96
der Flammen und den schnellen Einsturz des Gebäudes verantwortlich gemacht. Eine Beschließerin des Hotels, die sich durch einen Sprung aus dem Fenster gerettet hatte, sagte aus, sie sei um 2 Uhr nachts, als sie sich eben zu Bett begeben wollte, dem Oberingenieur Härtung auf dem Hausflur des ersten Stockwerks begegnet. Harding, der die Oberaufsicht über die gesamte Feuerung und Erleuchtung des Gasthofs hatte, sei vollständig betrunken gewesen. Anderere Zeugen bestätigen, daß Hardmg schon vor Mitternacht einen gediegenen Rausch gehabt habe.
Hlnt-ryattend-r Heil.
Ein seltsamer Fall.
Kriminalgeschichte von F. Arnefeldt.
(4. Fortsetzung.;
Eine Viertelstunde mochte vergangen sein, die aber Albertine eine Ewigkeit dünkte, da kehrte Katharina in Begleitung eines Schutzmannes zurück. Sie hatte den Letzteren unterwegs zufällig getroffen, ihm den seltsamen Vorfall mit- getcilt und der Wächter der öffentlichen Sicherheit hatte sich ihr angeschlossen. Lag auch noch gar kein Anzeichen vor, daß es sich hier um Dinge handelte, die eine Einschreiten der Polizei nötig machten, so konnte es doch nichts schaden, für alle Fälle sogleich an Ort und Stelle zu sein.
Die Geduld der Harrenden wurde aber noch auf eine harte Probe gesetzt; das Schloß oder vielmehr der dahinter befindliche Nachtriegel spottete der Kunst des Schlossers und es blieb diesem zuletzt nichts übrig, als die Bänder, durch welche die Thür in den Angeln gehalten ward, durchzufeilen und auf diese Weise den Eingang ins Zimmer zu ermöglichen.
Katharina und Albertine drängten sich den beiden Männern voran ins Zimmer und standen doch, kanm daß sie ein paar Schritte vorwärts gethan, unschlüssig still. In diesem Raume herrschte die Ruhe und das Grauen des Todes; Frau Klingenmüller konnte nicht mehr am Leben sein; wäre ihr Schlaf auch noch so tief gewesen, der Lärm, den das Oeffnen und Ausheben der Thür verursacht, hätte sie erwecken müssen.
Der Schutzmann warf nur einen prüfenden Blick durch das Zimmer und eilte dann nach dem Alkoven, der von dem letzteren durch einen dichten Vorhang von dunklem Wollenstoff getrennt ward, welcher aber jetzt zurückgeschlagen war. Ein lautes „Ha!" entfuhr seinem, und der sich ihm darbietende Anblick war auch wirklich geeignet, selbst einen an schreckenerregende Dinge gewöhnten Mann mit Entsetzen zu erfüllen.
Ein kleiner Tisch, den Frau Klingenmüller immer vor ihrem Bette stehen hatte, lag umgestürzt, die darauf befindlich gewesenen Gegenstände, eine Uhr, eine Caraffe mit Wasser, eine Schachtel mit Pulver und eine Nachtlampe bedeckten zum Teil in Trümmern den vor dem Bette liegenden dicken Teppich, den Wasser, das ausgelöste Pulver und Oel zu einer trüben Flüssigkeit gemischt, durchtränkl hatte. Die Bettdecke hing halb heraus, die Kissen waren zerwühlt, Frau Klingenmüller lag, ganz blau >m Gesicht, starr und leblos auf ihrem Lager.
Mit einem gräßlichen Schrei sank Albertine, welche dem Schutzmann gefolgt war, neben dem Bette nieder. Sie sah totenbleich aus, die Zähne schlugen klappernd aufeinander, sie bedeckte das Gesicht mit den Händen, um sich dem schrecklichen Anblick zu entziehen, ließ sie aber, wie von einer unsichtbaren Gewalt getrieben, sogleich wieder sinken und starrte in das entstellte Gesicht der Toten.
„Frau Klingenmüller hat der Schlag gerührt!" schrie Katharina, „ich will den Doktor holen."
