Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 5. Oktober. Gestern wurde in der hiesigen Stadtkirche das jähr­liche Bezirksmissionsfest gefeiert, an dem die Misfionsfreunde aus dem ganzen Be­zirk sich sehr zahlreich beteiligt haben. Dekan Cranz sprach in schönen Worten über die Missiouspslicht, die schwierige Aufgabe und die in jeder Hinsicht segens­reiche Wirksamkeit der Mission, deren eifrige Unterstützung er aufs wärmste "empfahl. Nach dem Kassenberichte wurde im Bezirk im letzten Jahr die namhafte Suinmowon über 2500 ^ für die Mission gesammelt.' Besondere Unterstützung erfreut sich auch der Bezirksverein für die Kamerunmission, dessen Geldbeiträge ausschließlich der Mission in dieser hoffnungsreichen deutschen Kolonie zu gute kommen. Missionar Daimel- huber aus Reutlingen berichtete über die Arbeit und die großen Erfolge der Basler Missionsgesellschast in Indien und China und empfahl in warmen Worten die Unter­stützung des Bestrebens dieser Gesellschaft, zur Linderung der Leiden der im Banne der Zauberer und Beschwörer gefangenen Eingeborenen mehr als seither Missions- Aerzte auf ihren Stationen anzustellen, deren Thütigkeit eine überaus erfolgreiche sei. Pfarrer Matter aus Ottenhausen entwarf noch einige interessante Lebens­bilder aus der französischen Schweiz, welche die menschenrettende Dichtigkeit der dortigen Müßigkeitsvereine zum Hintergrund hatten.

Calw. Wie selbst Eltern ihre Kinder zum Lügen anhalten, davon giebk ein Vor­kommnis von gestern ein trauriges Bei­spiel. Ein etwa lOjähriger Knabe ging in mehrere Häuser und bettelte unter weinerlicher Miene 10 unter der Be­gründung, er sei morgens von Wildberg ganz allein hieher gelaufen und habe nun kein Geld zum Heimfahren. Wie sich dann aber herausstellte, stand der'Vater des Knaben ganz in der Nähe der Häuser und nahm sofort das erbettelte Geld in Empfang. Wahrscheinlich wurde das Geld nachmittags auf irgend eine Weise durch­gebracht, da die beiden sich später noch in der Stadt Herumtrieben. Dieser Fall mahnt wieder zur Vorsicht bei der Unter­stützung von bettelnden Kindern, weil das angesprochene Mitleid oft in gröbster Weise mißbraucht wird.

Kronik.

Deutschland.

Der Bundesrat wird am 8. Oktober zu seiner ersten Plenarsitzung für das Winterhalbjahr zusammentreten, womit der bevorstehende parlamentarische Winterfeld­zug seine Einleitung erführt. Was den Reichstag anbelangt, so ist in den be­kannten Dispositionen für seinen Wieder­zusammentritt bis jetzt noch nichts geändert worden, es dürfte demnach dabei bleiben, daß er am 10. November seine erste Sitz­ung nach der Sommervertagung abhält.

Am 30. September war ein Jahr seit Aufhebung des Sozialistengesetzes vergangen, aus welchem Anlässe sich in der Tagespresse vielfach Vergleiche zwischen der Zeit des Sozialistengesetzes und dem nach­folgenden Zeitabschnitt vorsiuden.- Im All­

gemeinen wird hierbei darauft hingewiesen, daß sich bis jetzt weder die Besorgnisse, noch die Hoffnungen, .welche arü.die Be­seitigung des Sozialistengesetzes geknüpft wurden, voll erfüllt hätten, und wird weiter betont, daß deshalb die eigentlichen Wirk­ungen dieser Maßregel noch abgewartet werden müssen.

Berlin, 2. Okt. Gestern'Vormittag erschien ein Gerichtsvollzieher bei einem in der Mendelssohnstraße wohnenden Kauf­mann, um eine Pfändung vorzunehmen. Der Beamte traf nur die Ehefrau des Schuldners an. Als er zwei auf dem Tisch liegende Zwanzigmürkstücke pfänden wollte, ergriff die Frau dieselbe» und ver­schluckte sie vor den Augen des Gerichts­vollziehers. Die Folgen der sonderbaren Hinterziehung deS zu pfändende» Geldes machten sich aber bald bemerkbar, es stellten sich so heftige Schmerzen im Magen ein, daß ein Arzt geholt werden mußte, der die lleberführung der Patientin nach dem Krankenhause anordnete, wo es hoffentlich gelingen dürfte, der Frau das Gech.. das ihr so schwer im Magen liegt, wieder her­auszuholen.

Württemberg.

Stuttgart, 3. Okt. Heute nach­mittag 2 Uhr 5 Min. traf mittelst Sonder- zugs von Friedrichshafen kommend Ihre Majestät die Königin hier ein, worauf 3 Uhr 50 Min. Se. Maj. der König von Bebcnhausen kommend folgte. Ein offizieller Empfang am Bahnhof fand nicht statt. Daselbst hatte sich ein größeres Publikum eingefunden.

