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„Aber bedenke doch, wir sind ja ganz unschuldig. Deine Briefe sind uns nicht zugekommen! Aber nicht wahr Franz, jetzt kommst Du wieder zu uns," flehte das Mädchen.
„Nein, niemals!" erwiderte er herb.
Anna erschrak bis in die Seele hinein, es wurde ihr dunkel vor den Augen. Sie gebrauchte Zeit, um sich zu fassen. Endlich hob sie an:
„Aber, Bruder, wozu wärest Du dann an einem solchen stürmischen Tag hergekommen , wenn Du nicht zu uns gewollt hättest?" —
Bitter entgegnete er:
„Warum ich hergekommen sei. fragst Du? Es mag freilich von dem Verfluchten sonderbar sein, daß er sich noch an dem Ort herumtreibt, den er fliehen und meiden sollte. Ha, ha, ha!" Er schlug ein hartes Gelächter an, das Anna in die Seele schnitt. Sie sah ihren Bruder entsetzt an. Er bemerkte dies, und in plötzlich geändertem, fast schluchzend weichem Tone fuhr er fort:
„Verzeih, Anna, ich harter Mensch habe Dir wehe gelhan. Das wollte ich nicht; aber Du weißt nicht, wie es hier innen aussteht." Er schlug auf seine Brust. Wehmütig fuhr er fort: „Ja, liebes Kind, ich will es nur gestehen. warum ich kam.
In drei Wochen beginnt meine dritte Reise, die diesmal anderthalb Jahre dauern wird, und als ich das letztem«! diese liebe Insel wieder sah, da glaubte ich. es breche mir das Herz. Und so bin ich hergekommen, um mich an dieser mütterlichen Erde einmal auszuweinen und ihr mein Leid zu klagen. Wenn es dunkler geworden wäre, hätte ich mich ins Dorf hinuntergeschlichen und hätte heimlich zum Fenster hineingesehen , wenn Ihr Licht gehabt hättet. — So glaubte ich, mein hungriges Herz befriedigen zu können. — Dann wollte ich wieder meiner Wege ziehen, um Eure Ruhe nicht zu stören."
„Das hättest Du gethan, Franz?" kam es mit bitterem Vorwurf von Annas Lippen. „Und Dir ist es gleichgültig, wie wir uns Tag und Nacht um Dich abgrämen? Du hättest kein Erbarmen mit uns gehabt? Franz Du bist hartherzig geworden und quälst Dich und andere," — Beleidigt wandte sie ihm den Rücken. Er machte Miene zum Gehen. Hastig wandte sie sich um, hing sich ihm leidenschaftlich um den Hals und rief unter Thränen:
„O Franz, gehe nicht, verzeihe mir, o verzeihe uns allen, daß wir Dir unwissend so wehe gethan haben! Komm wieder zu uns, o nur auf einen Augenblick kehre wieder bei uns ein. O komm, sieh, ich lasse Dich nicht mehr los." — (Fortsetzung folgt.)
Aus der Schweiz. 4. Scpt. Die rücksichtslose und rohe Behandlung, welche eine m Mon treux lebende englische Dame daselbst von Seite eines Hotelbesitzers und der Polizeibehörde erfahren mußte, erregt in England große Aufregung und gab Anlaß zu einer sehr energischen Beschwerde des englischen Gesandten in Bern. Frau Burke, die Gattin des portugiesischen Consuls in Luzern,
eines Engländers, wollte, wie die „Neue Freie Presse" berichtet, in Montreux den daselbst in einem Hotel wohnenden englischen Consul von Suez, namens Bates, einen alten Herrn von 70 Jahren, besuchen. Sie traf ihn aber nicht an und begab sich in sein Zimmer, um seine Rückkehr abzuwarten. Der Besitzer des Hotels und dessen Frau forderten aber Frau Burke auf, das Zimmer und das Hotel zu verlassen, und gaben ihr zu verstehen, daß man sie für eine unanständige Person Halle, was die Engländerin sich natürlich nicht gefallen ließ und kräftig zurückwies. Es kam zum Streik, und schließlich ließ der Hotelier die Polizei holen, welche Frau Burke abführte und in eine Arrestzelle sperrte, aus der sie erst nach mehreren Stunden durch den inzwischen zurückgekehrten Consul Bates befreit wurde. Die Zelle wird als ein finsteres Loch beschrieben, in dem es von Ratten und Mäusen wimmelte. Aus Furcht vor diesen Tieren hielt sich die Frau an den Stangen des Eisengitters mit Händen und Füßen krampfhaft fest und blieb in dieser Stellung, bis sie befreit wurde. Frau Burke ist infolge dieser Behandlung vor Aufregung krank geworden. Der englische Consul von Genua, Burton, meldete den Fall dem englischen Gesandten in Bern, Scott, und es wird eine Note an den Bundesrar gerichtet werden, um von demselben eine strenge Untersuchung des Falles und Ge- nugthuung für die Behandlung der Dame zu verlangen. Frau Burke beansprucht überdies 40000 ^ als Entschädigung. Das ist ein Bischen viel, aber wenn man den Fall bei Lichte besieht, so verdienen die Gegner der bedauernswerten Frau Burke noch etwas ganz anderes.
