und der Staatsanwalt

mußten ihren entgegengesetzten Einfluß geltend machen, und der Reserveoffizier siegte, wie selbstverständlich." Grade der vorliegende Fall beleuchtet das Wiedersinaige der Ueber- tragung militärischer Anschauungen auf bürger­liche Verhältnisse in der denkbar grellsten Weise und fordert gradezu dazu, drüben wie hüben endlich Wandel zu schaffen.

Köln. 7. Jan. Ein großes Unglück wurde heute Abend durch den Frevelmut des Metzgers Keupmann in der Restauration Bolder an der Sandbahn angerichtet. Keupmann, der als Obergefreiter bei der Artillerie gedient hat, war Sammler von Artilleriegeschossen. Um seine Sammlung zu vervollständigen, kaufte er sich heule Abend auf dem Griechenmarkt bei einem Althändler eine alte Granate. Das Geschoß, dessen Zünder fehlte, war ein sogen.Blind­gänger", das, nachdem es abgeschossen, nicht krepiert war. Unterwegs tras Keupmann den

Metzger Kaufmann, mit dem er in die Wirtschaft von Bolder ging. In der Schankstube saßen außer dem Wirt noch 15 Gäste. Keupmann zeigte seinem Freunde die Granate und be­hauptete, sie sei nicht mehr geladen; andere Gäste mischten sich in die Unterhaltung und mahnten den Keupmann zur Vorsicht. Ver­schiedene Gäste verließen geängstigt das Lokal. Als der Wirt sich jede Hantierung mit dem Ge­schoß verbat, steckte Keupmann die brennende Cigarre mit den Worten:Sich, das ist nichts", in das Zündloch. Plötzlich sprang das Geschoß mit einem gewaltigen Krach auseinander und riß dem Tollkühnen die rechte Hand an der Wurzel ab; außerdem waren ihm 2 Splitter in die Brust gedrungen, seinem Gegenüber hatte ein Splitter den linken Arm zerschmettert, durch ein anderes Stück wurde ihm eine Schulter schwer verletzt; ein Granatsplitter drang dem Wirt Bolder in den Unterleib; ein entferntsitzender Gast wurde an der Seite und am Knie schwer verletzt; dem Zapfenjungen wurde ein Finger abgerissen; 4 andere Gäste wurden mehr oder minder erheblich verletzt. Die Feuerwehr war bald zur Stelle und schaffte die 5 Schwerver­letzten nach dem Krankenhause. Verschiedene Splitter steckten in den Wänden und in der Decke; sämtliche Fenster, Flaschen und Gläßer waren zertrümmert.

Die Spitze seines eigenen Säbels hat der Schmied Adam Abel aus Braunsfeld, der im Jahr 1866 bei den Kürassieren stand, 26 Jahre lang in der Brust herumgetragen. Das kam so: In der Schlacht bei Königgrätz zerschmetterte ihm ein Granatsplitter den Säbel und verwundete Abel schwer. Er genas aber wieder, nachdem ihm der Granatsplitter auf operativem Wege entfernt worden war, und machte 1870/71 den Krieg gegen Frankreich mit, aus dem er unverletzt heimkehrte. Er ging wieder seinem Beruf nach; da verspürte er Plötz­lich vor etwa einem halben Jahr an der Brust in der Nähe seiner früheren Wunde Schmerzen, und bald bildete sich eine zunehmende Geschwulst die ihn nötigte, im Kölner Bürgerspital ärzt­liche Hilfe zu suchen. Dort öffnete man am 20. v. M. die Geschwulst und holte aus ihr die scharfe, 33 Millimeter lange Spitze des Kürassiersäbels heraus, die ihm in der Schlacht von Königsgrätz in die Brust gedrungen war, als der Granatsplitter den Säbel in der Faust zertrümmerte. Die Genesung des alten Sol­daten ist nun nur noch eine Frage weniger Tage.

(Ein gewissenhafter Beamter!) Vor wenigen Tagen erschien, wie dieBolksztg." erzählt, ein Herr aus Groß-Lichterfelde in der Reichsbank, um dorr einen Wechsel unterzubringen. Ein Beamter nahm das Papier an, gab es aber mit der Erklärung zurück, daß er die Annahme des Wechsels ablehnen müsse. Der Inhaber fragte nach dem Grunde und erfuhr, daß die Stempelmarke nicht ganz genau mit dem Rande des Wechsels abschneide, sondern etwa einen halben Centimeter zu tief ausgeklebt worden sei. Dem war aber bald ab­geholfen: der Vorzeiger des Wechsels erbat sich eine Scheere und schnitt den überstehenden Rand ab. Nun wurde das Papier anstandslos ab­genommen.

