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konnte daselbst aber sein Geld nicht los werden, weil der Rechtsanwalt nicht zugegen war und die anwesenden Beamten sich zur Annahme des Geldes nicht befugt glaubten. Die Forderung wurde dann einem Gerichtsvollzieher zur Ein­ziehung übergeben und hierdurch entstanden dem Schuldner von neuem 4 ^ Kosten. Zur Trag­ung dieser Kosten wollte der Schuldner aus dem angegebenen Grunde sich nicht verstehen und klagte. Die Klage wurde abgewiesen. In den Enlscheidungsgründen wurde der Grundsatz aus­gestellt, daß ein Rechtsanwalt nicht verpflichtet sei, außer seinen eigentlichen Sprechstunden auch während der Bureaustunden anwesend zu sein oder zur Annahme von Geldern berechtigte Personen auf seinem Bureau zu halten. Kläger hätte, wenn er nicht die Post zur Zahlung seiner Schuld benutzen wollte, den Rechtsanwalt in seinen Sprechstunden aufsuchen müssen.

Württemberg.

Stuttgart, 24. Febr. Zur Feier des Geburtsfestes Sr. Mas. des Königs Wilhelm II. hielt gestern abend Dr. Koch imkathol. kauf­männischen Verein Lätitia" einen Vortrag über die Resultate der assyrisch-babylonischen Ent­deckungen für die Bibel". Redner geht aus von dem Angriffe, die vor und nach dem Jahre 1800 gegen die Geschichtlichkeit der hl. Schriften vor­gebracht wurden und die 1829 den berühmten Berliner Theologen Schleiermacher zu einem bangen Klagruf über das Christentum veran- laßten, und schildert dann die große Bedeutung der in den letzten Jahrzehnten mächtig auf- blühenden orientalischen Altertumswissenschaft, speziell der assyrisch-babylonischen Funde für die Gesamtwissenschaft und in erster Linie für die biblische Exegese. Giebt es noch Punkte, wo zwischen der Bibel und dem alten Maurentum zur Zeit eine Uebereinslimmung nicht festgestellt wer­den kann, namentlich in der Chronologie, so ist das Resultat der assyrisch-babylonischen Entdeck­ungen für das alte Testament, seine Geschicht­lichkeit und innere Wahrheit, im Wesentlichen doch ein ungemein günstiges. Dies wird nach­gewiesen in den Parallelberichten über Schöpf­ung, Sündenfall, Paradies, Sintflut, Turmbau, Völkertafel und Kriegsepisode, dann über die vielfachen Bemühungen des geteilten Reiches Jsrael-Juda mit Assyrien bis zur babylonischen Gefangenschaft.

Stuttgart, 23. Febr- Bekanntlich hat vor einigen Wochen eine vorberatende Ver­sammlung zur Bekämpfung der Auswüchse des modernen Erwerbslebens die Errichtung eines Vereins selbstständiger Kaufleute und Gewerbe­treibender Württembergs in Anregung gebracht und einen provisorischen Ausschuß zur Entwert­ung der Statuten rc. eingesetzt. Nächsten Frei­tag, nachmittags 3 Uhr im Bürgermuseum findet nun die konstituierende Generalversammlung des Württemb. Schutzvereins für Handel-Gewerbe" statt und dürste voraussichtlich von Geschäfts­leuten des ganzen Landes zahlreich besucht wer­den. Die einen fühlen sich von Konsumvereinen, die andern von Hausierern und diesen gleich­zustellenden Detailreisenden, von Wanderlagern, schwindelhaftenAusverkäufen undAuktionen u.s.w. in ihren berechtigten Interessen schwer geschädigt. Um gegen derartige Dinge wirksam anzu­kämpfen, müssen vereinte Kräfte Zusammenwirken. Nur ein großer Verein verfügt auch über die nötigen Mittel und über das moralische Ge­wicht, um endlich einigermaßen Wandel zu schaffen. Die vor einigen Wochen in der ersten Versammlung gefallenen Worte gegen den uner­träglich gewordenen Mißbrauch mit dem sogen. Konsumgeld haben bereits den Erfolg gehabt, daß der Stuttgarter Konsumverein seine Blech­marken einzieht und nach deren Durchlöcherung vom 1. Juli ab als sogen. Gegenmarken aus- giebt. Dieser teilweise Erfolg des erst im Ent­stehen begriffenen Schutzvereins ist nur geeignet nun erst recht Anstrengungen zu machen, um nicht nur das Lieferanlenjystem der Konsum- Vereine, sondern auch die vielfachen Plagen, welche die soliden Geschäftsleute auf dem Lande bedrücken, mehr und mehr einzuschränken und endlich ganz aus der Welt zu schaffen. Nicht

