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* Calw, 1. Febr. Das Freikonzert deseo. Kirchengesangvereins fand gestern abend im badischen Hofe statt. Die Mitglieder mit ihren Familien hatten sich recht zahlreich eingefunden und lauschten mit Interesse den schönen Vorträgen. Das Programm enthielt Chöre, Soli und Streichvorträge. Sämtliche Vorträge wurden prächtig durchgeführt und es war ein wahrer Genuß so viele und gute Musik hören zu können. Eröffnet wurde die Reihenfolge mit einem frischen Frühlingslied „Wenn der Lenz beginnt" von Mayer, worauf in gediegener Abwechslung die weiteren Vorträge folgten. Unter den Chören heben wir noch hervor den melodiösen Chor „Die Wolke zieht" von Burkhardt. Ein Sopransolo „Auf Flügeln des Gesanges" von Mendelssohn, vorgetragen von Frl. Fanny Zilling und ein Tenorsolo „Waldkönigin" von Burwig, gesungen von Hrn. W. Schwämmle wurden vorzüglich wiedergegeben und von den Zuhörern sehr beifällig ausgenommen. Hr. Kameral- verwalter Völker aus Hirsau trüg auf dem Violoncello ein Stück „Aus Lohengrin" von R. Wagner und Hr. Musikdirektor Höfer auf der Violine die sehr.dankbare Berceuse von Godard und eine flotte Mazurka von Ulinarski vor. Auch diese Vorträge zeugten von feinem Verständnis und guter Schulbildung und fanden die günstigste Aufnahme, Hr. P. Höfer, den wir zum ersten Mal bei einem öffentlichen Konzert hörten, hat sich als sehr gewandter Violinspieler und feinfühliger Musiker gezeigt, ^ein Spiel war ein Beweis von reichem Wissen und Können. Rühmend haben wir auch noch das Streichquartett zu erwähnen, das durch sein schönes Zusammenspiel das Programm in jeder Weise bereicherte. Die Klavierbegleitungen wurden teils von Frl. Gaßner teils von Hrn. Schullehrer Vintzon übernommen und in bekannt feiner Weise durchgeführt. Nach Beendigung des Programms folgte noch eine ganze Reihe von Vorträgen. Zum Schluß ergriff Hr. Dekan Roos das Wort, um allen Mitwirkenden, besonders auch dem unermüdlichen, ganz der schönen Sache sich hingebenden Dirigenten, Hrn. Friedrich Gundert, den wohlverdienten Dank für den genußreichen Abend auszusprechen und dem Verein weiteres Gedeihen zu wünschen. Wir schließen uns den Worten des Redners vollständig an mit der Bemerkung, daß der Kirchengesangverein an diesem Abend sehr Gutes geleistet hat und daß die Zuhörer hochbefriedigt über die Aufführungen sich äußerten.
Calw. Am Montag, den 4. Febr., wird die hies. Bäckergenossenschaft ihre Generalversammlung abhalten. Aus Anlaß derselben ist der Genossenschaft wieder ein Ehrengeläute zugebilligt worden. Ueber diesen alten Brauch ist in der „Geschichte der Stadt Calw", von Archivrat Dr. P. Fr. Stälin, folgendes zu lesen:
„Der Bäckerzunft wurde der Ueberlieferung zufolge von Kaiser Leopold I. an ihrem Jahrestage ein Ehrengeläute verliehen, weil bei der Belagerung Wiens durch die Türken im I. 1683 ein Bäckergeselle von Calw während seinem nächtlichen Geschäft die unterirdischen Arbeiten der türkischen Minierer belauschte und rechtzeitig so genaue Anzeige erstattete, daß schnell Gegenarbeiten gemacht werden konnten, welche Wien retteten; das früher von 12—1 Uhr übliche Geläute ist neuerdings auf eine Viertelstunde beschränkt worden."
Möttlingen. Eine von der Ortsbehörde veranlaßte Sammlung zu Gunsten der Frauen und Kinder der kriegführenden Buren ergab die schöne Summe von 80
S tuttgart, 31. Jan. Se. König!. Majestät haben dem Oberstleutnant a. D. Frhr. v. Moltke in Hirsau anläßlich der Feier seines 70. Geburtstags Allerhöchst Ihre Glückwünsche aussprechen zu lassen geruht.
Stuttgart, 31. Jan. Se. Maj. der König hat den Geheimen Archivrat vr. v. Stälin zum Direktor deS K. Geh. Haus- und Staatsarchivs ernannt.
