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Unterhattender Heit.
Unter blendender Hülle.
Von Gustav Höcker.
(Fortsetzung 3.)
„Wenn's nur Frau Bredow nicht noch herausbringt!" befürchtete Jette. „Sie frug mich gestern, warum Du gar nichts mehr ablieferst und was Du eigentlich treibst. Ich wußte nicht, was ich antworten sollte, und wäre in die größte Verlegenheit geraten, hätte ich nicht glücklicherweise von etwas reden können, was ihre Lust zu weiteren Fragen verleidete."
„Kann mir's denken was das war," sagte Kandier spöttisch; „wahrscheinlich die kleine Liebesseene, die Du am Sonntag Abend hier am See zwischen Rudolf und der „Schwarzen", wie Du die neue Ladenjungfer nennst, belauscht hast. Es wäre besser gewesen, Du hättest den Mund gehalten. Was geht die Sache Dich an?"
„Sehr viel!" widersprach Jette heftig. „Soll ich etwa ruhig zusehen, wie die Schwarze mit ihren Verführungskünsten den Frieden und die Ruhe einer Familie untergräbt, in der ich gehalten wurde wie das Kind des Hauses? Das wäre ein schlechter Dank!"
„Zuletzt liefe das ganze Unglück doch nur auf eine Heirat hinaus," entgegnete Kandler in müdem Tone, „bei der mehr gewonnen als verloren würde. Ein armes, schönes Mädchen, dessen Familie vielleicht durch unverschuldetes Unglück herabgekommen ist, bekäme einen reichen Mann; Vater Bredow würde gegen die Schwiegertochter auch nichts einzuwenden haben, denn der sagt lieber Ja als Nein, soweit er überhaupt etwas sagen darf, und so bliebe als einzige Unglückliche nur Frau Bredow übrig, und die verdient mit ihrem Geldstolz und ihrer gemeinen Habsucht wahrhaftig keine Rücksichten."
„Es zeugt aber doch von einer großen sittlichen Verkommenheit," rief Jette entrüstet, „wenn ein Mädchen, das obendrein noch gebildet sein will, sich mit einem jungen unerfahrenen Manne in ein heimliches Liebesverhältnis einläßt."
„Unerfahren? Hm! Rudolf ist wohl sogar ein Par Jahre älter als das Mädchen. Und fast alle Ehen haben mit heimlichen Liebesverhältnissen begonnen. Einmal muß man sich's doch sagen, daß man sich liebt, und selbst gebildete Leute pflegen das nicht zu thun, wenn Andere dabei sind. Aber Du hast nun einmal auf die Schwarze einen furchtbaren Haß geworfen — und ich weiß auch warum."
„Nun, warum denn?" fuhr Jette herausfordernd auf. In diesem Augenblicke erschien draußen vor dem offenstehenden Fenster, hinter welchem Kandler am Tische saß, das aufgeregte Gesicht einer Nachbarin.
„Wißt ihr auch das Neueste? rief sie hastig herein. „Soeben hat man Frau Bredow tot in ihrem Bette gefunden. Sie ist ermordet."
„Ermordet?" schrie Jette und setzte schnell das Kind von ihrem Schoße auf den Boden Während ihr Mann sich aufrichtete und die Nachbarin eilig wieder verschwand. „Frau Bredow ermordet — und diese Nacht erst habe ich noch mit ihr gesprochen! Ermordet in ihrem Bette gefunden! — Herr Gott! das Hut die Schwarze gethan! Und am Ende bin ich die unschuldige Ursache, denn wer weiß, was gestern, als ich fort war, zwischen ihr und Frau Bredow vorgegangen ist. O, Du gütiger Himmel!"
„Halte Deine Zunge im Zaume," warnte Kandler, „und laß Deinen Verdacht nicht andere Leute hören, so lange nichts erwiesen ist!"
Die letzten Worte vernahm Jette bereits unter der Stubenthür stehend, durch welche sie gleich darauf verschwand, um dem Schauplatze der Mordthat zuzueilen.
Kandler blieb zurück. In seiner heutigen Stimmung vermochte ihm das schreckliche Ereignis nur wenig Teilnahme abzugewinnen. An der Leiche seines Kindes verlor er sich in dumpfes Hinbrüten. Er wußte nicht, ob er Minuten oder Stunden so verbracht hatte, als Jette endlich wieder zurückkam. Sie lief aufgeregt im
Zimmer hin und her und schlug die Hände ineinander.
