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an die Wand, wo sie dann zu Boden fiel. Einer der Burschen hatte nämlich eine geladene Pistole bei sich und spielte mit derselben hinter dem Rücken des Lehrers, so lange derselbe die Rechnungen der Schüler kontrollierte. Die Kugel ging dem Schüler durch die Hand, so daß er jetzt zeitlebens ein Andenken hat an seine Unvorsichtigkeit.
Göppingen, 1. März. Gestern und heute flogen mehrere große Züge Staren über unsere Gegend. In Reichenbach hat sich gestern der Storch eingestellt. Die warme Sonne brachte in den letzten Tagen nach einer 3monatlichen Einwinterung die Bienen zum Ausstiegen. Trotz der großen Kälte haben die Bienen gut überwintert.
Laichingen, 1. März. In Bezug auf die Obstbäume ist der heurige Winter als sehr günstig zu bezeichnen. Der reiche Fruchtknospenansatz der Birnbäume hat nicht im geringsten gelitten, was in den letztvergangenen Jahren ganz anders war. Namentlich die strenge Kälte vor 2 Jahren hatte den meisten Birnsorten schwer zugesetzt. Diejenigen Aepfelbäume, welche im vergangenen Jahr zu reichlich trugen, zeigen natürlich weniger Fruchtansätze, mit Ausnahme einiger Sorten.
Welzheim, 1. März. In heutiger Sitzung der bürgerl. Kollegien, in der auch viele Zuhörer zugegen waren, wurden von Bauinspektor Mülberger aus Stuttgart im Auftrag der Generaldirektion der Staats-Eisenbahnen die ausgefertigten Projekte Schorndorf-Welzheim und Backnang-Welzheim eingehend erläutert. Daß letztere Linie wenig Aussicht auf Ausführung hat, war auch heute zu vernehmen; es wurde deshalb, um endlich zu einer Einigung zu gelangen, vom Gemeinderat und Bürgerausschuß einstimmig beschlossen, sich für den Bau der Linie Schorndorf-Welzheim mit Normalspur auszusprechen, wobei eine Zahnradbahn vermieden werden soll. Auch wurde beschlossen, die Kosten der Grunderwerbung zu übernehmen, sowie der den Bau ausführenden Privatbaugesellschaft einen einmaligen Beitrag von 5000 Mk. pro Kilometer, soweit die Markungsfläche geht, zuzusichern.
Crailsheim. Anfangs Januar d. I. ist hier durch die Anzeige eines, unweit der Stadt durch zwei Stromer angeblich an einem Metzgerburschen verübten Raubs begreifliche Beunruhigung verbreitet worden. Der angeblich Ueberfallene hatte durch genaue Schilderung von Einzelheiten die Anzeige durchaus glaubhaft zu machen gewußt und so energische Nachforschungen der Landjägermannschaft und ein Fahndungsausschreiben der Staatsanwaltschaft veranlaßt. Hiedurch wurde bald ermittelt, daß die Anzeige erdichtet war. Die angeblich geraubten Gegenstände (Kleidungsstücke, Geld) fanden sich in einem Versteck vor. Der 18 Jahre alte Bauer Karl Schock von Rüdern, Gde. Triensbach, der zur Erlernung des Metzgerhandwerks in Crailsheim untergebracht war, hatte den Raubanfall erfunden, um so aus dem unbequemen Dienste los
zu kommen. Nunmehr hat das Gericht den :c. Schock die durch seine mutwillige Anzeige erwachsenen Kosten gesetzlicher Vorschrift gemäß auferlegt. Vom K. Schöffengericht Crailsheim ist rc. Schock ferner am 27. v. M. gemäß Art. 7 Ziff, 1 des Polizeistrafgesetzes mit zehn Tagen Haft bestraft worden. (Nach der betr. Bestimmung ist mit Geldstrafe bis zu 150 ^ oder mit Haft bis zu 6 Wochen bedroht „wer durch falschen Notruf rc., durch erdichtete Vorstellungen und Ausstreuungen Besorgnisse unter dem Publikum wissentlich heroorruft oder verbreitet, Zusammenlauf veranlaßt, die Obrigkeit oder bewaffnete Macht in Bewegung setzt".)
Nürnberg, 28. Febr. Nach einer Meldung des „Frank. Kuriers" aus Kitzingen brach in der Nacht in der Aktienbraucrei vorm. Ehmann Großfeuer aus. Das Feuer sprang auf den Turm der katholischen Kirche und äscherte ihn bis auf die Umfassungmauern ein. Die Glocken schmolzen. Das Eisen- und Holzwerk wurde vernichtet. Die Kirche selbst ist unversehrt. Personen wurden nicht verletzt.
Cronberg, 2. März. Der König von England ist heute mittag halb 1 Uhr mittelst Extrazugs nach England zurückgereist. Die Kronprinzessin von Griechenland und die Prinzessin Friedrich Karl von Hessen gaben ihm das Geleit zum Bahnhof. Ferner waren am Bahnhof anwesend Freiherr von Reischach und Graf von Seckendorf, sowie Landrat von Meister. Heute morgen war der König nnr kurze Zeit bei seiner Schwester. Die Kaiserin befindet sich heute ziemlich wohl.
