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die Bürste in den Eimer und setzte das Reinigungswerk fort. Aber nicht nur die Färbekraft des Anilin, sondern auch das Verhalten des Zuschauerkreises machte ihm sein Werk sauer. Spott und Hohn ergossen sich über den Denkmalsbe- sudler. „Bravo, bravo!" erscholl es von der einen Seite; das geschieht dem Bengel recht", rief von der andern Seite eine Stimme. „Man sollt' 'en Stock nehme und ihn tüchtig durchhaue" ließ sich eine blondgelockte Jungfrau vernehmen, deren Wiege sicher nicht weit vom Kölner Dom gestanden hatte. Ihr Begleiter aber meinte: „Es scheint ein Ausländer zu sein; wenn ein Deutscher sich so etwas in Frankreich erlaubte, so würde er totgeschlagen." Unter teils ernsteren, teils scherzhafteren Hohnworten mußte der Attentäter sein Reinigungswerk zu Ende führen und man konnte ihm das Zeugnis ausstellen, daß er die Scheuerbürste in einer Weise handhabte, wie sie jedem Ritter von der Heringstonne Ehre machen konnte. Wenn er mit einem guten Trinkgelds für den wasserschleppenden Denkmalwächter davon gekommen ist, was sich meiner Kenntnis entzieht, so ist der biedere Jüngling gewiß sehr zufrieden gewesen; jedenfalls wird er sich, wenn er einmal irgendwo wieder an erlaubter Stelle seinen Namen an einen denkwürdigen Ort aufschreibt, stets seines traurigen Debüts aus dem Niederwalde erinnern.
Kreuzottern im Riesengebirge. Aus Anlaß der großen Vermehrung dieser Schlangen im Riesengebirge war am 20. Mai d. I. von der Hirschberger Kreisvec- waltung zur Vertilgung dieser Reptilien sür jedes avgelieferte Exemplar eine Prämie von 50 Pf. ausgesetzt worden. In der Kreisversammlung am 2l. Sept. teilte nun der Hofmarjchall v. St. Paul, als Referent in dieser Sache, als bisheriges Ergebnis mit: Es wurden abgeliefert im Hirschderger Kreise allein 1221 Exemplare, außer den in den benachbarten Kreisen gesammelten Giftschlangen.
(Ein flotter Konkurs.) Bei einer Schlußoerteilung in Sinsheim erhielten die 98 Gläubiger für ihre Forderungen von etwa 30 000 ^ auf jede Mark einen Pfennig ausbezahlt. Ursprünglich war 1'/«°/» vorgeschlagen, allein zum Schluß wurde noch eine Forderung als bevorrechtigt anerkannt. Die dortigen Handwerks- und Geschäftsleute sind in sehr erregter Stimmung über die vielen und empfindlichen Verluste.
Stuttgart. Der „Oberschwäbi-
sche Anzeiger» weiß von hier zu vermelden. daß in einer hiesigen Familie wie das ja auch schon anderwärts der Fall gewesen ist, eine Verlobung zurückging, worauf der aus all' seinen Himmeln gestürzte Bräutigam nicht weniger als 1700
als Entschädigung sür die seiner Braut gemachten Geschenke und die „Reisespesen von Nürnberg» hierher verlangte. Auf den „Flügeln der Liebe» scheint der Se- ladon somit nicht hierher geeilt zu sein, sondern sehr prosaisch per Eisenbahn. Ob die glücklich Entlobte an dem praktischen Bräutigam viel verliert?
Ein prophetisches Wort Kaiser Wilhelms I-, das noch nirgend veröffentlicht wurde, wird in Nachstehendem mitgeteilt. Es war im Herbst des Jahres 1863, als das dritte Armeekorps mit mecklenburgischen Truppen in brr Gegend von Buckow manöverierte. Der verewigte Monarch wohnte in dem Schlosse des Grafen von Flemming. Zur Königlichen
Tafel daselbst war auch die Ortsgeistlichkeit befohlen worden. Nach Aufhebung der Tafel ließ sich der Monarch von den beiden Geistlichen Auskunft über die kirchlichen Verhältnisse von Buckow geben und machte dann einige Bemerkungen über die reizende Lage der Stadt. Der Oberpfarrer Sl. entgegnetc. daß die Buckowcr um so mehr Anlaß hätten, sich über diese Aeußerungen zu freuen, als der Monarch erst vor Kurzem einen der schönsten Punkte Deutschlands, Baden-Baden, besucht Hab. „Ja," sagte der Monarch, „Baden-Baden ist schön, ich Ich liebe es sehr. Waren Sie auch schon dort?» „Zu Befehl, Majestät, als junger Student,» entgegnetc der Pfarrer, „ich denke noch mit Vergnügen an einen Ausflug nach der Ruine Baden, die Sonne ging unter und mein Blick schweifte weithin durch das gesegnete Badener Land bis zu den Kämmen der Vogesen, aber ein Gedanke ergriff mein Herz mit Wehmut." „Nun?» fragte Se. Majestät. „Das Elsaß ist französisch, Majestät!» Der Monarch richtete sich hoch auf und sagte lächelnd: „Nun, es kann ja noch einmal deutsch werden.» (B. N. N)
