Zum Empfang waren erschienen Se. Mas, König Wilhelm II. in der Uniform des Leibgardehui arenregiments, dessen Kommandeur er einst gewesen, Prinz Heinrich von Preußen, Herzog Albrecht von Württemberg, Prinz Hermann zu Sachsen-Weimar mit seinen 2 Söhnen, die. gesamte Generalität, die Staatsminister, der württemb. Gesandte in Berlin, der Stadtdirektor, der Oberbürgermeister, der Bürgerausschuß-; obmann, endlich mehrere Abordnungen verschiedener Regimenter. Punkt 9 Uhr fuhr der Sonderzug in den Bahnhof ein. Seine Mas. der Kaiser umarmte und küßte Seine Mas. König Wilhelm. Längere Zeit sprach der Kaiser mit demKönig. Beide waren sichtlich bewegt und ergriffen. König Wilhelm drückte dem Kaiser seinen tiefgefühlten Dank für die tröstende Teilnahme und den ehrenden Besuch aus. Hierauf begrüßte der Kaiser die übrigen Mitglieder des kgl. Hauses und die anwesenden Beamten; General v. Wölckern erstattete Meldung. Der Kaiser begab sich mit dem König sofort an die Bahre des hochseligen Königs Karl.
Zum Ehrendienst bei Se Majestät sind General von Wölckern und Oberst Krummacher kommandiert worden.
Die Feierlichkeiten der Beisetzung Sr. Majestät des Hochseligen Königs Karl am 9. Oktober.
Zum Beginn der Feierlichkeiten war auf vormittags 10 Uhr ein Trauer-. Gottesdienst vor dem im Marmorsaal des K. Schlosses ausgestellten Katafalk angeordnet. Punkt 10 Uhr wurde vom Hos- marschall die Ankunft der Majestäten gemeldet. Se. Mas. Kaiser Wilhelm II. führte Ihre Mas. Königin Charlotte, Se. Majestät König Wilhelm II. führte Ihre K. Hoh. Prinzessin Katharine; es folgten Großfürst Michael, der Groß- hcrzog von Baden sowie die Mitglieder des königlichen Hauses und die hohen und höchsten Gäste. Weiter waren im Marmorsaal versammelt der gesamte Hofstaat, die Mitglieder des diplomatischen Korps, die Staatsminister und Mitglieder des Geheimen Rats, der ständische Ausschuß, die Generalität, der Stadtdirektor, der Oberbürgermeister mit eurer Abordnung der bürgerlichen Kollegien von Stuttgart, eine Abordnung der Geistlichkeit aller Konfessionen, sowie andere besonders eingeladene Persönlichkeiten. Am Fußende des Katafalks nahm Oberhofprediger Prälat v. Schmid Ausstellung, hielt nach dem Gebet eine Ansprache aus Grund des Psalm 103, Vers 15—18 und beschloß die Feier mit dem Vers:
„Wohlauf, wohlan zum letzten Gang!
Kurz ist der Weg, die Ruh ist lang.
Gott führet ein, Gott führet aus,
Wohlan, hinaus!
Zum Bleiben war nicht dieses Haus. Amen."
Draußen auf den Straßen zum Schloß standen viele Tausende in stummer Trauer; schon von früh 7 Uhr an halte das Publikum die Straßen und alle Fenster und Dächer besetzt, so daß kein Plätzchen mehr frei war. Die gesamte Stuttgarter Garnison bildete Spalier. BeimSchützenhaus auf dem Kanonenweg hatte eine Batterie vom Ulmer Feldartillerie-Regiment Nr. 13 Aufstellung genommen. Um ft,11 Uhr wurde
nach dem Trauergottesdienst der Sarg von dem Katafalk durch 16 schwarz gekleidete Hoshandwerksleute auf den Traucrwagen gebracht und mit dem Bahrtuch, schwarz mit weißem Atlaskreuz und Atlasverbrämnng, bedeckt. Beim Heraustragen des Sarges aus dem Schlosse präsentlerten die im Schloßhofe aufgestellten Truppen, die Musik des Gren.Reg. König Karl Nr. 123 spielte den Choral „Jesus meine Zuversicht", die gedämpften Trommeln wurde» gerührt. Die Ehrenkompagnie präsentierte. Jetzt setzt sich die Spitze des Zuges in Bewegung; der Zug wird vom Stadtreiterkorps eröffnet. Auf dem Wege vom Residenzschloß zum alten Schloß spielte die Musik des Ulanen-Regiments König Karl Nr. 19 den Beethoventrauermarsch rc.; in allen Kirchen wird mit den Glocken geläutet. Der Zug bewegt sich vom Schloßhofe nach dem k. Hoftheater und biegt dort in die Allee ein. Jetzt erreicht die Spitze den großen freien Platz vor dem Königsbau. Die Truppen präsentieren. Die königlicheKrone und die hauptsächlichsten Ordensinsignien trugen Oberst v. Monbart. Kommandeur des Gren.Reg. König Karl Nr. 123 und Oberstlieut. v. Dalbenden vom Feld-Art-Reg. König Karl Nr. 13, begleitet von je 2 Offizieren. Der Leichenwagen wird von 6 Rappen, mit schwarzen Decken in weißer Verbrämung gezogen. Derselbe ist mit einem zeltartigen Himmel, schwarz ausgeschlagen, bedeckt; oben auf dem Himmel strahlt die goldene Königs- krone: sie ruht auf einer Erhöhung, welche mit weißem Atlas und mit Spitzen verziert ist. Der