Berlin, 2. März. Eine imposante Kundgebung für die Buren war die vom Verein deutscher Studenten zu gestern abend einberufene von Tausenden besuchte Versammlung, in welcher außer dem Kommandanten Joost und dem Stabskapitän 1>r. Valentin u. a. auch die Abg. Stöcker und Liebermann von Sonnenberg sprachen. Die Versammlung nahm zum Schluß einstimmig eine Resolution an, in der sie dem Bureuvolk, seinem Präsidenten, seinen Generalen Botha und Dewet und seinen im Felde stehenden Kriegern ihre Sympathie aussprachen.
Berlin, 2. März. Der Kommandant der Iltis, der bei der Beschießung der Taku-Forts schwer verwundet wurde, Kapitän La ns, ist, wie der „Lokal-Anz." aus guter Quelle erfährt, so weit wieder hergestellt, daß er am 1. April seinen Dienst im Admiralsstab der Marine antreten wird.
Paris, 3. März. Der „New-Iork-Herald" berichtet aus Rio de Janeiro die Verhaftung von 20 Italienern, welche beschuldigt werden, an einem Komplott beteiligt zu sein, welches bezweckte, denKönig vonItalien zu ermorden. Die Gefangenen haben einen ihrer Kameraden der Polizei angezeigt, welcher Montevideo verlassen hat, um sich nach Genua cinzuschiffen. Er soll den Auftrag
haben, den königlichen Palast in Rom mit Dynamit in die Luft zu sprengen. Die italienische Polizei hat eine strenge Ueberwachung des Hafens von Genua angeorduet, um den Betreffenden im Falle seiner Ankunft sofort festzunehmen.
London, 2. März. Aus Hopetown wird gemeldet: Dewet versuchte neuerdings den Oranjefluß bei Prakkier zu überschreiten. ES ist dies auch wirklich mehreren kleinen Abteilungen Dewets gelungen, aber das Gros der Truppen konnte den Fluß nicht überschreiten und befindet sich in der Umgebung von Prieska. Oberst Plumer, welcher Verstärkungen erhielt, hat Dewet verhindert, den Fluß bei Mastricht zu überschreiten. Er hat ihm die letzten Geschütze abgenommen. Der Feind befindet sich in vollem Rückzuge und hätte in die Hände der Engländer fallen müssen, wenn eine englische Kolonne aus Kimberley kommend, den Feind aufgehalten hätte, dem es nunmehr gelang, die Eisenbahn bei Kimberley zu überschreiten. Dewet versucht augenblicklich bei Sanddrift mit Hertzog über den Fluß zu setzen.
Die Wirrer» irr Ehirra.
B erlin, 2. März. Das Vorgehen der Mächte wegen der von China mit Rußland hinsichtlich der Mandschurei gepflogenen Unterhandlungen ist nach den Informationen der „Berl. Neuest. Nachr." dadurch veranlaßt worden, daß China ein auswärtiges Kabinet, anscheinend das japanische von der Pression verständigte, mit der Rußland die Unterzeichnung des von ihm vorgeschlagenen mandschurischen Abkommens zu erlangen suche. Nachdem auf diese Weise die Kabinette amtlich Kenntnis von den schwebenden Verhandlungen erhalten hatten, sahen sie sich veranlaßt, im Interesse der Wahrung ihrer eigenen erheblichen Ansprüche dazu Stellung zu nehmen. Deutschland erstrebt in China keine Gebietserwerbungen, welchen Standpunkt anscheinend sämtliche Kabinette mit Ausnahme Rußlands und Frankreichs einnehmen.
Berlin, 2. März. Aus Peking wird dem „Lokal-Anz." telegraphiert: Da die Chinesen in aller Eile die Straße von Singanfu nach Kaifoeng in Stand setzen, so glaubt man hier, daß sich der Kaiser für eine Zeit lang dorthin begeben werde, aber ohne die Kaiserin. — In Tientsin verschwanden plötzlich die Soldaten Fleischer, Kluge und Bergner, als sie in der Nachbarschaft Vieh aufkauften. Mehrere stärkere Patrouillen durchsuchen nach ihnen die betreffenden Dörfer, aber bis jetzt ohne Erfolg.
Berlin, 3. März. Die „Berl. Neuest. Nachr." melden aus Petersburg: Da der Aufstand im Süden Chinas beendet ist, hat die chinesische Regierung wieder freie Hand für den Norden erhalten. Eingetroffenen Nachrichten zufolge sei demgemäß die Provinz Schaust bereits südlich der großen Blauer mit neuen Befestigungswerken versehen worden. Auch sei ein Armeekorps von 150000 Mann zusammengezogen. ES hat fast den Anschein, als ob diese Nachricht verbreitet werde, um die Verbündeten von Vormärschen und Expeditionen in die Gegend von Singanfu abzuschrecken.
glaube ich, können wir jetzt nichts besseres thun, als Gott zu bitten, daß er uns gnädig in seinen Schutz nehmen möge."