nur die höchsten Staatsbehörden, parlamentar­ischen Körper rc. sind für die Beschwerden der Geschäftsleute zu interessieren und über die wirk­lichen Verhältnisse aufzuklären, sondern auch auf die gesamte öffentliche Meinung muß fortgesetzt eingewirkt werden, daß diese zu ihrem Teil mit­wirke bei der Beseitigung unerträglich gewordener Zustände. Der Verein, welcher vor allem die Erhaltung und Kräftigung des kaufmännischen und gewerblichen Mittelstandes bezweckt, kann aber wie gesagt seine großen Ziele nur mit mühsamer Arbeit erreichen und muß von dem Vertrauen und der thalkräftigen materiellen und moralischen Unterstützung aller Interessenten getragen sein. In diesem Falle werden ihm auch die Erfolge schließlich nicht fehlen.

Stuttgart, 20. Febr. Gestern abend nach schon eingebrochener Dunkelheit trat ein armer Reisender" in ein Haus der oberen Neckarstraße, um zu fechten. Das Dienstmädchen gab ihm 5 Pfennige, die Gabe scheint dem Mann aber zu gering gewesen zu sein, denn aus Aerger darüber versetzte der Unhold dem Mädchen einen Stich in die Brust. Leider entkam er.

Stuttgart, 23. Febr. Der Lebensmittel- markt beginnt sich wieder zu beleben; junge Ge­müse, wie Brunnen- und Gartenkresse, Ackersalat, Sonnenwirbele in schönster Auswahl; aber auch schon ganz stattliche Frühbeetspargeln, Hopfen. Kaum hat sich das Thermometer etwas über Null gehoben, so treffen auch schon Pflanzen ein. In den Kränzen finden sich prachtvolle Magnolien verwendet. Obst in Menge und in vorzüglicher Beschaffenheit.

Stuttgart Das Schuhwarengeschäft von Chr. Sigle hier Brunnenstraße 1 ist an Hrn. Knoll um den Preis von rund 134000 Mark übergegangen.

Rottenburg, 16. Febr. Ein lOjähriges Pferd, das schon längere Zeit kränkelte, wurde geschlachtet. Hiebei fand sich zwischen Herz und Leber ein glatter, runder Stein in der Größe einer Kegelkugel, der einGewicht von 8 Pfund hatte.

Giengen a. Br., 22. Febr. Knöpfte mit Gold, das ist das neueste Rezept für die Küche der Frauen einer unserer Nachbargemeinden. Saß da dieser Tage eine Familie beim Mittags­lisch, die Knöpfte schmeckten alt und jung präch­tig. als plötzlich der Hausvater das Gesicht ver­zieht: er hatte auf einen harten Gegenstand ge­bissen, der nichts geringeres war als ein 20-^L- Goldstück. Auf welche Weise dasselbe in das betreffende Knöpfte gekommen, war ihm ein Rätsel, das aber bald gelöst wurde. Die liebe Gattin hatte das Goldstück im Mehlsack versteckt gehabt und beim Herausnehmen des für die Knöpfte bestimmten Mehlquantums nicht mehr an dasselbe gedacht. Das Goldstück wurde nun regelrecht gekocht; daß aber gerade der Ehemann dasselbe zu essen bekam, das war der Frau sehr unangenehm.

Ausland.

Paris, 24. Februar. Das Ministerium Rouvier, dessen Bildung gesichert scheint, dürste fast allseitig günstige Aufnahme finden. Unter den Aenderungen dürste nur die von Bedeutung sein, wenn Burdeau in das Ministerium ein- tritt, da dadurch eine wirklich bedeutende Kraft gewonnen würde. Burdeau war Mitglied der französischen Abordnung zum Arbeilerschutz-Kon- areß in Berlin.

Paris, 25. Febr. Rouvier hat end- giltig abgelehnt, ein Ministerium zu bilden. Carnot beruft nachmittags den Unterrichts­minister Bourgeois, welcher der radikalen Partei angehört, zu sich. Das Scheitern des' Versuchs Rouviers, der zuerst vollen Erfolg versprach, macht einen schlechten Eindruck, nament­lich auf die Börse, die in Rouvier das größte Vertrauen setzt.