Der gestohlene Bart. In Berlin — so schreiben dortige Blätter — ist zwar nichts vor den Langfingern sicher und Dinge von höchstem Gewicht wissen die Herren mitunter mit der nämlichen Geschwindigkeit und Geschicklichkeit verschwinden zu lassen, wie etwa ein Portemonnaie, eine Uhr oder einen Brillantring. Daß jedoch jemandem der Bart gestohlen wird, möchte denn doch zu den Dingen gehören, die man selbst in einer Weltstadt als „noch nicht dagewesen» bezeichnen darf. — Es war ein prächtiges Zeichen von Würde und Männlichkeit, der bis zur Brust herabwallende Bari des herrschaftlichen Kutschers Karl G.! Und nun so leichtsinnig dieses kostbare Gut aufs Spiel zu setzen! Aber Müßiggang ist aller Laster Anfang und Karl, der, „weil seine Herrschaft auf dem Lande ist, seit vier Wochen absolut nichts zu thun hat, Karl hatte das nun nahende Ende seiner Ferien am letzten Montag etwas ausgiebig gefeiert. Schweren Hauptes setzte er sich in der Nähe seines Heims im Tiergarten auf eine Bank und entschlummerte sanft. Was weiter geschehen, davon hat Karl keine Ahnung. Er. Leih nur. daß ein plötzlicher, am Kinn und Wangen ganz ungewohnt verspürter Windeshauch ihn jäh erweckte und daß die ob dieses nicht gekannten Gefühls nach der betreffenden Stelle tastende Hand das Entsetzliche entdeckte: Bis auf wenige traurige Ueberreste war sein Bart verschwunden! Man hatte ihn dem Schlafenden gestohlen! Wer der Dieb gewesen, dürfte wohl ewig dunkel bleiben.
(Das Belociped ein — Handkarren.) Vor kurzem muhte ein Radfahrer an der Lippebrücke bei dem westfälischen Stäbchen Herne 4 Pfg. Brückengeld zahlen. Auf seine Beschwerde bei dem Bürgermeister wurde er, der „Dortm Ztg.» zufolge, auf folgende, Verfügung verwiesen: „Münster, den 31. Oktober 1885. Ew. Hochwohl- geboren eröffnen wir auf den Berichts
vom 15. ds.. daß da ein Veloziped nach seiner gegenwärtigen Benutzung ungefähr einem Handwagen gleichsteht, für ein solches das festgesetzte Brückengeld zu entrichten ist.
In allen Sätteln gerecht. Ei» Journalist zu Newcastle hat gewettet. d»h er im Laufe einer Viertelstunde eine Strecke in folgender Weise zurücklegen würde: eine Viertelmeile auf dem Zweirad, ei»e Viertelmeile iin Ruderboot, 400 Jards zu Fuß. 400 Uards schwimmend und M JardS zu Pferd. Der Journalist gewan» sie glänzend, indem er für die ganze Strecke nur 12 Min. 43. Sek. gebrauchte.
(Unmögliches erwartet.) Gnäd. Frau: „Also auch bei den Pyramiden waren Sie? Gewiß haben dieselben einen überwältigenden Eindruck auf sie gemacht!» — Lieutenant: „Sie hätten Recht, meine Gnädige, wenn überhaupt etwas in der Lage wäre, preußischen Lientenant zu überwältigen."
(Schülerweisheit.) Lehrer: Wer kann mir eine Schlacht aus den Befreiungskriegen nennen? — Schüler: Die Schlacht bei Sedan! — Lehrer: Wie kommst Du denn daraus? — Schüler: Weil wir am Sedanstag immer frei haben!
(Beruhigend.) Hausfrau: „Haben Sie einen Geliebten?" — Köchin: „Ja... aber er ißt Alles, was man ihm giebt!»
Gemeinnütziges.
(Das Pflücken des Obstes) wird gewöhnlich zu den Tageszeiten vorgenommen, an denen die meiste Zeit übrig ist, oder aber, wenn gerade Bedarf vorhanden ist. Das ist jedoch durchaus falsch. Jede Art von Obst, gleichviel ob Beeren, Stein- oder Kernfrüchte, sollte nur in den frühesten Morgenstunden gepflückt werden. Zu dieser Zeit sind die Früchte am frischesten, saftreichsten und schmackhaftesten; diese Eigenschaften vermindern sich im Laufe des Tages und auch am Abend sind' sie nicht in dem Maße vorhanden, wie am Morgen. Die große Menge wellen Obstes, das aus die Märkte kommt, zeigt, wie wenig die Notwendigkeit bekannt Ist, das Obst morgens zu ernten. Wer aber einen Versuch damit gemacht hat, wird nie mehr davon abgehen.
Schieb-Rätsel.
Die senkrechten Reihen sind derarl zu verschieben, daß die Silben in wagrechlen Linien einen Vers von Göthe ergeben.
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Stuttgart, 1. Okt. (Obstpreiszettel.) Güterbahnhof. Zufuhr: 10 Waggon — 2000 Zentner öfter, und bayr. (auch schweiz.) Mostobst, Preis per Waggon 860—930 pr. Ztr. 4 60 bis 4 SO (schweiz. per Waggon
800 ^ü).
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.