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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Seine Majestät der König hat die erledigte Pfarrei Feldrennach dem Pfarrer Fechter in Schäftersheim übertragen.
ß Neuenbürg. 27. Sept. Am letzten Sonntag fand im Gasthaus z. Sonne hier eine von nah und fern besuchte Plenar-Versamm- lung d es landwirtschaftl. Bezirks-Vereins und der Viehzucht-Genossenschaft statt. Nach erfolgter Begrüßung der Versammlung durch den Vereinsvorstand Herrn Oberamtmann Hofmann berührte Redner zunächst in kurzen Umrissen diejenigen Aufgaben, die den Verein augenblicklich beschäftigen und kam alsdann auf die im Frühjahr stattgehabte staatliche Rindviehschau zu sprechen. Das Resultat dieser Rindviehschau habe nicht besonders befriedigt' und man sei in den Erwartungen einigermaßen enttäuscht gewesen. Die Resultate in anderen Bezirken seien übrigens mit wenigen Ausnahmen auch nicht günstiger als das Unsrige, so daß unser Bezirk nicht gerade zurückstehc. Ueber- haupt lägen die Verhältnisse in Beziehung auf die Viehzucht bei uns ungünstiger als anderswo, weil Großgrundbesitz nicht vertreten und fette Waiden nicht vorhanden seien; man habe durchweg mit kleinbäuerlichen Verhältnissen zu rechnen, in denen die Opferwilligkeit für Besserung der Viehzucht wegen Mangels an nötigem Betriebskapital keine große sein könne und das Vieh selbst zu viel zur Arbeit herangezogen werde. Die Bestrebungen des Vereins seien fortwährend aus Hebung und Veredlung der Viehzucht gerichtet und es habe der Verein im vorigen Jahr eine Anzahl Kalbeln von dem gegenwärtig besonders bevorzugten Simmenthaler Schlag eingeführt und an Mitglieder abgegeben. Dieses Jungvieh habe im Allgemeinen sehr befriedigt, doch seien greifbare Resultate durch die Einfuhr rassenreinen Viehes erst dann zu erwarten, wenn ein gleich gutes Material an Farren mit Hand in Hand gehe, in welcher Beziehung der Verein die Einfuhr von Simmenthaler Farren ebenfalls ins Auge gefaßt habe.
Hierauf gelangten die bei der staatlichen Rindviehschau im Juni 1892 zuerkannten Geldpreise zur Verteilung. Dabei erhielten Preise
a. für Farren: III. Preis (100 vkL) Gottlob Seibold in Maisenbach, IV. Preis (80 -4L) Jak. Fr. Gann in Salmbach und Ulrich Rentjchler in Beinberg;
b. für Kühe: je einen IV. Preis (60 Gemeindepfleger Stahl, Oberlengenhardt, Julius Bischofs, Langenbrand, Christian Lötterle und Michael Maisenbacher, Kapfenhardt.
Oberamtstierarzt Böpple referierte über den Stand der im letzten Jahr gegründeten Viehzuchtgenosfenschaft. Dieselbe sei gegründet worden im Juli 1891 unter dem Beitritt von 177 Mitgliedern und es seien an Tieren in das Herdbuch ausgenommen worden: 138 St. Kühe und Kalbinnen und 25 St. Farren. Auf 1. Juni 1892 habe dann betragen die Zahl der Mitglieder 190, die Zahl der in das Herdbuch eingetragenen Tiere 139 St. Kühe und Kalbinnen und 6 St. Farren, von welch letzteren bei der staatlichen Rindviehschau 3 St. prämiirt worden seien. Wenn dieser Stand auch als günstig bezeichnet werden könne, so beklagt Redner doch die geringe Stabilität in dem Besitzstand der Tiere. Redner weist unter Anderem nach, daß von den 138 bei der Gründung der Genossenschaft aufgenommenen Kühen und Kalbinnen nicht weniger als 58 Stück durch Verkauf, Notschlachtung, Entartung des Körperbaues u. s. w. abgegangen und an deren Stelle 59 zugegangen seien. Besonders auffallend sei der Wechsel bei den Farren, bei welchen von 25 Stück sogar 20 St. abgegangen seien. Redner schildert alsdann die Vorzüge der Viehzuchtgenosfenschaft und betont, daß nur durch eine solche größere Bereinigung auf die Hebung und Veredlung unseres Viehstandes nachhaltig eingewirkt, dem Vuhbesitzer aber leichterer An- und Verkauf und günstigere Preise verschafft werden können. Diese Vorteile können natürlich sich nicht von Anfang an sondern erst nach und nach äußern, cs sei vor Allem aber gemeinsame unermüdliche Arbeit, ein einträchtiges Zusammenwirken aller Kräfte not
wendig, um etwas zu erreichen; jeder Einzelne t müsse zu seinem Teil und nach seinen Kräften ' eineStütze der Genossenschaft bilden und nichtalles von der Vereinsleitung erwarten. Bisher sei zwar von diesem Gemeinsinn wenig bemerkbar gewesen, vielmehr habe sich eine gewisse Flauheit geltend gemacht, namentlich dann, wenn die geringen 1 ^ betragenden Mitgliederbeiträge einzuziehen gewesen seien. Weiter kam Redner auf die Farrenhaltung zu sprechen und bezeichnet die Mißstände, die bei diesem wichtigsten Teil der Viehzucht zu Tage treten. Verwerflich sei namentlich der häufige Wechsel, den die Besitzer um jeden, auch des kleinsten Gewinnes willen eintreten lassen; es sei dies aber nur eine Folge der bei den Gemeinden üblichen allzugroßen Sparsamkeit. Bei den Verpachtungen werde weniger auf die Qualität der Pächter als darauf gesehen, wer das billigste Angebot macht, anstatt daß demjenigen die Farrenhaltung übertragen werde, welcher die beste Garantie dafür bietet.