Basel, 25. Febr. Ueber ein Unglück auf dem Rhein, das fünf Menschenleben kostete, lesen wir in denBasler Nachrichtens: Ein an der Rheingasfe wohnender Wirt fuhr gestern nachmittag mit drei jungen Männern in einem Weidling (Kahn) rheinaufwärts zur Rhein­halle an der Grenzacher Straße und kehrte mit

seinen Begleitern in dieser Wirtschaft ein. Nach 6'/- Uhr abends brach die Gesellschaft auf, be­stieg in Begleitung der Kellnerin, welche in der Stadt einen Auftrag zu besorgen hatte, das Fahrzeug und ließ sich fröhlich nnd singend ab­wärts treiben. Bei der Wettsteinbrücke stieß der Weidling an den linken Pfeiler an und zerschellte, ein Schrei und alle fünf Insassen fielen in den Rhein und wurden nicht mehr gesehen. Das Unglück geschah um 6^/i Uhr abends.

Wermischtes.

(Ein dreifacher Giftmordversuch) wird aus Heinersdorf a. d. Ostbahn, Kreis Frankfurt a. O. gemeldet Der Mühlenbesitzer Orth da­selbst. sowie dessen junge Fran, mit welcher der Erstgenannte seit wenigen Monaten verheiratet ist, und eine Verwandte desselben erkrankten am 8. Februar bald nach dem Mittagessen unter Vergiftungserscheinungen, die der herbeigeholte Arzt auf Arsenik zurückführte. Der Verdacht lenkte sich gleich darauf auf einen Müllerburschen Emil Klein aus Emmaus bei Danzig, welcher seit Anfang d. I. bei O. in Dienst gestanden, von dem Müller aber an dem fraglichen 8. Febr. entlassen worden war. K. hatte sich bis zum Mittag noch in der Mühle aufgehalten und sich geweigcrt, am Mittagessen tcilzunehmen, auch zu anderen Personen Aeußerungen gethan, die darauf schließen lassen, daß er den Giftmordver­such ausgeführt. Der mutmaßliche Thäter ist in München verhaftet worden, der Mühlenbe- sitzer Herr Orth liegt noch bewußtlos darnieder und bleibt es zweifelhaft, ob es den Aerzten gelingen wird, ihn am Leben zu erhalten, während die beiden Frauen bereits wieder her­gestellt sind.

(Millionen-Erbjchaft.) Zwei Brüder Rump, von denen der eine als Geselle bei einem Gabe- buscher Bötlchermeister in Arbeit steht, der andere in Hamburg wohnt, ist eine große Erb­schaft im Betrage von 1800 000 Mark zuge- fallen. Das Vermögen wird schon Jahre lang von der Dresdener Bank verwaltet; es stammt von einem reichen russischen Offizier, der im Jahr 1814 die Tochter eines auf Karlshof nahe bei Lübeck wohnenden Landmanns Rump heiratete. Die Rump'sche Familie, die aus dem Holsteinschen stammt, war in den Freiheitskriegen verarmt.

(Eine Wachtmeister-Rede) Wachtmeister: Sie Einjähriger Lilienthal, drücken Sie Ihre beiden krummen Wagendeichseln dem Königlichen Dienstgaul etwas verständnisinniger an die alten Rippen, damit er nicht so rastlos die Hinter- beine nach allen Richtungen der Windrose in

die Luft schmeißt.-Sie balancieren ja

mit solchen Verlegenheitsgefühlen auf dem Sattel, wie ein desertierter Königlicher Infanterie-Floh auf einem dienstlich gewichsten Hufarenschnurr- bart!

(Zu viel verlangt.) Junge Frau (die einen neuen Hut will, zu ihrem hartnäckigen Ehe­mann): . Du wolltest mir ja Alles an den Augen absehen, Oskar!" Er:Aber, liebes Kind, bedenke doch, daß ich Dir in den letzten vier Monaten schon drei Hüte an den Augen abgesehen habe!" (Fl.Bl.)

Homonym.

Er haust im Wald, ich hörte viel,

Von diesem Schlingel sagen.

Doch sah ich ihn auch manchmal schon Gespannt an einen Wagen.

Der Musensohn muß ihn gut kennen,

Läßt er doch selber sich so nennen.

Ist esder große und der kleine."

So wiegt er sich im Sonnenscheine.

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