Sie wollte aus dem Zimmer stürzen, der Schutzmann hielt sie am Arm fest. „Hier geblieben," raunte er ihr zu; „keiner, der ins Haus gehört, kommt fort, bis die Herren vom Gericht hier gewesen sind. Die Frau rst ermordet!"
„Ermordet!" schrie die Alte. „Unmöglich! Wer?"
Der Schutzmann zog sie ins Zimmer und zeigte den offen stehenden Schreibsekretär. „Wer sich holen wollte, was da drinnen war," murmelte er. „Ist Niemand hier, den ich nach dem Polizeibureau schicken kann?"
„Ich bin mit dem Fräulein ganz allein, der Gärtner ist nicht zu Hause," schluchzte Katharina, „lassen Sie mich doch nur zum Arzt gehen, vielleicht ist sie doch noch zu retten."
„Der hilft kein Arzt mehr, die ist schon lange tot und starr und steif," sagte der Schutz mann mit der Sicherheit, welche die Erfahrung verleiht, „aber meinetwegen, vielleicht thut Ihnen hier der Meister den Gefallen und holt einen."
Der Schlosser erklärte sich dazu bereit,, Katharina nannte ihm den Namen des Arztes, den Frau Klingenmüller in Krankheitsanfällen zu Rate gezogen halte, und der Mann entfernte sich, gefolgt von dem Schutzmann, der bis an den Zaun ging, welcher den Vorgarten von der Straße abschloß und dort zweimal hintereinander einen scharfen Pfiff ertönen ließ. Der Zufall war ihm günstig; ein Kamerad, der in der Nähe gewesen, kam herbei; er übertrug ihm die Meldung auf dem Bureau und ließ dann seine Blicke über den Vorgarten schweifen, um womöglich schon vor Ankunft seiner Vorgesetzten etwas zu entdecken und diesen einen schwerwiegenden Bericht abstatten zu können.
Er fand nicht viel, aber immerhin etliche Anhaltspunkte. Der Gartenzaun war glatt und niedrig und konnte von einem nur einigermaßen geschickten Turner mit Leichtigkeit überstiegen worden sein, falls die darin befindliche Thür wirklich während der Nacht verschlossen gewesen War. In einiger Entfernung von dem Hause lag eine umgestürzte Leiter, nicht weit davon befanden sich die Scheiben eines zerbrochenen Blumentopfes, beide Dinge konnten Spuren des Mörders, konnten aber ebenso gut Folgen des Unwetters der vergangenen Nacht sein; und für die letztere Annahme sprach der Umstand, daß nirgends eine Fußspur zn entdecken war. Allerdings war der Platz vor dem Hause und der Weg von dort bis zum Vorgarten mit weißen und roten Steinen gepflastert, welche der Regen abgespielt hatte.
Der Schutzmann warf einen Blick zum Fenster der Ermordeten empor und ging dann wieder hinauf, um sich den Schauplatz genau anzusehen, fand aber auch dort wenig Anhaltspunkte. Die Fenster waren geschlossen; mit Ausnahme des offcnslehenden Schrankes ließ sich keinerlei Unordnung in dem Zimmer wahrnehmen und die laut schluchzende Katharina bestätigte ihm, daß Alles sich genau in tum Zustande befinde, wie sie es gestern, als sie ihrer unglücklichen Herrin beim Auskleiden behiflich gewesen, verlassen habe.
Er mußte sich mit seinen Fragen an die Dienerin wenden, denn Albertine schien völlig das Bewußtsein für Alles, was um sie her vorging, verloren zu haben. Stumm und starr, mehr einer Bildsäule als einem lebende» Menschen ähnlich, hockte sie in einemMinkel, das thränen- lose Auge unverwandt aus die Tote gerichtet die Lippen mechanisch bewegend, aber kein noch so leiser Ton drang zu dem Ohr der beiden anderen im Zimmer befindlichen Personen.
„Wie kann der Mörder nur hereingekommen sein?" wiederholte der Schutzmann nun wohl schon zum dritten Mal.
„Ich glaube noch immer nicht an einen Mord," behauptete Katharina mit der Zähigkeit, mit welcher ungebildete Menschen an einer einmal gefaßten Meinung festhalten, „Frau Klingen- müller ist vom Schlage getroffen worden."
