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Scilage M Nr. 135 des Eiythälcrs.
Neuenbürg, Donnerstag den 27. August 1891.
Moltkes Werk über den deutsch-französischen Krieg.
Als Graf Moltke durch den Tod seinem Volke, das mit unauslöschlicher Dankbarkeit an dem großen Paladin des ersten deutschen Kaisers hieng, entrissen wurde, erhob sich laut von allen Seiten der Wunsch, es möchte jetzt zusammengefaßt und veröffentlicht werden, was der nimmer rastende Geist des Verstorbenen schriftlich niedergelegt hatte. Schon lange schätzte die Welt in dem Schlachtendenker zugleich einen der Klassiker der deutschen Sprache, mochte er nud schildern, wie die römische Campagna im Morgenglanz vor dem Auge des mit Meßlisch und Fernrohr arbeitenden Offiziers in all ihren geschichtlichen Veränderungen lebendig wurde, oder mit großen Zügen die politische und mili- < tärüche Lage von Staaten und Völkern beschreiben. Sein Wanderbuch und seine Reisebriefe, die geschichtlichen Darstellungen über Polen unr die Niederlande wie seine kriegswissenschaftlichen Arbeiten hatten in ihrer kristallhellen Klarheit mit der Tiefe ihres GedankenreichtumsdasVerlangen entstehen lassen müssen, alles kennen zu lernen, was der berühmte Feldherr geschrieben.
Schneller» als man gehofft, ist der Wunsch teilweise erfüllt worden. Die Geschichte des deutsch-französischen Krieges von 1870—71 ist als erstes Glied der „Gesammelten Schriften und Denkwürdigkeiten des General-Feldmarschalls Grafen Helmuth v. Moltke" (Berlin, E. S. Mittler und Sohn) eben erschienen. Sie lag fertig vor, und obgleich sie als III. Band der ganzen Reihe gedacht ist, hat die Familie des Entschlafenen sie doch sofort veröffentlicht.
Das Verdienst, den greisen Feldmarschall zur Abfassung dieser Geschichte bewogen zu haben, gebürht dem Neffen, Major v. Moltke. Auf sein stetes Drängen hat der die jetzt vorliegende Arbeit abgcfaßt, um der großen Menge der Leser, für welche, wie er selbst sagte, das Generolstabswerk zu sehr ins Einzelne gehe und zu fachmännisch geschrieben war. eine gedrängte Darstellung des Krieges zu bieten. Indem er dieses Ziel verfolgte, faßte er, wie sein Neffe darlegt, die Aufgabe dennoch unwillkürlich, aber unumgänglich von seinem Standpunkt, dem des Generalstabschefs, auf, d. h. er ordnete die Ergebnisse in den Zusammenhang des großen Ganzen, der nur an der leitenden Befehlsstelle erkannt und gegeben werden konnte. So ist das zur volkstümlichen Belehrung unternommene Werk in seiner Gedankenfolge die Aeußerung der eigensten Beurteilung durch den General- Feldmarschall selbst. Und alle Vorzüge, die den früheren Werken des Grafen Moltke zu eigen waren, weist auch das neue auf. Dieselbe wundervolle Ruhe und Klarheit der Sprache, die nie fehlgreifende oder versagende Wahl des richtigen Ausdrucks, das maßvolle, alles abwägende Urteil und dazu der weite Blick, dem sich die einzelnen Begebenheiten und
ITHatsachen zusammenschließen zur großen I Kette: sie alle finden sich in der Geschichte des Krieges wieder. Der Mann, welcher die militärischen Geschicke Deutschlands in dem großen Ringen geleitet, tritt in seiner eigenen Darstellung dieser Ereignisse nirgends hervor. Wie sein Leben hindurch gilt ihm die Sache alles, die eigene Person nichts.
In der Einleitung führt der Feldmarschall aus, wie in der Gegenwart nicht mehr fürstlicher Ehrgeiz, sondern Stimmungen der Völker den Frieden gefährden. „Weniger kommt es heute darauf an", so sagt er, ob ein Staat die Mittel besitzt, Krieg zu führen, als darauf, ob seine Leitung stark genug ist, ihn zu verhindern. So hat das geeinigte Deutschland seine Macht bisher nur dazu gebraucht, den Frieden in Europa zu wahren, eine schwache Regierung beim Nachbar aber ist die größte Kriegsgefahr." Daraus entwickelt nun Graf Moltke die Verhältnisse, welche die Regierung des zweiten Kaisertums zu dem ganz unvorbereiteten Krieg trieben, zu dessen glücklicher Beendigung man auf den Zwiespalt der deutschen Stämme erfolglos hoffte. Eingehend wird der Wirrwarr geschildert, in welchen das französische Heer geriet, als es mobil machte und das geplante überraschende Angriffsverfahren beginnen wollte, mährend der Chef des preußischen Generalstabs stolz schreiben darf: „Es blieb in den getroffenen Maßnahmen nichts zu ändern, sondern nur Vorbedachtes und Vorbereitetes aus- zuführen."
