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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Wildbad, 26. August. Man hört gegenwärtig darüber raisonieren, daß der hiesige Gemeinderat auf Ersuchen des z. Z. hier weilenden Pariser Bankiers v. Rothschild, welcher für die Gewährung seiner Bitte an die Armenkasse 200 vlL erlegt hat, das Schlagen der Thurmuhr der Stadtkirche während der Nacht einstellen Heß. Diese Thatsache wurde in den letzten Tagen auch in mehreren Korrespondenzen an auswärtige Blätter in tendenziöser Weise aufgebauscht, indem der wahre Sachverhalt verschwiegen wird. Dem St. Beob. wird nun zur Richtigstellung seiner Notiz und im Interesse der Wahrheit geschrieben, daß schon im Jahre 1888 die hiesigen Gasthosbesitzer und Aerzte an das Stadt- schullheißenamt das Ersuchen gerichtet haben, es möchte der kranken Badgäste wegen der außergewöhnlich geräuschvolle Uhrenschlag während der Nacht eingestellt werden. Die Gemeindekollegien hätten damals diesem Ansuchen entsprochen, die Ausführung dieses Beschlusses sei aber aus unbekannten Gründen unterblieben, bis Hr. Dr. Haußmann das Gesuch kürzlich mit Rücksicht auf den als nervenkrank angekommenen Hr». v. Rothschild erneuerte. Diese Rücksichtnahme hat der Gemeinderat für angezeigt gehalten, zumal in letzter Zeit mehrere bezügliche Klagen laut geworden sind. Nach dieser Sachlage ist es gewiß zu mißbilligen, wenn die erwähnte Anordnung zum Gegenstand tendenziöser Angriffe gemacht wird. Der Gemeinderat hat ganz im Interesse des Fremdenverkehrs gehandelt; nicht er hat einen Schwabenstreich begangen, sondern diejenigen, welche ihn schelten, bekunden ihre eigene Herzensrohheit u. gewisse chauvinistische Neigungen. In der ganzen weiten Welt ist es üblich, daß man einem Kranken zuliebe, gleichviel welcher Nationalität er angehört, jede Störung seiner Nachtruhe möglichst fernhält, und da heutzutagejedermann mindestens eine Taschenuhr besitzt, zuweilen auch Stubenuhren, so ist in der That nicht einzusehen, worin für die Bewohner und Badgäste durch jene Maßregel eine Verkümmerung ihrer Interessen bewirkt worden wäre. Mele Leute wohnen ja doch so weil von den Thurmuhren entfernt, daß sie dieselben nicht mehr schlagen hören, auch wenn sie nachts nicht schlafen können. — An einem Badeorte sind vielfach andere Rücksichten zu üben, als an andern Plätzen. Die Badverwaltung und die Behörden sind bemüht, allen billigen Anforderungen und Wünschen entgegenzukommen und haben dies namentlich in gegenwärtiger Saison durch eine Reihe von neuen Einrichtungen und Veranstaltungen unverkennbar bewiesen. Wenn trotzdem eine gewisse Manie darin gesucht wird, das Renommee unserer heimischen Badeorte zu schmälern, so ist dies gewiß eine recht bedauerliche Thatsache.
Martinsmoos, OA. Calw, 21. Aug. Am Mittwoch den 19. d. M. gab unser Hr. Reichstagsabgeordneter Landgerichtsrat Frhr. v. Gültlingen vor einer zahlreichen Versammlung in der Krone zu Martinsmoos Rechenschaft über seine Thätigkeit im Reichstag. Hiebei wußte er seinen anwesenden Wählern die Fragen,
die im Reichstage zur Sprache kamen und ein Verhalten zu denselben in so beredten, klaren und überzeugenden Worten zu childern, daß jeder der Anwesenden die Ueberzeugung gewann, daß der Herr Abgeordnete ganz im Sinne seiner Wähler gehandelt habe. Der freudigen Genug- thuung, daß die Wähler gerade diesem Manne, der das Herz auf dem rechten Fleck habe, bei der letzten Wahl vom ganzen Ort ihre Stimmen gegeben haben, verliehen sie dadurch Ausdruck, daß sie ein begeistertes Hoch ausbrachten und sich mit dem Versprechen trennten, aus diesen Mann, der für das Wohl des Volkes ein so warmes Herz hat, bei der nächsten Wahl wieder ihre Stimmen zu vereinigen.
L'noilik.
Deutschland.