— Der „Albbote" berichtet fast unglaubliches in folgender Notiz: Letzten Samstag kaufte ein Metzgermeifter von Horb von Frhrn. v. Münch ein Kalb. Als der Meister sein Pferd, das er im Stalle des Münch eingestellt hatte, eben herausführen wollte, fiel plötzlich ein Pferd Münchs zu Boden und verendete nach ganz kurzer Zeit. Münch, der gerufen wurde, stürzte sofort ohne weiteres auf den Metzger los und schlug ihn mit den Worten: „Du Lump, du hast mir mein Pferd vergiftet, ich werde dich heute noch anzeigen", wiederholt mit beiden Fäusten ins Gesicht und auf den Kopf. Der Angegriffene setzte sich nicht zur Wehre, weil er befürchtete, Münch könnte ihn dann niederschießen. Der Verletzte hat sofort Strafantrag gestellt.
Berlin, 30. Jan. Das Berliner Tageblatt meldet aus London: Der Kaiser verblieb gestern den ganzen Tag in Osborne in Zurückgezogenheit und machte nur einen zweistündigen Spaziergang im Park. Der Kronprinz und der junge Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha besuchten gestern Ventnor und frühstückten dort. Auch heute ist der Kaiser nicht nach London gekommen, sondern in einem gewöhnlichen Zuge nach Ventnor gefahren. Die Behörden in Port Viktoria wurden gestern benachrichtigt, daß die Hohenzollern dort eintreffen wird, um den Kaiser für die Rückreise nach Deutschland einzuschiffen.
Berlin, 31. Jan. Das Berliner Tageblatt meldet aus London: KitchenerS Meldung von der Zerstörung der Mine von Modderfontein in Vanrhyns hat nachdem hier ein so großes Aufheben von einer starken Randminen-Schutztruppe gemacht wurde, geradezu verblüfft. Auch die Ausrufung des Königs in Pretoria als oberster Herr von und über Transvaal erfährt hier die widersprechendste Deutung. Die ministeriellen Blätter sehen darin die Absicht, die Souveränität in vollstem Umfange des Wortes zu proklamiereu, während die Liberalen meinen, damit sei die Thür zu jeder Art von Kompromiß offen gelassen und die innere Unabhängigkeit Transvaals könnte unter dieser Form zugestanden werden.
— Der Krefelder Bürgerzeitung, deren Chefredakteur seiner Zeit längere Audienzen beim Präsidenten Krüger in Köln hatte, wird auf Grund vorzüglicher Informationen bestätigt, daß that- sächlich Kaiser Wilhelm die Friedensvermittlung zwischen England und Transvaal übernehmen, alsbald nach seiner Rückkehr nach Berlin diesbezügliche Schritte einleiten und Krüger dort empfangen werde.(?)
Brüssel, 31. Jan. Dr. Leyds erklärte
einem Vertreter der Etoil belge, die Buren würden einen Friedens-Vorschlag überhaupt nur dann in Betracht ziehen, falls dieser von England selbst und ohne jede andere Vermittelung gemacht würde. Die Buren seien entschlossen, dis ans Ende zu kämpfen und dächten überhaupt nicht an die Eventualität einer Uebergabe. Der Gesandte dementierte ferner das Gerücht, nach welchem die Transvaal-Gesandtschaft nach Amsterdam oder dem Haag verlegt werden solle.
London, 30. Jan. Nach einer Meldung aus Kapstadt dringt Dewet nach Süden vor und wirbt zahlreiche Anhänger an. Er scheint eine endgiltige Aktion vorzubereiten. Ein bedeutendes Kommando hat Transvaal verlassen und ist in den Freistaat eingedrungen.
London, 30. Jan. Die tägliche Verlustliste der englischen Armee in Südafrika enthält für gestern folgende Angaben: 4 Tote, 25 an Krankheit Verstorbene, 28 Verwundete, 1 Gefangener, 15 Vermißte.
London, 31. Januar. 10,000 Soldaten, die für Südafrika bestimmt sind, wurden gestern in Southampton eingeschifft.
London, 31. Jan. Nach dem gestern abend ausgegebenen Armeebefehl werden in dem Leichenzug selbst 3075 Mann marschieren, während an der Spalierbildung 3166 Berittene und 29 200 Mann zu Fuß sich beteiligen, außerdem Ehrenwachen bei der Viktoria- und der Paddington- station und am Buckinghampalast. In dem Leichenzug marschieren Abordnungen der Marine, hinter diesen der Armee, hinter diesen die fremden Mili- tär-Attachees, der Generalstab der Armee, die Feld- marschälle, hierauf MusikcorpS, welche abwechselnd die Trauermärsche von Beethoven und von Chopin spielen, sodann folgt der Trauerwagen.
London, 30. Jan. Der Verbrauch an Blumen für das Begräbnis ist ganz unerhört. Kränze, die über 2000 wegen der Größe und Schwierigkeit des Musters kosten, sind in Arbeit. Der Kranz der City, der in den seltensten Blumen das Stadtwappen darstellt, wird bis Freitag in Guildhall ausgestellt.
Gottesdienste
am Sonntag Soptuaxesima«, 3. Febr.
