788

Das durch Verbrechen erworbene Ver­mögen des Bankiers wurde konfisziert und seine Leiche in einem abgelegenen Winkel des Armenkirchhofs in der Stille beerdigt, dem Begräbnis seiner armen gemordeten Schwester wohnten aber die Vornehmsten der Stadt bei, und Alle bedauerten die Unglückliche.

Bertha Fürst, ihre Tochter, bestätigte aber auf Vorhalten Alles, was ihr Onkel auf dem Sterbebett ausgesagt hatte und gab gleichzeitig, darüber gefragt, auch Aufschluß über das in der Tasche Hugo's aufgefundene geladene Doppelterzerol. Sie und ihr Geliebter hatten nämlich an dem betreffenden Abend die Absicht gehabt, sich zu töten. Bertha aus Verzweiflung, namentlich über die Entdeckung bezüglich ihres Oheims, und Hugo wegen der offen­baren Unmöglichkeit, seinen durch die un­schuldig erlittene Gefängisstrafe geschändeten Namen wieder zu Ehren zu bringen und Bertha zu besitzen.

iSchlußkopitel.

Niemand war glücklicher als Hugo und Bertha. Letztere wohnte jetzt bei der Mutter ihres Geliebten, und der Onkel desselben suchte in der Umgegend der Residenz nach einem hübschen Landsitz, den er kaufen und mit seiner Schwester und den beiden jungen Leuten, die er bald liebgewounen hatte, beziehen wollte, ohne jedoch denselben gegenüber das Ge­ringste von seiner Absicht merken zu lasten.

Es dauerte sehr lange, ehe ihm eine Besitzung angeboren wurde, welche ihm zusagte. Als er dieselbe aber gefunden, drängte er mit dem größten Eifer auf die Vermählung der beiden sungen Leute. Auf die schüchterne, unter Erröten hervor­gestammelte Bemerkung Bertha's:Aber ich habe ja noch keine Ausstattung und werde auch schwerlich das Vermögen meiner seligen Mutter aus den mit Beschlag be­legten Besitztümern meines Oheims heraus­bekommen !" erwiederte der alte Herr, sich vergnügt die Hände reibend:Ist längst besorgt, die Ausstattung, Alles in schönster Ordnung. Jungfer Braut! Nur Hochzeit machen, das fehlt noch und ist das Nötigste!"

Hugo vereinigte seine Bitten mit denen des Onkels und Bertha jagte endlich zu.

Ihre Trauung wurde ohne großes Gepränge einfach und in aller Stille voll­zogen, nur Onkel Robert und Hugos Mutter waren Zeugen derselben. Sie waren in einem Mietwagen zur Kirche gefahren und wollten zu Fuß zurückkehren, aber wie erstaunten sie, als beim Aus­gang aus der Kirche eine zweispännige elegante Equipage vor der Kirchenthür stand und der Onkel Robert sie lächelnd einzusteigen cinlud. Die Fahrt ging hinaus auf einen herrlichen Landsitz, von schönem Garten und schattigem Park umgeben. Das schloßähnliche Gebäude blickte freund­lich und einladend durch die grünen Baum­wipfel hindurch. In dem mittelgroßen Saal war ein langer Tisch prächtig serviert und mit vier Kouverts besetzt. Onkel Robert geleitete die sprachlos Staunenden erst noch durch eine Reihe der behaglich ausgestatteten Zimmer, von denen besonders ein allerliebst heimlich und lauschiges Damenzimmer am herrlichsten und mit

I verschwenderischer Pracht ausgestattet war, dann führte er alle Drei zu Tische, setzte sich zwischen Hugo und Bertha und sprach: Dieses kleine Besitztum soll unter der Bedingung Euer Eigentum sein, daß Ihr mich beim ersten Jungen zum Ge­vatter bittet und mir und Deiner Mutter, Hugo, eine Auszügler-Wohnung Hierselbst verstattet. Deine kleine Ausstattung, als Leibwäsche und dergleichen, Bertha, findest Du in Deinem Zimmer, in einem der drei Toiletten-Schränke."

Unter Herzen und Küssen dankten die glücklichen Brautleute dem guten Onkel und versprachen Alles mit tausend Freuden, wenn auch die in herrlicher Schönheit prangende Braut über und über errötete, als der Onkel nun noch schelmisch fragte: Also den erstern Jungen hebe ich Dir aus der Taufe, Berthchen, nicht?"

Aber sie sagte dann herzhaft, wenn auch leise:Ja!"

Als sie dann ihre Servietten von den Tellern nahmen und das Mädchen die Suppe brachte, ward ihnen eine neue Ueberraschung zu Teil. Auf dem ganzen Service, welches schon auf der Tafel stand, oder noch während des Hochzeitsmahles dahin kam, stand mit großen goldenen Buchstaben jener herrliche Spruch, der Hugo im Kerker getröstet hatte und Onkel Robert sprach feierlich :Ja. meine Lieben, der alte Gott lebt noch und er ließ Euch nicht verderben im Unglück und Elend. Deshalb ließ ich Euer Hochzeitsservive mit dem Spruche versehen, als eine Erinnerung an die schwerste Zeit Eures Lebens. Möchtet Ihr dieselbe nie vergessen. wie Ihr den Spruch nie vergessen werdet: Der alte Gott lebt noch!"

