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und einem Volksfest gewidmet. Die letzte Haupthandlung der Feier war ein geschichtlicher Festzug, an welchem 1400 Darsteller mitwirkten und der sich teilweise auf dem gleichen geschichtlichen Boden bewegte, wie das Festspiel. Derselbe nahm unbestreitbar unter allen ähnlichen Aufzügen, die Bern und die ganze Schweiz je veranstaltet, den ersten Rang ein hinsichtlich der Mannigfaltigkeit, der Farbenpracht, der geschichtlichen Treue der Gewänder, der Reichhaltigkeit der Ausstattung. Großartig wirkte namentlich die Erscheinung so vieler geharnischter Ritter und der Trachten der alten Berner. Die am meisten bewunderten Gruppen waren diejenigen der zähringischen Zeit, des 13/ Jahrhunderts, der Eintritt Berns in den Bund, die Zeiten der Laupen- und Burgunderkriege, und schließlich eine prächtige, lebenswarme Darstellung der bernischen Landschaft: Alpfahrt eines Senntums, der Heuet, die Ernte, eine beschäftigte Käserei, ein bäuerlicher Hochzeitszug, ein Ackcrzug mit Stieren u. s. w. Einzelne Gruppen wohl auch einzelne Darsteller wurden vom Publikum begrüßt, sogar mit Blumen überschüttet. — Aber im allgemeinen war die Freude der Volksmenge eine gedämpfte, der Jubelton des Festes war verklungen, denn das neue schreckliche Eisenbahnunglück hielt alle Gemüter befangen. Die Zugsteilnehmer verzichteten denn auch auf Tanz und Spiel bei ihrer Vereinigung in der Festhütte, wo auch vom Publikum gestern wie heute noch jeder un- ziemliche Lärm vermieden wurde.
Ausland.
London, 20. Aug. Die Lokalblätter von Portsmouth veröffentlichen ein Willkommen-Gedicht für die französische Flotte und feiern die allgemeine Verbrüderung. Sie bringen ferner rühmende Lebensbeschreibungen und das Bildnis des Admirals Gervais.
WisMen.
Am Meer.
Erzählung von L. Frank.
(Nachdruck verboten-) «Fortsetzung.)
„Ihr, Jenssen, bleibt zu Haus. Nichts für ungut, aber Ihr seid alt und habt für diese Waisen zu sorgen; aber den Franz muß ich dazu haben. — Potz Donnerkiel, wenn uns der schuftige Kerl geschickt zwischen die Hände kommen sollte, wir würden ihm das Handwerk für immer legen."
„Verschmähet den Rat eines alten Mannes nicht und unterrehmet nichts Unrechtes und Gewagtes. Der schwarze Jack ist Euch allen an Schlichen und Tücken über. Wollet Ihr die Sache nicht lieber dem Seeamt anzeigen?"
„Habe ich bereits gethan; aber damit ist nichts geholfen. Was hilft es, wenn Deutschland sich bei England beklagt wegen Verletzung der Grenze. Der Schuft weiß seinen Hals geschickt aus der Schlinge zu ziehen. Fangen müssen wir ihn und den Behörden ausliefern, sonst kommt er ungestraft durch."
„Großvater, jetzt ist es neun Uhr und stockfinstere Nacht, Ich fürchte, Franz ist doch ein Unglück zugestoßen," unterbrach ängstlich das junge Mädchen, das während des laut und erregt geführten Gespräches der Männer am Fenster gestanden war, die beiden Sprechenden.
„Hm, ist freilich spät," sagte Karsten, der wieder eifrig beschäftigt war, seine Pfeife zu laden, „brauchst aber keine Sorge um Dein Brüderchen zu haben, Anna; der ist eine echte Teerjacke, der das Wetter vorauswittert und sich in jeder Lage zu helfen weiß." Nachdem wieder bläuliche Rauchwolken aus dem nur wenig geöffneten Mund wirbelnd herausströmten, bemerkte er:
„Könntest doch einmal an den Strand hinausgehen Wilhelm, und sehen, ob nicht ein zweites Boot, das Eurige Du kennst es ja — draußen liegt."
Der Angeredete zog sich seine Kappe über die Ohren und ging hinaus. Karsten fuhr pfiffig lächelnd zu Anna gewendet fort:
„Vielleicht ist er schon da und umschleicht nun schmachtend „fein Liebchens" Haus. Meinst Du nicht auch, Aennchen?" Anna errötete tief und bat den Onkel mit den Augen flehend, diesen Punkt zu meiden, mit einem warnenden Blick auf den Großvater.
„Was Ihr da sagt, Karsten!" erwiderte dieser mit Ueberraschung. „Glaubt Ihr wirklich, der Junge hat schon solche Mucken im Kopf. Daß er immer in die Welt hinaus und Matrosendienste auf einem Lloydjchiffe thun will, das weiß ich leider hinlänglich. Aber daß er Liebschaften hat und ans Heiraten denkt, das ist mir neu. Er scheint mir zudem etwas recht frühzeitig an Derartiges zu denken."