Wiederholt aus einem am Montag vormittag ausgegebenen Extrablatt desEnzthälers"

lieber das Befinden Seiner Maje­stät des Königs sind im Laufe des Sonntags sehr besorgniserregende Nach­richten eingelaufen. Seine Majestät hat sich auf den dringenden Rat der Aerzte am Samstag mittag mittelst Svnderzugs von Bebenhausen nach Stuttgart begeben. In der Nacht vom Samstag auf Sonn­tag waren die Beschwerden anhaltend.

Ein Telegramm an denEnzthäler", aufgegeben in Stuttgart am 4. Oktober, nachm. 4.40 lautet: Die bisherigen Stör­ungen haben sich in letzter Nacht bis zur vollständigen Harnverhaltung gesteigert, welche die Punktion der Blase notwendig gemacht hat. Darnach ist nun vorüber­gehend Erleichterung erreicht, während die entzündliche Erscheinung weiter fortschreitet. Der Kräftezustand ist unbefriedigend. Es soll noch eine weitere medizinische Autorität zur Konsultation aus Marburg berufen worden sein.

Große Menschenmassen pilgern den ganzen Nachmittag vor das Residenzschloß und besprechen flüsternd das so überaus schmerzliche Ereignis. Die Einschreibe­bogen, welche im Kgl. Schlosse aufgelegt sind, bedecken sich mit überaus zahlreichen Unterschriften von Männern und Frauen aus allen Gesellschaftsklassen. S. kgl. Hoh. Prinz Wilhelm, welcher..vor einigen Tagen einer Einladung des Herzogs Philipp von Württemberg zur Jagd ge­folgt ist. wird heute Nacht aus Gmunden zurückerwartet.

Frau Kanzleirat Bac Meister in Stuttgart die einzige noch lebende Ur­enkelin Schubarts, wird der Einladung der Stadt Aalen, der Einweihung des Schubartdenkmals am II. Oktober in dortiger Stadt beizuwohnen, Folge leisten.

Von der Ravens bürg er Straf­kammer wurde ein Kleeblatt, das sich als Schatzgräber, Hexenbanner und Hexen­meister bei den Bauern einführte und die- selben beschwindelte, zu längeren Freiheits­strafen verurteilt. Es war der blühendste Unsinn, was die Hexenbanner den Leuten vorschwatzten, uud doch fanden sie Glauben damit, und was ihnen di« Hauptsache war, es fehlte auch nicht an Geld, das den Hexenbannern am liebstni war.

O e st e r c L^l'ch.

Ein n i ch t s w ü c d i g es Buben­stück scheint gegen den Zug geplant ge­wesen zu sein, der Kaiser Franz Jo­sef am Donnerstag..Morgen von Prag nach Reichenderg führten. In'der Nacht uom Mittwoch zum Donnerstag wurde bei der* Station Posenthal der südnord- deutschen Verbindungsbahn der Bahndamm, welchen der kaiserliche Hoszug zu passieren hatte, durch Sprengschüsse bedeutend be­schädigt Dieselben rissen in die beider­seitigen Widerlager der Bahnübersetzung, welche sich an der betreffenden Stelle befindet, metergroße Oeffnungen. Die weithin hörbare Detonationen veranlaßten die Bahnorgane zur sofortigen Untersuch­ung der Sache und Ausbesserung des an- gerichleten Schadens. Die Explosionen erfolgten durch kleine mit Nitroglycerin gefüllte Bomben, welcheijedoch nicht gleich­zeitig explodierten; durch den Luftdruck wurden die Fensterscheiben der dem Bahn­damm zunächst gelegenen Bauernhäuschen zersprengt. Unmittelbar vor der Explosion sollen mehrere Personen die Stelle passiert haben, ohne etwas Verdächtiges wahrzu- nehmen; man folgert hieraus, daß die Zündschnuren schon lange vorher in Brand gesteckt worden sein müßten. Ueber die Thäter hat man noch keinen bestimmten Anhalt, doch heißt es, eine Spur sei be­reits aufgefunden, welche zur Aufklärung des ruchlosen Bubenstückes führen dürfte. Mit Politik soll dasselbe nichts zu thun haben, man vermutet daher auch kein an­archistisches Komplott dahinter. Wohl mit unter dem Eindrücke dieses Vorganges ist dem öslereichischen Kaiser bei seinem Be- suche in Reichenbcrg ein so besonders be­geisterter Empfang bereitet worden, über welchen ausführliche Berichte vorliegen. Von ergreifender Wirkung war namentlich die Huldigung sämtlicher Gesangvereine durch Absingen der Volkshymne.

Ausland

Ein ganzer Ort in Brand g e- st c ck t. Das Dorf Saint Michel (Brüssel) wurde nach angedrvhten Brandstiftungen gestern Abend gleichzeitig an mehreren Stellen angezündet und ist größtenteils niedergebrannt. Ein neuerer Brief droht -wertere Brandstiftungen an. Es herrscht allgemeine Panik. Die Feuerwehr bekam während der Löschversuche Streit unter sich und verließ die Brandstätte.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck unk Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.