Von der Spitze des Mailänder Doms herabgestürzt hat sich Samstag, (5. September) ein junger Mann. Samstag vormittag war, wie man aus Mailand schreibt, aus Genua eine ganze Anzahl von Radfahrern nach Mailand gekommen, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt in Augenschein zu nehmen. Nachmittags gegen 3 Uhr begaben sich die Herren nach dem Dome, und nachdem sie das Innere besichtigt hatten, schickten sie sich an, zum Turme hinaufzusteigen. Am großen Kirchenportale schloß sich ihnen ein Jüngling an, der lebhaft erregt erschien und in fieberhafter Eile die Wendeltreppe hinaufstürmte. Den Radfahrern fiel das sonderbare Wesen des Fremden sofort auf, und da sie nichts gutes ahnten, eilten sie ihm nach und hinderten ihn daran, als erster auf die Plattform des Turmes zu steigen. Oben benahm sich der Fremde jedoch wieder so vernünftig, daß man ihn zuletzt weniger scharf beobachtete. Während sich die Genueser jedoch ganz dem Genüsse der wunderbaren Aussicht Hingaben, klomm der Fremde plötzlich noch die halsbrecherischen Stufen hinauf, die zur höchsten Spitze des Turmes führen. Hier steht ein vergoldetes Muttergottesbild, das von einem kleinen Gitter umgeben ist. Ehe ihn noch Jemand daran hindern konnte, schwang sich der junge Mann über das Gitter, warf seinen Hut in die Luit und sprang unter lautem Lachen, nachdem er noch mit gräßlichem
Sarkasmus des Ruf: „Lvviva!" (Er Ich hoch) ausgcstoßen hatte, in die Tiefe. Aus der Terrasse des Domes, welche dem Koch Vittoria Emanuele gegenüber liegt, waren gerade Arbeiter damit beschäftigt, Marmor- platten zu behauen und einzulegen. Aus diese Platten schlug der Körper des Unglücklichen auf und war sofort zu einer formlosen Masse zusammengedrückt, ch von einer Blutlache umgeben war. Er war 50 Meter tief hinabgefallen. Als ch Radfahrer, die dem grausigen Schauspiele beigewohul hatten. unten anlangien, prallten sie vor Schrecken zurück; aus dein zerschmetterten Schädel quoll die Hirnmasse hervor, die Arm- und Beinknochen waren buchstäblich zersplittert. Wie sich herausstellte. hieß der Unglückliche Enrico Pinn und widmete sich in Bologna dem Studium der Jurisprudenz. Er scheint im Wahnsinn die grausige Thal ausgeführt zu haben. Man erörterte in der Stadt eifrig die Frage, ob die Kirche nicht von neuem geweiht werden müßte.
Durch eine tragbare Felddruckerei wurden bei den diesjährigen österreichischen Manövern die Tagesbefehle gesetzt und gedruckt. Es ist dies das erste Mal in Oesterreich, daß anläßlich der Manöver auch die Felddruckereien zur Kriegsübung herangezogen wurden und dieses überaus wichtige Mittel zur Befehlserteilung im Kriege praktisch erprobt wurde. Eine ebenso interessante Neuerung stellte das Telephon bei den diesjährigen Manövern dar, welches außer der Pch und dem Telegraphen sowohl am Hoflager in Schwarzenau, als in dem Hauptquartier der Manöver-Oberleitung in Göpfritz errichtet wurde und den unmittelbaren Verkehr zwischen den beiden Zentren des Manöverfeldes und nach sonstigen Richtungen ermöglichte.
(Eine Riesenschaukel.) Zu den mehr oder weniger wahnwitzig n Plänen, welche die Ausstellung in Chicago zeitigte, gehört neben dem 340 Meter hohen Proctor- Thurm der sogen. Balancier-Thurm von Oberlin Smith. Derselbe soll auS einem Pfeiler von 183 Meter Höhe bestehen, der von einem Columbus-Standbilde gekrönt ist. Durch die Spitze des Thurmcs geht ein Zapfen, welcher einen ungeheueren um den Zapfen wagebalkenartig schwingenden Balken zur Achse dieut. Dieser 335 Meter lange Balken hat an beiden Enden Kugeln von 30 Meter Durchmesser, welche in Folge ihrer Belastung stets die gleiche Lage behalten. Die Ausstellungsbesucher nehmen in der einen Kugel Platz, woraus die Maschine im Thurme sich in Bewegung setzt und auf de» Zapfen wirkt. Dadurch werden die Leute in einigen Minuten 330 Meter hoch in die Luft gehoben, während die Fahrgäste in der entgegengesetzte» Kugel, nachdem sie ihre Schaulust befriedigt, ebenso schnell zur Erde befördert werden.
(Immer derselbe.) ?. k. Isaak Goldstaub und Frau beehren sich. Sie einzuladen zu ihrer am 15. Oktober stattfindenden garantiert echt silbernen Hochzeit. (Lust. Bl.)
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.