Vom Turm: 79. Predigtlied: 555. 9'/r Uhr: Vornu-Predigt. Herr Stadtpfarrer Schmid- 1 Uhr: Christenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr: Bibel stunde im Vereinshaus, Herr Vikar Döring.
Mittwoch, 6. Febr.
10 Uhr: Betstunde im Vereinshaus.
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diesem stehenden Leute glänzten von Schweiß. Ich kannte die schwere Arbeit, die sie bei dieser See hatten. Trotzdem sie breitbeinig sich stemmten und mit aller Kraft der nervigen Arme in die Späten faßten, um das Rad zu halten, so drehte sich dasselbe doch bisweilen ähnlich wie das Rad an einem Wagen, welches der Kutscher wäscht. Unser Kielwasser wallte in einem bläulichen Nebel von Gischt, welcher emporwirbelte wie der weiße Staub auf einer Landstraße. Ich stand auf der Wetterseite und hielt mich an einer Want des Kreuzmasts mit beiden Händen fest, um nicht von der Gewalt des Windes auf das Deck geschleudert zu werden. Bergauf, bergab stürmte und sauste der .Strathmore', mit seinen Backen dichte Massen blendenden Schaumes emporschleudernd.
So ging es drei Tage und drei Nächte fort. Zeitweise flaute der Wind wohl ein wenig ab, niemals aber lange genug, um dem wachhabenden Maat die Zeit zu geben, dies oder jenes der gerefften Segel wieder ausschütteln und beisetzen lassen zu können. Der Mannschaft gefiel das ganz gut, denn es gab ihr schöne Freiwachen und wenig Arbeit. .Nur in der Kombüse herrschte Unzufriedenheit und wurde mancher Fluch ausgestoßen. Es war keine Kleinigkeit für den Koch und seine Gehilfen, bei dem Stampfen und Schlingern des Schiffes ihres Amtes zu walten, sich nicht die weichen Hände zu verbrühen und nicht alles durcheinander poltern zu lassen. Jede fertig gestellte Mahlzeit war ein bemerkenswertes Kunststück. Am meisten zu bedauern aber waren die armen Zwischendeckpassagiere, denn die Theerdecken waren über die Gitter der Luken gelegt, und es gab keine andere Ventilation für sie, außer durch die Achterluke. Aus alter Erfahrung wußte ich, wie es unten zuging und hatte deshalb nicht nötig, hinunterzusteigen, um zu sehen, wie Kisten und Kasten umherrutschten, Zinnschüsseln und Töpfe herumkollerten, mitten darunter kleine schreiende Kinder sich wälzten, Männer wie
betrunken von einer Seite zur andern taumeltest) und weinende Frauen auf ihren Knieen rutschten, um ihren Lieblingen zu Hilfe zu kommen. Und dies ganze Durcheinander nur spärlich beleuchtet durch ein paar dunkel brennende Oellampen, die an der Decke hängend, sich wie Uhrpendel bewegten.
Auch die Kajütenpassagiere hatten viel zu leiden. Bei Tische waren wir nicht sehr zahlreich. Mrs. Marmaduke blieb in ihrer Kabine und ihr Mann wollte sie natürlich nicht verlassen; die arme Mrs. Grant war seekrank, und ihre Tochter mußte sie pflegen; selbst Mrs. Jackson fühlte sich diesen Wogen der Bai von Biskaya nicht gewachsen, und der Verpflichtung überhoben, an der Tafel zu erscheinen. Alle übrigen erwiesen sich als seefest, so auch besonders Tante Damaris, deren Appetit mit der Höhe der Wellen zu steigen schien. Die Unterhaltung beschränkte sich zum größten Teil auf die mit aller Kraft der Lungen an die Stewards gerichteten Zurufe, wenn irgend jemand etwas verlangte. Diese geplagten Menschen hatten es auch böse. Einer von ihnen, welcher mit einem Pudding von der Küche kam, wurde dabei beinahe über Bord gespült. Die Leute am Steuerruder hatten es wohl eine Kleinigkeit versehen; das Schiff war etwas seitwärts vom Winde abgewichen, sie vermochten es nicht mehr rechtzeitig abfallen zu lassen, und eine starke See schlug mittschiffs über die Wetterreling auf Deck. Es dröhnte wie ein Donnerschlag, und Thompson stürzte erschreckt die Kajütentreppe hinauf. Das Wasser spülte hoch gegen die Fenster des Salons und hätte die ganze Kajüte überflutet, wenn zufällig die Thür offen gewesen wäre. Gleich danach kam der arme Steward halb ersäuft, triefend naß, mit blutender Nase herein, hielt aber mannhaft noch fest in der Hand, was er von dem Pudding hatte retten können, nämlich ein kleines Stück der Schüssel, auf welcher er gelegen hatte. (Forts, folgt.)
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