Und das zerwühlte Bett, der umgestürzte Tisch?" entgegnete der Schutzmann.
„Sie hat sich unwohl gefühlt, ist aufgestanden und dann zurückgefallen, dabei hat sie den Tisch umgcrissen. Meinen Sie das nicht auch, Fräulein? Wer sollte sich denn an unserer armen, guten Frau versündigt haben?"
Sie war bei diesen Worten dicht an Albertine herangetreten, hatte mit ihrer derben, knochigen
Hand deren Arm berührt und sie dadurch aus ihrer Erstarrung aufgerüttelt. Sie fuhr auf. blickte der Alten wie geistesabwesend ins Gesicht und murmelte in unwilligem Tone: „Was fragst Du mich? Denkst Du ich kenne den Mörder?"
„Um unseres lieben Heilands willen. Fräulein, so reden Sie doch nicht so gräßliche Dinge," bat die Alte, „ich sage ja, es ist kein Mord geschehen."
Du hast Recht, es ist kein Mord geschehen, die Tante ist so gestorben." versetzte Albertine aufatmend.
„Und der Knebel im Mund? Der offen stehende Sektrelär?" rief der am Fenster stehende Schutzmann mit einem verwunderten und mißbilligenden Kopfschütteln über die Kurzsichtigkeit der beiden Frauenzimmer dazwischen.
Albertine stieß einen gräßlichen Schrei aus. schlug die Hände vors Gesicht und murmelte leise, »»zusammenhängende Worte, welche das noch scharfe Ohr der alten Dienerin ausfing und welche dieser ein besonderes Grauen einzuflößen schienen. Mit Besorgnis blickte sie auf den Schutzmann, ob der vielleicht auch etwas gehört haben könnte, der schaute jedoch am Fenster stehend auf die Straße und hatte seine ganze Aufmerksamkeit auf das Geräusch eines heranrollenden Wagens gerichtet.
„Da kommt der Doktor und da sehe ich auch den Herrn Polizeilieutcnant!" rief er wie erleichtert aufatmend, denn die Verantwortlichkeit war ihm bereits zu drückend geworden. Er eilte hinunter, um den Herren die Thür des Vorgartens zu öffnen, welche er der Vorsicht halber wieder geschlossen hatte, denn bereits begannen sich vor dem Hause jene Gruppen von Neugierigen zu sammeln, welche die Kunde von einem grausigen Ereignisse herbeiziehr, und von denen der Einzelne auf Befragen Mühe haben würde, zu sagen, wie jene Kunde eigentlich zu seinen Ohren gelaugt sei. Einige der Kecksten unter den Gaffern konnten nur durch ein sehr bestimmtes Auftreten des Polizeilieutenants davon abgehalten werden, mit in das Haus zu dringen. Er ließ einen Mann von den ihn begleitenden Kriminalschutzleuten zur Bewachung der Thür zurück und begab sich, gefolgt von den anderen in Gesellschaft des gleichzeitig mit ihm angelangten Doktor Räbel ins Haus.
(Fortsetzung folgt.;
Wien, 4. Febr. Im Schaufenster einer hiesigen Galanteriewarenhandlung waren seit einiger Zeit kleine Geldtäschchen ausgestellt, die in Silberpressung die Inschrift trugen: „Geldtäschchen aus echter Menschen haut." Oeffnete man das Täschchen, so fand man auf der Innenseite die ergänzenden Worte: „Dürfen nicht angefertigt werden." Ein „Menschenfreund", der (vielleicht aus Besorgnis für seine eigene Haut) mit Schaudern Kenntnis nahm, daß man in einem Wiener Geschäfte Portemonnaies aus Menschenhaut verkaufe, veranlaßte, daß die Polizei einschritt. Der Inhaber des Geschäftes erhielt eine Vorladung zur Polizei, wo man mit heiterem Lächeln von dem Nachsatze Kenntnis nahm, nichlsdestowenigcr aber die Schaustellung der „Menschenhautgeldtaschen" in der Auslage verbot.
Bilderrätsel. (Nachdruck verboten)
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.