„Nun. frug Kandler mit leisem Hohn, „hat man die Schwarze schon abgeführt — Hände und Füße kreuzweise mit Ketten geschloffen?"
„Man sollte es kaum für möglich halten!" rief Jette, diese Worte überhörend. „Es ist ein schrecklicher Fall! das Haus voll Gerichtsbeamte und Polizei! Es ist bereits nach B. telegraphiert worden an die beiden Bredows und ans Landesgericht."
Sie trat an das Lager des toten Kindes, ergriff dessen kalte Hand und sagte: „Nun ist Frau Bredow den gleichen Weg mit Dir gegangen, Fritzchen, und gestern Abend wollte sie Dir noch helfen!"
Kandler begann sich für das Ereignis zu interessieren. Sein Blick ruhte gespannt auf seiner Frau, die nun folgendes berichtete:
„Frau Bredow ließ sich heute Morgen um die gewohnte Stunde nicht blicken. Justine, die Köchin, hatte nicht einmal in die Küche gekonnt, um den Kaffee zu kochen; sie hatte nach ihrer Gewohnheit am Glasabschluß geläutet, der die Bredow-Wohnung von der Treppe trennt, aber es wurde nicht geöffnet. Als sie später noch mehrere Male läutete, daß fast die Klingel ab- rieß, und drinnen sich noch immer nichts rührte, wurde sie ängstlich und erzählte es einem Polizeidiener, der gerade im Laden war. Der meinte, es könne der Frau etwas passiert sein; man müsse die Thür durch einen Schlosser öffnen lassen. Der Schlosser wurde geholt, und der Polizeidiener, der dageblieben war, ging mit hinauf. Die Vorsaalthür war geöffnet. Das Schlafzimmer war^wie gewöhnlich, unverschlossen. Frau Bredow lag im Bette. Ihr Hals — es schaudert mich, das Wort zu sagen — ihr Hals war mit einem seidenen Tuche zusammengeschnürt. Die Frau war erwürgt! Ihre goldene Uhr, die sie jeden Abend auf das Nachttischchen neben dem Bette legt, lag am Boden. Das Uhrglas war zerbrochen. Wahrscheinlich wurde die Uhr herabgeworfen, als die Mpächliche Frau mit ihrem Mörder kämpfte, iMMt, ein Kampf hat stattgefunden. Vor der lAwürgten lag auf dem Bette eine Westenkravate, wie die Herren sie über dem Chemiffet^zu tragen pflegen; eine Busennadel mit einem Pferdekopf steckte darin; das Gummischnürchen, womit die Kravate oben am Hemdknopfe befestigt wird, war abgerissen, ohne Zweifel von Frau Bredow. als sie in der Finsternis nach dem Mörder griff. Dann hat sie ihn bei den Haaren gepackt, denn zwischen den Fingern ihrer beiden Hände hielt sie ausgerupfte Haare. Die Haare waren rot und die Westenkravatte gehört Züllicke, ich kenne sie sammt dem Pferdekopfe so genau, wie das Kleid, welches ich anhabe, und auch andere Leute kennen sie."
„Züllicke!" rief Kandler, starr vor Staunen.
„Ja, Züllicke," bestätigte das Unglaublichscheinende, „ein Mensch, mit dem ich vier Jahre lang hinter dem gleichen Ladentische stand und von dem ich glaubte, er könne kein Wässerchen trüben. Er hat gestern Nachmittag mit Frau Bredow einen heftigen Auftritt gehabt. Er hatte wieder einmal einen Abstecher in's Braushaus gemacht, und darauf ist ihm von Frau Bredow. die ihm das schon oft verboten hat, die Stelle gekündigt worden. Es sind bereits mehrere Zeugen vernommen worden, die gerade im Laden waren, als dies geschah. Nun hat er sich gerächt."
„Hat er die That eingestanden? frug Kandler, der fortwährend den Kopf schüttelte.