Der deutsche Kaiser ist von seinem Unfall wieder völlig hergestellt und hat sofort nach seiner Rückkehr von Kiel die große Herbstparade des Gardekorps auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin abgenommen , wobei er vier Stunden zu Pferde saß. Der Kaiser hat sich auf seiner Nordlandsreise einen Vollbart stehen lassen, welcher namentlich bei der Frauenwelt großes Interesse erregt und förmliche Debatten darüber hervorruft, ob er ihm schön zu Gesichte steht oder nicht — der reinste Streit um des Kaisers Bart. Von Berlin hat sich der Kaiser zu Manövern nach Thüringen begeben und in Merseburg eine sehr bemerkenswerte Rede gehalten. Er führte, wie schon erwähnt aus, daß der Bauernstand nicht schutzlos gemacht werden dürfe und daß wir alle als Christen zu tragen haben, was der Himmel schickt. Damit hat der Kaiser kundgegeben, daß er nicht gewillt ist, die deutschen Bauern durch Aufhebung der Kornzölle schädigen zu lassen. Sehr resigniert klangen die Worte des Kaisers: „Wir alle erhoffen den Frieden, wenn es aber einmal anders kommt, werden wir nicht schuld daran sein!" Viele erblicken in dieser Aeußerung eine Andeutung, daß die Hoffnungen auf Erhaltung des europäischen Friedens mehr und mehr dahin schwinden.
Der Kaiser unterzog bei der Frühstückstafel am 25. das neue Weizenmehlsoldatenbrot einer persönlichen Prüfung.
Berlin, 27 Aug. Die „Nordd. Allg. Ztg." bespricht heute den von einigen Blättern gebrachten, vielfach erörterten Vorschlag, nach welchen die Reichsregierung ermächtigt werden soll, Roggen und Weizen zollfrei einzuführen und das eingeführte Getreide dem inländischen Consum zum Selbstkostenpreise zur Verfügung zu stellen. Das Blatt hält den Vorschlag aus einer Reihe von entscheidenden inneren wie besonders auch rechtlichen Gründen für undurchführbar und hebt hervor, die Verwirklichung dieses Vorschlags würde, ohne den erhofften Nutzen zu bringen, eine schwere Schädigung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse zur Folge haben.
Berlin, 26 August. Der Reichsanzeiger veröffentlicht den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Bekämpfung des Mißbrauchs gei st igerGetränke.
Württemberg.
Stuttgart, 26. Aug. Zwischen Fellbach und Schmiden fanden heute Vormittag unter großem Andrange des Publikums die Regimentsvorstellungen des Genadierregiments und des Jnf.-Rgts. Kaiser Friedrich statt. Zugegen waren der kommandierende General von Wölke rn, der Kriegsminister von Steinheil, der Divisionsgeneral von Linde- quist sowie der gesammte Generalstab. Die Herren sprachen sich im allgemeinen recht lobend über die vorzüglichen Leistungen der Mannschaften aus. Morgen Donnerstag ist Rasttag, worauf am Freitag morgen der Abmarsch beider Regimenter in das Manöverterrain erfolgt. Dieselben werden sich zunächst zu Fuß bis Herrenberg begeben, daselbst, wie in der Umgebung findet am ersten Tage die Einquartierung statt. Andern Tags ist Weilermarsch nach Horb woselbst das Brigadeexerzieren abgehalten werden soll. Größeres Divisionsmanöver findet dann später auf dem Rückmärsche bei Herrenberg statt, wozu sich voraussichtlich, da es nicht weit von Stuttgart entfernt liegt, viele „Schlachtenbummler" einfinden werden, umsomehr da mit diesen Uebungen ein größeres Bivouak verbunden ist, welches stets auf das Zivilpublikum eine große Anziehungskraft ausübt.
Stuttgart, 24. Aug. Der Verkehr auf dem hiesigen Bahnhof war am gestrigen Sonntag wiederum ein sehr reger, wozu hauptsächlich das Gauturnfest in Waiblingen. sowie der nach Freudenstadt abge- lassene Extrazug beitrugen. Letzterer hatte eine Teilnehmerzahl von ungefähr 300 Personen. Der heute morgen zur elektrischen Ausstellung nach Frankfurt abgegangene Extrazug wurde von ungefähr 250 Personen in Anspruch genommen.
In der Nähe der Station Groß- sachsen hei m ist der verstümmelte Leichnam eines Mannes zwischen den Geleisen aufgefunden worden.
Schmiden, 24. Aug. Nachdem die Ernte nunmehr beendigt ist, läßt sich über den Ausfall derselben erst ein eigentliches Urteil bilden. Dasselbe kann dahin zusammengefaßt werden, daß was Güte und Menge anbetrifft, dieselbe das vorige Jahr übertrifft. Die Frucht ist schwer und das Mehl sehr gehaltvoll, was vornehmlich dem langsamen Ausreisen zuzuschreiben ist. Das Viertel ergab durchschnittlich 60—70 Garben und von manchen derselben sind zu einem Simri Frucht kaum 3 notwendig. Das Stroh ist durchweg lang und sehr schön.
A u S l a n d.
Die französische Flotte ist von Portsmouth nach Cherbourg zurückgekehrt. Obgleich die Engländer sich alle Mühe gaben, ihren französischen Gästen den Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen und ihnen mit allen denkbaren Schmeicheleien an den Bart zu gehen, wobei sich die Königin sogar zu einem Begrüßungstelegramm an den Präsidenten Carnot verflieg, sind die Franzosen noch immer nicht zufrieden gestellt, weil eben den Engländern der russische, von Wutki und Champagner berauschte Enthusiasmus nun einmal nicht gegeben ist. Admiral