(Eine Frau als Verwaltungs-Präsidentin.) Daß eine Frau in den Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft gewählt und sogar Präsidentin des Verwaltungsrats wird, ist eine neue Er­scheinung, die demnächst in Oesterreich zu Tage treten wird. Zu den Aktionären der Lanko- witzer Kohlen-Compagnie gehört seit einiger Zeit Frau Ludovica Zang, die Gattin des ehemaligen Besitzers der alten WienerPresse". Die Groß­aktionäre haben die Absicht, vier neue Mitglieder des Verwaltungsrat zu wählen und eine dieser Stellen der Frau Ludovica Zang zu übertragen. Ja, noch mehr, Frau Ludovica Zang soll dann auch zur Präsidentin gewählt werden und dem­nach an die Spitze der Gesellschaft treten.

Die Berliner Schlächterinnung, welche zur Zeit über ein Vermögen von Mill. Mark verfügt, plant den Bau eines neuen Innungs- Hauses im Osten der Stadt. Die Bäckerinnüng hat sich vor einem Jahre ein großartiges Heim im Norden der Stadt erbaut.

(Eine unheimliche Szene) erschreckte dieser Tage das Publikum eines Kirchenkonzerts in Kopenhagen. Das Konzert war beinahe zu Ende, als ein Mann auf eine der Bänke sprang und mit gellender Stimme wilde Verwünschungen gegen die Menge ausstieß, den Teufel herbei­schwor und endlich Miene machte, diesen thät- lich aus den ihm zunächst stehenden Personen austreiben" zu wollen. In der dichtgefüllten Kirche entstand eine allgemeine Panik, bis es endlich gelang, den Tobenden zu fesseln. Der Unglückliche litt an religiösem Wahnsinn.

(Heiteres von der Ersatzreserve.)Zweie

viere sechse achte! Allens lauter Philosophen? Mußjee Sie ooch? fragte der Exerziermeister einen der ihm zur Ausbildung überwiesenen Ersatzreservisten, die am Tage der Entlassung der Reserve beim Regiment einge­troffen waren. Der junge Mann hatte die Frage überhört.Herr, sind Sie taub?" Ich will wissen, was Sie in Ihr Zivilverhältnis sind?"

Taubstummenlehrer."Sie, machen Sie hier keene Witze, sonst fliegen Sie in's Loch, verstanden?! Also Sie sind?"Taubstummen­lehrer." Der Unteroffizier sah den Gefragten erstaunt an, sprach seine Verwunderung darüber aus. daß ein Taubstummenlehrer überhaupt sprechen könne und zur Ersatzreserve genommen werde, und fuhr dann fort:Sagen Sie mal, was lernen Sie eigentlich? .... Ne, Sie sind aber wirklich een bisken zu schwerhörig. Menschenskind, ick will wissen, was Sie die taubstummen Kinder beibringen."Ach so: Nun verstehe ich: Lesen, Schreiben, Rechnen, Sprechen."Na nu^ Sprechen ooch?" Jawohl."Erzählen Sie mal, wie Sie das machen."Ich spreche meinen Schülern erst einzelne Laute, dann Worte vor, und wenn sie diese nachsprechen können, lasse ich sie ganze Sätze redsn."Sie. det kriegt wohl een Pa- pajci, aber keen Taubstummer fertig, denn wenn so'n Taubstummer sprechen kann, denn is er eben nich taubstumm, sondern höchstens een bis­ken tauber als Sie. Was Sie mir da allens uffbinden wollen, is purer Muntpitz." Mit diesen Worten ließ der Exerziermeister den Taub» stummenlehrer stehen und wandte sich einem andern der ihm zur Ausbildung als Ersatzreser­visten Uebergebenen zu.

(Theater-Meteorologie.) Inspizient (im Vorzimmer der Theater-Kanzlei):Was ist denn das wieder für ein Lärm in der Direktions- Kanzlei?" Diener (der bemerkt, daß die erste Sängerin mit dem Direktor zankt):Nur 'mal wieder so ein kleines Prima-Donna- wetta!" (Fatal). A.:Denk' Dir nur, was unserem Pofessor wieder passiert ist! War er da neulich bei einer Hochzeit cingeladcn; am Schlüsse des Mahles klopft er, da er einen Toast ausbringen will, an's Glas, ruft aber in seiner Zerstreutheit: Zahlen!" (Bei der Aushebung.) Beitel Rosenblum stellt sich zum Militär, ist aber in großer Angst und Aufreg­ung über die Ungewißheit, welcher Waffengatt­ung er zugeteilt wird: ob Infanterie, ob Kavallerie. Als Beitel vor die Kommission erscheint, wird er für nicht genügend reinlich befunden und vom Feldwebel in ein Zimmer geschoben, wo eine mit Wasser gefüllte Bade­wanne steht. Beim Anblick derselben ruft Beitel entsetzt aus:Gott, so soll ich bei der Marine?"

Homogramm.

Aus den nachstehenden Buchstaben sollen 8 Worte gebildet werden, welche einen Ausspruch eines berühmten Feldherr» ergeben: aaa ddd eeeefgghchiicklnr r r t t t u u ü ü.

Gedenket der hungernden Mgel!

Redaktwn, Druck und Verlag von Chrn. Meeb in Neuenbürg.