„Er ist gar nicht da. Gestern Abend um zehn Uhr hat die Schwarze noch Licht in seinem Zimmer gesehen. Sie hat dasselbe Mansardenzimmer, welches ich bewohnte, nach dem Garten hinaus. Züllicke's Zimmer ist durch ein paar Kammern, worin Waarenvorräte lagern, davon getrennt, aber wenn er Licht brennt, kann man das deutlich an dem Hellen Scheine sehen, der aus seinem Fenster auf den gerade davor stehenden Nußbaum fällt. Fortgehen hat ihn Niemand hören, und wundert mich auch nicht, denn wenn er Abends ausging, schlich er sich immer wie ein Dieb davon und wußte auch ge
räuschlos die Hausthür zu öffnen, damit Frau Bredow ihn nicht hören sollte, die auf ein strenges Hausregiment hielt. Wie es scheint, hat er nichts mitgenommen als die Kleider, die er auf dem Leibe trug."
(Fortsetzung folgt.)
(Eine Skelettfabrik.) Zu den sonderbarsten Geschäftszweigen gehört sicherlich die Skelett fabrik in St. Denis bei Paris. Im Laboratorium sitzen an langen Tischen die „Fabrikarbeiter", die sorgfältig die vorher in großen Kesseln ausgekochten Menschenknochen abschaben und glattstreichen. Ist das geschehen, so werden die Knochen weiß gemacht und zwar entweder mittels Kalkchlorür, das ihnen eine weißgebleichte Färbung verleiht, oder indem sie der Sonnenwärme ausgesetzt werden; das letztere Verfahren, das zwar einfacher ist, aber länger dauert, gibt den Knochen Elfcnbeinweiße. Die mit Chlorür gebleichten Knochen werden zur Anfertigung billiger Skelette verwandt, während aus Knochen der zweiten Gattung nur Luxusskelette gefertigt werden. Das geschieht, indem die Knochen geschickt zusammengepaßt auf Mefsingdraht gezogen und von „Spezialisten" ordnungsgemäß aneinandergereiht werden. Die letztgenannte Arbeit erfordert außer einer großen Kenntnis der Knochenkunde auch einen gewissen künstlerischen Geschmack, denn es handelt sich darum, aus einer Sammlung beliebiger, verschieden gestalteter Knochen diejenigen auszuwählen, die wenigstens annähernd so zuiammenpaffen, daß sie aussehen, als stammten sie von einem und demselben Individuum. Als Kuriosum verdient erwähnt zu werden, daß auf den Wert der Knochen das Geschlecht einen großen Einfluß hat; denn ein Männerskelett kostet 25 v. H. weniger als ein Frauenskelett. Die Damen werden also noch nach dem Tode besonders geschätzt.
(Einer der größten Diamanten der Welt) wird jetzt in Antwerpen geschliffen. Er wiegt jetzt 474 Karat, büßt aber durch das Schleifen 274 Karat ein. Der Diamant, welcher die Größe und Gestalt eines Taubeneis haben wird, wird nur 80 Karat weniger als der „Großmogul" , aber 3 Karat mehr als der russische Diamant „Orloff" haben. Das Schleifen dieses Steines wird sehr teuer sein: das Schleifen des Diamanten „Kohinor", welcher 102'/r Karat schwer war, hat 201 600 Fr. gekostet.
(Banknoten als Heizmaterial). In der englischen Zeitschrift Jron liest man: Einen ganz eigenartigen Anblick erlebte man kürzlich in einem Hafen des Mittelmeeres, wo Banknoten als Heizmaterial für einen Dampfer gebraucht wurden. Ganze 45 Säcke der anscheinend wertvollen Papiermasse wurden in die Oefen vor den entsetzten Augen der Heizer geworfen. Wie gern hätten sie eine Hand voll herausgeholt! Die Banknoten waren entwertete Noten der Bank von Algier, deren Direktor der Verbrennung der einstmaligen Schätze persönlich beiwohnte.
(Das Beste.) „Nun sind Sie wohl schon etwas in unserer Stadt herumgewesen. Was gefällt Ihnen denn bei uns wohl am besten?" — „Aufrichtig gestanden, daß man zwölfmal am Tage mit der Bahn wieder abfahren kann!"
(Ratlos.) Herr (zum Bedienten): Geschwind, Hilfe schaffen, Johann, meine Frau liegt in Ohnmacht! Was besinnen Sie sich denn, um Himmelswillen, so lange? — Bedienter: Ich weiß nicht, soll ich zum Arzt oder zum Juwelier laufen?
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