Die Brautleute hatten Thränen in den Augen und dankten dem guten Onkel noch­mals mit beredten Munde, dann aber feierten sie lustig und guter Dinge die Hochzeit.

Der Onkel brauchte aber nicht lange auf einen Neffen zu warten; denn schon nach einem Jahre trug er gar oftmals ein kleines Bürschchen, seinen Paten, auf den Armen herum und Bertha, die glück­liche Mutter, schaute mit fröhlichem Lächeln dem Treiben des Alten zu. Hugo aber war geachtet und geehrt von Jung und Alt als ein echter ehrenfester Biedermann. Nun nur noch einige Worte über das weitere Schicksal der in vorstehender Er­zählung aufgetretenen Personen.

Der Kriminalrat ward, nachdem er wieder geheilt war. zur Entschädigung für sein eingebüßtes Auge und seiner Ver­dienste um die Entdeckung jener weitläufigen Verbrecher-Verbindung mit dem Ritterkreuz des Verdienstordens geschmückt und zum Gerichtspräsidenten einergroßenProvinzial- stadl ernannt, woselbst er sich trotz seiner Einäugigkeit noch sehr glücklich vermählte und in der Folge ein musterhafter Ehe­mann und Familienvater wurde.

Sein früherer Aktuar, Herr Vetters, wurde trotz seines mangelhaften juristischen Spü.sinns noch ein ganz tüchtiger Krimi­nalist und der Schrecken jedes Delinquenten. Der lange Hans, jener gewandte Polizei­spion. erhielt nebst dem Verdienstkreuz richtig eine Polizeilieutenantsstelle u. führte als solcher gar bald ein munteres Weibchen

heim. Bei der geheimen Polizei blieb er jedoch nach wie vor und hatte auch nie wieder so viel zu thun, wie damals, als jene Verbrecher-Association noch nicht ent­deckt war.

Der starke August ging, nachdem er versprochener Maßen für seine wichtigen Enthüllungen die Freiheit erhalten hatte, nach Amerika, wo er große Reichtümer gesammelt haben und jetzt in einer süd­amerikanischen Hauptstadt die erste Flöte spielen soll.

SelbstmordzweierSchwestern. Aus Prag wird gemeldet: In Mittel- Lichwe bei Landskron vergifteten sich die beiden erwachsenen Töchter eines dortigen angesehenen Grundbesitzers mit Phosphor; sie waren beide von einer Leidenschaft für einen und denselben Mann ergriffen.

Recht gefährliche Nimrode scheint es im Eisfelder Bezirke in Thüringen zu geben. Die Eisfelder Zeitung bringt eine Anzeige, wonach beabsichtigt wird, eine zweite Sanitätskolonne für Eisfeld und Umgegend ins Lebe» zu rufen,um angeschossenen Jägern hilfreiche Hand zu leisten."

(Ein weiblicher Eisenbahn-Präsident.) Die Direktoren der Pennsboro und Harris- ville E. B. Co. haben Frau Hattie M. Kimball, zum Präsidenten der Kompagnie erwählt. Frau Kimball soll eine außer­ordentliche tüchtigte Geschäftsfrau sein.

(Zur Zarenreise.) Der Zar reiste be­kanntlich mit der JachtPolarstern" von Dänemark ab. Da der Polarstern sich im kleinen Bären befindet, so dürfte er wohl mit den großen Bären verwandt sein, die man uns bisher über die Zarenreise aufgebunden hat. (Ulk.)

(Moderne Thectteranzeige.) Zur Feier des hier statthabenden Gärtnertages findet heute eine Festvorstellung vonWilhelm Tell" statt. Der Apfel ist aus der Gärtnerei des Herrn Krause. Hochachtungs­vollst Die Direktion. (Unbegreiflich.) Berliner : ... Sagen Sie 'mal, Sie waren wohl schon oft in Berlin?" Frem­der:Nein --- ich bin heute zum ersten Mal hier!" Berliner (verwundert):Wie kann man nur zum ersten Mal in Berlin sein. (Der kleine Trinker.) Vater (zum Kellner):Bringen Sie ein Glas Bier!" Hänschen:Ja, Vater, dann hast ja Du kein's!" (Fl. Bl.)

Gemeinnütziges.

(Gegen Schimmel.) Es kommt nicht selten vor, daß sich in Gemächern mit feuchten Mauern, in Schränken und anderen Verhältnissen, an Kleidern und sonstigen Gegenständen Schimmel ansetzt. Dies ist besonders unangenehm da, wo Schriften und wichtige Dokumente aufbewahrt werden, weil oft die Schrift dadurch leidet. Pflanzensammlungen werden davon nicht selten in kurzer Zeit zerstört. Das beste Mittel da­gegen ist außer fleißigem Lüsten die Aufstellung eines Gefässes mit ungelöschtem Kalk, der durch Absorbierung der Feuchtigkeit die Lust trocken und rein erhält. Der Kalk muß zuweilen er­neuert werden.

Auflösung des Bilderrätslls i» Nr. 176.

R o l l f u h r w e r k.

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.