Es würde zu weit führen, hier in die Einzelheiten des Buches einzugehen, welche neue Lichter auf die Anschauungen des Feldmarschalls werfen, nur einige seien hervorgehoben. So meint er nach der Schlacht von Spich er n, „die weder beabsichtigt noch wahrscheinlich war," zu der Behauptung, sie sei am Unrechten Orte geschlagen worden und habe höhere Pläne durchkreuzt: „Allerdings war sie nicht vorgesehen. Im allgemeinen aber wird es wenig Fälle geben, wo der taktische Sieg nicht in den strategischen Plan paßt. Der Waffenerfolg wird immer dankbar acceptiert und ausgenutzt werden." Bei der Darstellung der Bewegungen, welche den drei Schlachten bei Metz vorangingen, fließt der leise Tadel ein, man habe nicht überall die nötige Vorsicht für geboten gehalten und gemeint, die Franzosen, welche in vollem Rückzug begriffen seien, nicht ohne Schädigung ziehen lassen zu dürfen und deshalb sich ohne Zögern ihnen angehängt. Damit sind die Begegnungsschlachten von Colombey und Vionville gemeint. Auch den letzten Vorstoß, welchen am 16. Aug. Prinz Friedrich Karl um 7 Uhr abends machen ließ, billigt Moltke nicht, weil man den weit überlegenen Feind nicht durch erneute Angriffe herausfordern und, wo keine Unterstützung mehr zu hoffen war, den§ schwer erkauften Erfolg nicht wieder in! Frage stellen durfte. '
Ungeteiltes Lob dagegen wird dem Commandeur des III. Corps, v. Alvens- leben, zuteil, dessen Führung bei Vionville eine der glänzendsten Waffenthaten des ganzen Krieges genannt wird. Grave- lotte-St. Privat war eine geplante und vorbereitete Schlacht, kühn schon in der Anlage, da die Deutschen mit verkehrter Front, den Rücken nach Paris, fochten. Manche interessante Bemerkung findet sich in der Darstellung des Kampfes. So tadelt Moltke sich selber, daß er das Vorgehen der Pommer» über die Mance am Abend gestattet hat. „Eine völlig intakte Kerntruppe konnte am folgenden Tage sehr erwünscht sein, an diesem Abend aber hier kaum noch 'einen entscheidenden Umschwung herbeiführen." Mir gerechtem Stolz aberweist er darauf hin, daß in der Nacht zum 19. der Generalstab alle durch die neue Lage den Sieg erheischenden Befehle ausgearbeitet hat, sodaß sie am nächsten Morgen dem König vorgelegt werden konnten.
(Schluß folgt.)
Berlin, 23. Aug. Die unterirdische Telegraphenlinie zwischen Berlin und München ist am 21. Aug. eröffnet worden. Nachdem nach mehrjährigen Verhandlungen ein günstiges Ergebnis durch das Entgegenkommen der bayerischen und der württembergischen Staatsregierung erzielt war, wurde im Jahre 1889 zunächst die Kabellinie zwischen Karlsruhe und Stuttgart und damit der Anlaß an das unterirdische Reichsnetz hergestellt. Nunmehr ist auch der unterirdische Anschluß für die Linie Berlin-München durchgeführt. Das Kabel hat sieben Adern, wodurch sieben neue Leitungen gewonnen sind. Es wird außer für die beiden Endpunkte Berlin und München auch für die Zwischenorte Dresden, Chemnitz, Nürnberg und Ingolstadt neue Verbindungen gewähren. Die Herstellung der neuen Linie war namentlich bei den Uebergängen über das sächsische Erzgebirge und das Fichtelgebirge, welche wegen der ausgedehnten und harten Felslager nur durch umfangreiche Sprengungen zu bewerkstelligen waren, mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Die Verbindung arbeitet in tadelloser Weise.
Weinheim an der Bergstr, 22. Aug, Vor einigen Tagen warf die Kuh eines hiesigen Landwirts ein Kalb mit zwei vollständig ausgcbildeten Köpfen und einem kleinen Höcker auf dem Rücken.
Aus dem Ma ingau, 22. Aug. Bei Höchst wurde im Main die Leiche eines Mannes gelandet, welche in einem Sack eingenäht war. Die Herkunft der Leiche ist noch nicht festgestellt.
Aus Ludwigshafen, 24. Aug. wird gemeldet: Aus geringfügiger Ursache schoß heute Nacht auf dem Hcmshof der Fabrikarbeiter Wittner vier Revolverschüsse auf den Fabrikarbeiter Braun ab, wovon einer streifte, die andern fehl gingen. Der ! verletzte Braun gab gleichzeitig einen Fehlschuß ab.