Hauplschmuck zu Hänpten des Sarges ist ein mächtiger Kranz vom Kaiserpaar mit weißer Atlasschleife und den Goldbuchstaben ^V. und V. Die 4 Ecken des Leichentuches wurden getragen von 4 Inhabern des Großkreuzes der k. Orden und zwar von den Generalen der Infanterie v. Knörzer, Frhr. Pergler v. Perglas, v. Haldenwang und Generallt. v. Marchtaler. Auf jeder Seite des Leichenwagens schritten 2 Kammerherrn und 2 Stabsoffiziere, sowie die Kommandeure und Stabsoffiziere der Leib-Regimenter. Hinter dem Leichenwagen folgte die Hofgeistlichkeit. Nun erscheint als erster Leidtragender Se. Maj. König Wilhelm II. in Generalsuuiform, zu seiner Rechten Se. Maj. Kaiser Wilhelm II. in der Uniform seines Jnfant.Reg. „Kaiser Wilhelm König von Preußen" (2. württ.) Nr. 120 mit den fiorumhüllten Abzeichen deS Generalfeldmarschalls. Dann folgte Großfürst Michael mildem Herzog Nikolaus von Württemberg und Erzherzog Friedrich von Oesterreich; ferner der Großherzog von Baden und Prinz Heinrich von Preußen, Prinz Ludwig von Bayern, die Herzoge Philipp und Albrecht von Württemberg , Prinz Herrman zu Sachsen Weimar, Herzog von Teck und die übrigen Herren, wie sie dem Gottesdienst angewohnt. Den Schluß bildete wieder eine Eskadron Ulanen. Der Trauerwagen fuhr in den Hof des alten Schlosses vor die königliche Schloßkapelle. — Die Feier daselbst begann gegen 11 Uhr. Hier versammelte sich um den dahingeschiedenen König zum letzten Mal in Trauer der volle Glanz des Lebens. Alsj
der Sarg auf das Trauergerüst vor dem Altar gehoben war. stellten sich, während von der Orgel ein Präludium ertönte der König, der Kaiser, die übrigen Fürst lichkeitcn, die Königin Charlotte, die Prinzen und Prinzessinnen des kgl. Hauses hinter dem Altar auf. Die Königin und die Prinzessinnen hatten den Leichenzug in dem kgl. Stande der Schloßkapelle erwartet. Die Feier wurde durch den vom kgl. Singchor vorgerragenen Chorge- sang „Mag auch die Liebe weinen" eingeleitet. worauf Oberhofprediger Prälat v. Schmid die ergreifende Trauerrede hielt. Hierauf folgte der ergreifende Moment der Beisetzungsfeier: die Versenkung des Sargs in die Gruft. Geräuschlos wurde der Sarg mittels einer mechanischen Aar- Achtung in die Tiefe hinabgelassen, ein Kanonenschuß ertönte und der Singchor stimmte an: Es ist vollbracht!
Der erschütternde Eindruck des langsamen Verschwindens des Sarges unter dem Tuche bleibt für jeden der Anwesenden unvergeßlich. Manches Auge wurde feucht. Jetzt begaben sich die anwesenden fürstlichen Personen in Begleitung des Geistlichen hinunter in die Gruft, um am Sarge ein stilles Gebet zu sprechen. Nach der Rückkehr derselben sang der Singchor: „Himmelsruh und Frieden gieb den Deinen ewiglich." Hofprediger Braun beendete hierauf mit einem Gebete die Trauerseierlichkeiten.
Zufolge Allerhöchster Entschließung ist auf das Ableben Seiner Majestät des Königs Karl die Abhaltung eines Trauergottesdienstes in den evan- i gelischen Kirchen des Landes am Sonntag , den 18. Oktober ungeordnet worden. In den Stuttgarter Kirchen ist der Trauer- . gottesdiensl schon auf Sonntag, den II. Oktober angeordnet.
Stuttgart, 9. Okt. Heute abend um 6 Uhr findet im k. Residenzschlosse ein Galadiner zu etwa 140 Gedecken statt. ' Se. Mast der Kaiser reist heute abend um 10 Uhr mittelst Sonderzugs wieder nach Potsdam zurück.
Stuttgart, 7. Okt. Der Hingang des hochseligen Königs Karl hat begreiflicherweise auf dem hiesigen Telegraphen- . amt eine starke Geschäftsanhäufung verursacht. Gutem Vernehmen nach sollen > am gestrigewTodestage S M. des Königs Karl statt der bisherigen täglichen Durchschnittsziffer von 3500 Depeschen pro Tag, deren über 5000 zu befördern gewesen sein. Eine solche Vermehrung war vorauszusehen 'und zwar schon am letzten Samstag. Aber ein weiterer Depeschen Annahmeschalter wurde nicht eingerichtet und im Apparaten,aale waren ganze 11 Mann aushilfsweise zur Dienstleistung herangezogen worden. Obgleich den ge- ; wöhnlichen Beamten noch ausgiebige Ar- s beitszulagen durch verlängerte Dienstzeit i gemacht wurden, erlitt doch das hiesige Telegraphenamt sozusagen einen „Geschäftsbankerolt" indem es einfach nicht mehr rechtzeitig fertig werden konnte und fast alle Privatdepeschen eine ungeheure Verzögerung erlitten. (T. A. S. C.)
Mit einer Reila-r.
Redaktion, Druck unk Verlag von Chrn. Meeh in Reuenbürg.