„Ach, Florence, Florence, was hast Du mir angethan," jammerte sie, als wenn sie mich gar nicht gehört hätte.
„Tante," entgegnete mein Liebling, „Mr. Seymour war auf dieses Schiff gekommen, ohne daß ich eine Ahnung davon hatte, doch als ich erfuhr, daß er an Bord sei, freute ich mich, weil ich ihn liebte, ja wirklich liebte und jetzt ist er mein Verlobter! Ach, wie danke ich Gott, daß er bei mir ist!" Mit diesen Worten schlang sie ihre Arme um meinen Hals und weinte bitterlich.
Ich küßte und streichelte ihren an meiner Brust ruhenden Kopf und sprach zur Tante: „Ich schäme mich dessen nicht, was ich gethan habe. Immer und immer würde ich es wieder thun."
Sie sah mich wie geistesabwesend an und murmelte dabei vor sich hin: „Jack Seymour also — nicht Egerton! — Sie sind der Jack Seymour — nicht Mr. Egerton!"
„Schmerzt Sie denn das gar so sehr?" sagte ich betrübt. „Hatte ich nicht ebensoviel Recht hier zu sein, wie Mr. Morecombe?"
Das brachte plötzlich Leben in sie. Eie fuhr auf:
„Schweigen Sie von dem Menschen. — Warum sagten Sie mir nicht gleich, wer Sie sind? — Florence, wie konntest Du mich so schmählich täuschen?
Mein Liebchen hob ihr süßes, thränenüberströmtes Gesicht. „Sage nicht schmählich, Tante. Er bat mich, ich solle sein Geheimnis hüten, und ich that es aus Liebe. Könnte ich nicht viel eher dies Wort gebrauchen in Bezug auf die Anzettelung von Morecombes Begleitung? Und welchen von beiden," rief sie in Extase, „möchtest Du jetzt lieber bei uns haben, — diesen Seemann, von dem Dir Papa ein so falsches Bild entworfen hat, oder jenen Erbärmlichen, dem —"
„Genug, sei still," wehrte die Tante heftig ab. „Ich will nichts weiter hören, ich kann das nicht ertragen! — Mr. Seymour, ich könnte Ihnen »ergeben, wenn Sie nicht — o, mein Gott, mrm Gott! in welch schrecklicher Lage befinde ich mich!" und sie schlug ihre Hände vor das Gesicht, brach in rin herzbrechendes Schluchzen auS und wiegte sich hin und her, als litte sie Todesqualen.
33. Kapitel.
Warten.
Nun war's also heraus. Endlich kannte Tante Damaris meinen wahren Namen, aber es war wie eine Beichte am Rande des Grabes. Was bedeutete meine Liebesjagd, meine Maskerade, angesichts der schrecklichen Not, die den .Strathmore' betroffen hatte?
Mrs. Grant mit ihrer Tochter, gefolgt von der Familie Joice samt Wärterin, kamen jetzt herunter und setzten sich. Es war jammervoll auf die Kinder zu blicken, die sich verwundert und schläfrig umsahen, als könnten sie nicht verstehen, warum man sie aus den Betten gerissen hatte.
„Sie thaten recht, herunter zu kommen," redete ich Mr. Joice an. „In Zeiten der Gefahr ist es eine große Thorheit, wenn die Passagiere den Seeleuten das Deck nicht überlassen, um sich frei darauf bewegen zu können."
„Ich hatte keine Ahnung, daß Sie Seemann gewesen sind," erwiderte Mr. Joice.
„Allerdings, ich war mehrere Jahre auf See," gestand ich etwas kleinlaut.
„Wenn das Schiff sinkt und wir uns in die Boote flüchten müssen, da werden wir wohl alle unsere Sachen zurüälaffen müssen?" fragte die arme alte Mrs. Grant resigniert.
„Sprechen Sie nicht vom Sinken des Schiffes, schrie Tante Damaris.
„Wenigstens jetzt noch nicht," sagte ich. „Leider liegt die ganze Nacht vor uns, aber horchen Sie, noch hört man nicht das Gerassel der Pumpen. Dieselben werden fortwährend gepeilt, und so lange sie stille find, wissen wir, daß kein Wasser durch das Schott gedrungen und das Schiff fest ist."
„Es thut wohl. Sie so reden zu hören," sagte Tante Damaris. „Ich bin überzeugt. Sie würden uns nicht täuschen."
„Das würde ich in der That nicht."
„Wie lange waren Sie zur See, Mr. — Mr. Seymour?" Ich sagte es ihr und fügte hinzu: „Sie dürfen also versichert sein, daß ich genug davon verstehe, um die Gefahr bemessen zu können, und daß ich jeden Augenblick bereit sein werde, für Ihre und Ihrer Nichte Sicherheit zu sorgen und mein Leben in Ihren Dienst zu stellen, wenn es die Umstände erfordern sollten." (Forts, folgt.)