Einen äußerst lehrreichen Vortrag hielt alsdann Herr Oberamtsboumwart Weiß von Ottenhausen über die Bekleidung der Hauswandungen mit Zwerch-Obstbäumcn unter Vorzeigung ausgezeichneter Spalierfrüchte, sowie über die zur Verbreitung im Bezirk vorzugsweise geeigneten Obstsorten. Redner weist u. A nach, daß cs durch die Spaliernbstzucht möglich sei, jedes Jahr Früchte zu erziehen, da dieselben vor der Ungunst der Witterung geschützt werden können. Diese Obstzucht sei auf Plätzen möglich, die andernfalls ertraglos seien; es seien Hauswandungen von Gebäuden, Mauern rc. geeignet und es mache immer einen wohlthuenden Eindruck, ein Gebäude mit Reben und Bäumen bepflanzt zu sehen. Bezüglich der Lage sei im unteren Teile des Oberamtsbezirks zu empfehlen auf Ost- und Westseiten Kernobst, auf der Südseite dagegen Reben und Pfirsiche. In hoher Lage sei blos Kernobst zu empfehlen. Als Unterlagen zur Veredelung von Zwerchbäumen eignen sich für den Birnbaum Quitten, für den Apfelbaum Splitt- und Paradies-Stämmchen. Andere Unterlagen eignen sich für die Erziehung von Zwerchbäumen nicht. In der Auswahl der Sorten sei vornehmlich auf solche Bedacht zu nehmen, deren Früchte vom Monat Juli bis April tafelreif werden, so daß für jede Saison Früchte vorhanden seien. Auf die Behandlung der Zwerchbäume sei etwas mehr Sorgfalt zu verwenden, als auf andere Bäume. Um regelmäßige Formen der Bäume zu erziehen, sei der Frühjahrs- und Sommerschnitt unerläßlich; zum weiteren Fortkommen sei geeignete Düngung und reichlich Wasser notwendig, weil die Bäume vermöge ihres geschützten Standortes vom Regen weniger erreicht werden. Im Frühjahr sei Schutz gegen Fröste sehr anzuempfehlen. Als für den Bezirk besonders geeignete Obstsorten für Hochstammfrucht, vornemlich für den Obstbau auf dem Lande, empfiehlt Redner die Ananas-Reinette und Baumann's-Reinette als im Bezirk noch wenig bekannt und eingeführt. Beide Obstsorten liefern nach des Redners eigener Erfahrung außerordentlich große Erträge. Zum Schluß, macht Redner noch Mitteilung über die Veredlung der von Ungarn eingeführten eßbaren Vogelbeere (Süß-Eberesche). Diese Frucht sei größer als unsere Vogelbeere und sehr wohlschmeckend und sei zur Verbreitung als Genußmittel für die Menschheit von der ungarischen Regierung sehr empfohlen. Von dem Redner werden zur Zeit in verschiedenen Lagen des Bezirks mit der Einführung dieser Vogelbeere Beobachtungen angestellt, es stehe aber das Resultat noch aus.
Die auf der Tagesordnung gestandenen Wahlen brachten wenig Veränderungen. Bezüglich der bisher vereinigten Sekretärs- und Kassierstelle wurde beschlossen, diese Stellen künftig zu trennen. Durch Akklamatron wurden für die Jahre 1893, 1894 und 1895 gewählt: zum Vorstand Herr Oberamtmann Hofmann, zum stellvertretenden Vorstand und Kassier Oberamtstierarzt Böpple, zum Sekretär Oberamtspfleger Kübler, zu Ausschußnntgliedcrn Schultheiß Glauner, Gräfenhausen, Sonst. Weiß, Ottenhausen, Müller Bätzner, Birkenfeld, Schultheiß Knöller, Neusatz, Schultheiß Bertsch, Jgels-
t loch, Schultheiß Rentschler, Schömberg und Fr.