„Erlaubet mir, Jenssen, da habt Ihr uun doch Unrecht. Wenn ein Junge vier Jahre bei der kaiserlichen Marine gedient und es zum Obermatrosen gebracht hat, in allen Meeren umhergesegelt ist und sechsundzwanzig Sommer gesehen hat, dann darf er sich schon ein Schätzchen einthun. Bin auch einmal jung gewesen."
Anna hatte sich währenddessen im Hintergründe der Stube zu schaffen gemacht, sie zitterte für ihren Bruder, den sic über alles liebte und dessen unglückliche Liebe ihr bekannt war; sie konnte den Blick ihres Großvaters nicht ertragen. Da kehrte Wilhelm zurück und berichtete, daß nur Onkels Boot am Strande liege. Anna erblaßte. Karsten, der es bemerkte, sagte ruhig:
„Nun, dann ist er in Norderney geblieben und wird morgen schon kommen. Sei nur ruhig, Anna."
Der Großvater war unterdessen nachdenklich dagesessen, das Gesicht von seinen auf den Tisch gestützten Händen bedeckt. Nun er wieder aufsah, lag eine finstere Falte auf seiner hohen Stirn, und sein Mund war herb geschloffen.
„Höre Anna," sagte er rauh, „hat diese Liebschaft einen Zusammenhang mit Deiner Freundschaft zu den Leuten, die vor einem halben Jahr hierher gezogen sind und bei dem alten Steuermann Klausen wohnen? Vielleicht ist auch Deine vornehm thuende neue Freundin die Angebetete."
Anna war bis zum Tode erschrocken. Sie vermochte nicht zu antworten, die Worte blieben ihr im Halse stecken. Schon schwoll die Stirnader des Großvaters, ein Vorzeichen seines Zornes. Karsten legte sich jedoch ins Mittel.
„Ihr mögt Recht haben, Jenssen. Ich glaube auch. daß dort der Has in, Pfeffer liegt. Aber beruhigt Euch, es sollen ehrliche und rechtschaffene Leute sein."
„Mag sein, aber kein Mensch weiß, woher die kommen und was sie sind und wovon sie leben. Und solche Leute, die sich immer so zurückziehen und den Besonderen spielen, die sind mir in der Seele zuwider. Das hochnäsige Volk ist jedenfalls für Fischersleute kein Umgang und das Mädchen keine Frau für einen Fischer. So lange ich ein Wort zu sagen habe, wird daraus nichts. Punktum! Der Franz hat heilige Pflichten gegen seine Geschwister, und ich bin ein alter Mann. Solange seine Geschwister nicht selbst für sich sorgen können. solange kann bei ihm von Heiraten keine Rede sein, das soll er sich merken."
Der Onkel war aufgestanden und hatte nach seinem Hut gegriffen. Mit eigentümlich gutmütigem Lächeln hatte er dem Großvater zugehört und mächtige Rauchwolken in die Luft geblasen. Nun sagte er:
„Hm, nur ruhig bleiben, Jenssen; der Onkel Karsten ist auch noch da, wenn es gilt." Er hustete verlegen. „Hm, was aber jene Leute angeht, so seid ihr falsch daran. Es kann auf Skanderoog auch Leute geben, die etwas von ihrer Herkunft wissen, und darunter ist auch der Onkel Karsten. — Ja, ja, Jenssen. es ist freilich lange her. Wenn Ihr Euch noch an einen Steuermann Peterson erinnern könnet, dann kennet Ihr auch seine Frau und seine Tochter. Gut' Nacht, Janssen, gut' Nacht Anna!"
(Fortsetzung folgt.)
Berlin. (Die Störche ziehen ab.) Am Mittwoch sah man bei klarem Wetter und etwa 8 Grad Wärme in der Gegend des Oranienplatzes hoch oben in den Lüften eine große Anzahl Störche — etwa 3 bis 400 — in der Richtung von Norden nach dem Süden langsam über Berlin dahinziehen. Diesem Zuge pflegen sich, je weiter er nach den südlichen Ortschaften vorrückt, desto mehr der langbeinigen Gesellen anschließen. Im vorigen Jahre konnte man den Storchenzug am 23. August, einen Tag vor dem Stralauer Fijchzug, beobachten.
(Ländlich.) Gast (in einem Wirtshaus): „Herr Wirt, Ihr Hund ist doch ein verdammt dummes Vieh; immer jage ich ihn fort und jedes Mal kommt er wieder ganz vertraut her; das stört mich beim Essen." — Wirt: „Ja, wissen Sie, mein Karo, das ist ein gescheites Tier; jedenfalls haben Sie gerade den Teller, aus dem er sonst frißt."
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.