«Treiber z. Windhvf, Wildbad: zu Delegierten desGau - Ausschusses: V. Weiß, Ottenhausen, Schultheiß Glauner, Gräfenhausen und als Stellvertreter: C Zeltmann, Dobel, Schultheiß Fischer, Langenbrand.
Der Verlauf der Versammlung war ein recht anregender und belehrender und es wäre nur zu wünschen, daß die Beteiligung an solchen Versammlungen eine allgemeinere wäre, um die davon ausgehenden Anregungen möglichst zu verbreiten. Die Aufgabe des landw. Vereins besteht doch einzig und allein darin, den Interessen der Landwirtschaft zu dienen und man sollte deshalb billigerweise erwarten dürfen, daß auch die Landwirte ein reges Interesse an dem Verein bethätigen. Die Erfahrungen des letzten Jahres sind nicht geeignet, die Hände in den schoß zu legen. Man denke doch an die im deutschen Reiche eingetretene Aenderung in der Handelspolitik. Die neuen Handelsverträge haben den Schutz, den die Landwirtschaft bisher von staats- wegen genossen hat, wesentlich herabgemindert, so baß der Landwirt mehr aus seine eigene Kraft angewiesen ist. Hieraus ergiebt sich für die Landwirte die Notwendigkeit freiwilliger Vereinigung, um in gemeinsamer Vertretung der Interessen dasjenige leichter zu erreichen, was der Einzelne weniger leicht zu erreichen vermag.
Wildbad, 30. Sept. Die offizielle Bad- Saison findet mit dem heutigen Tage ihren Abschluß. Man blickt allgemein mit Befriedigung auf die diesjährige Frequenz zurück. Mit Rücksicht auf die noch anwesenden Kurgäste und die so milde Witterung dieses Spätsommers bleibt das Neue König-Karlsbad noch bis 15. Oktober im Betrieb und es sind namentlich die Heißluft- und Dampfbade-Räume je Vormittags benützbar; das sog. Bürgerbad im K. Kbtharinenstifl bleibt wie seither auch den Winter über geöffnet.
Calw, 28. Sept. Am gestrigen Abend hielt Hr. Dekan Braun im Ev. Männerverein vor den zahlreich versammelten Mitgliedern einen höchst belehrenden Vortrag über die Sozialdemokratie. Redner entrollte ein Bild ihrer Entwicklung, erwähnte der Gründer der sozialistischen Bereinigungen, sowie deren mehr oder weniger radikalen Richtung und kam schließlich auf die von der sozialistischen deutschen Arbeiterpartei Deutschlands angestrebten kollektivistischen Produktionsweise zu sprechen, deren Wesen darin besteht, daß nur noch in genossenschaftlichen Kollektivunternehmungen produziert werde, in welchen jedes Eigentum Kollektiveigentum der Gesellschaft ist und der Ertrag an die Arbeiter gerecht verteilt werden soll. In überzeugender Weise führte der Hr. Vortragende hiegegen eine Menge Gründe an, welche der Erreichung dieses Ziels sowohl, wie dem Bestände entgegenstehen; auch Hr. Stadtpfarrer Eytel gab einen Beitrag hiezu. Hr. Professor Haug machte den Anwesenden Mitteilungen aus dem ultrvmontanen Lager.
* Pforzheim, 30. Sept. In der Dampfschreinerei von Veiel in der Pfarrgasse brach gestern abend nach 7 Uhr plötzlich Feuer aus, das aber infolge des starken Qualms alsbald bemerkt wurde und mit Hilfe der Wasserleitung rasch wieder gelöscht werden konnte. Bekanntlich wurde kürzlich (in der Nacht vom 24.Z25. Aug.) auf dem Lagerplatz desselben Anwesens ein Brandstiftungsversuch gemacht.
Deutsches Aeich.
Nach den neuesten Mitteilungen soll der preußische Finanzminister vor einem Defizit von 86 Millionen stehen, da die Einnahmen ebenso stark zurückgegangen als die Ausgaben gestiegen seien. Dieses Defizit wird wohl den preußischen Landtag zu möglichst rascher Annahme der neuen Steuerreform Miguels veranlassen. Diese Steuerreform macht übrigens das bisherige Landtagswahlsystem in Preußen einigermaßen hinfällig; man muß eine andere Klasseneinteilung mindestens machen, um nicht einigen wenigen sehr reichen Leuten die Gelegenheit zu bieten, daß sie sozusagen allein zahlreiche Abgeordnete ernennen. An Vorschlägen zu einer Reform des Landtagsmahlrechts fehlt es in den Zeitungen nicht; eine diesbezügliche Vorlage soll seitens der