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brüderungsjubel selbstgefällig wörtlich schreibt: „Es ist allen bekannt, daß der - Kaiser beim Peterhoser Mahl den hochbedeutungvollen Trinkspruch aus das Wohl des Präsidenten Carnot und das Gedeihen der französischen Flotte insbesondere des Geschwaders des Admirals Gervais ausbrachte. Infolge dieser Worte fand während des zwölftägigen Aufenthalts der Franzosen lange eine Reihe unerhörter und eindringlicher Ovationen von tiefem Sinne statt. Wenn jemals jemand sich aä oeulos überzeugen konnte, was die Worte des Zaren in Rußland vermögen, so konnten dies die Franzosen. Groß ist die Zahl der wahrhaft pompösen Ausdrücke heißer und aufrichtiger Sympathie des russischen Volkes für das französische Volk und keine zufällige Abweichung, keine irgend jemandem unangenehme Andeutung trübte den denkwürdigen .zwölftägigen Jubel, sowie als Entwicklung der Worte des Zaren den Ausdruck der stillen aber wahren Kraft des treuen Zarenvolkes." An „unangenehmen Andeutungen" hat es nun gerade nicht gefehlt.
Mizellen.
Ein Verbrecher.
Erzählung von Feodor Bern.
^Fortsetzung.)
Mitten aus dem heitersten Himmel ein so unerwarteter schwerer Schlag. Die Bestürzung war allgemein — vergebens wurde nach Aufklärung gesucht. Die Herren ergingen sich in Vermutungen ünd warteten in Ungeduld auf den Augen- blick, wo ihre Wagen zur Abfahrt bereit waren. Frau von Friesen lag noch besinnungslos im Nebenzimmer.
Auf dem Hof war ein buntes, wirres Durcheinander. Alle Pferde sollten zu gleicher Zeit angeschirrt werden, jeder Wagen wollte zugleich Vorfahren. Dazu hakte sich das halbe Dorf, neugierig, ein Näheres zu erforschen, auf den Gutshof gedrängt. Niemand verwehrte das Eintreten mehr. Sie hätten in den Saal dringen können, keiner würde es verhindert haben.
Wagen auf Wagen rollte aus dem Dorf, Schnell — um nur so bald als möglich dieser Stätte des Schreckens zu entfliehen. Frau von Friesen war die letzte, welche das Dorf verließ. Nur ihr Wagen fuhr langsam, fast bedenklich langsam. Eine Kranke bis auf den Tod Erschöpfte saß darin. Wilde, wirre Bilder tauchten vor ihren Augen auf. Sie streckte die Hände aus. um ihn, mit dem sie am folgenden Tag für immer hatte verbunden werden sollen, zu fassen — zu halten, zu schützen — vor den Gensdarmen.
Sie sann nicht nach, weshalb das alles geschehen war, sie wußte nur, daß es geschehen war.
Auch in dem Dorf hatte sich die Aufregung, welche des Gutsbesitzers Verhaftung hervorgerufen, gelegt. Die hereingebrochene Nacht rief zur Ruhe. Im Dorf, auf dem Gut, — im Garten war es still. Kein Licht schimmerte mehr. Ruhe — Ruhe, nach so viel Aufregung.
Nur in dem kleinen Hause des Waldhüters brannte noch in dem Zimmer
spärlich eine Lampe. Die närrische Liese saß darin allein in einer Ecke. Sie hatte den Kopf auf beide Hände gestützt und blickte starr — in Gedanken auf die Erde. Nur dann und wann zuckte sie erschreckt auf. Doch es hatte müssen so sein — ihr Geliebter war er ja nicht mehr!
Der Morgen des folgenden Tages brach herein.
In engem Raum des Gefängnisses saß der Herr von Buchen. Er trug noch die Kleidung vom Abend zuvor — von seinem Polterabend. Das feine schwarze Beinkleid, den Frack, die weiße seidene Weste. Dies alles stand im grellsten Gegensatz zu dem Raum. in welchem er sich befand. Sein Gesicht war bleich, die Augen blickten matt, abgespannt, nur dann und wann leuchteten sie glühend auf. Die Lippen waren fest aufeinandergepreßt. Sie bebten leise und verrieten die gewaltige innere Bewegung.
^ Welche Nacht hatte Buchen durchlebt! Tein Schrecken war anfangs in kraftlose Ohnmacht übergegangen. dann hatte er sich mit wilder Verzweiflung emporgerafft und an der festen Thür des Gefängnisses gerüttelt.
Endlich war er ruhiger geworden. Sein schafer Verstand hatte die Oberhand gewonnen. Was ihn erwartete, sah er voraus, aber er war nicht gesonnen, sich ohne Widerstand in sein Geschick zu fügen. Jetzt war er ruhig, nur das zeitweise Zucken seiner Hände verriet seine große Nervenaufgeregtheit. Er war gesonnen, mit ruhiger, eiserner Stirn allem entgegen zu treten und er besaß die Kraft, dies durchzuführen.
Jetzt freilich verließ ihn die erzwungene Ruhe noch von Zeit zu Zeit, denn mehrere Male schlug er sich mit der Hand vor die Stirn, aber er war allein — niemand konnte ihn beobachten.
Als der Gefängniswärter eintrat und ihm einige Nahrung brachte, stand er auf. Mir trotziger Ruhe ging er in dem Raum auf und ab und warf dem Mann nur einen stolzen verachtenden Blick zu. Sein Lebenlang verwöhnt, sollte er jetzt zu Brot und Wasser greifen. Unwillig schob er beides zur Seite. Und doch griff er nach einiger Zeit wieder darnach und aß hastig ein Stück Brot. Schwere Stunden erwarteten ihn und er mußte alles thun, um sich die Kraft dazu zu bewahren.
Er war auf alles gefaßt. Von Stunde zu Stunde erwartete er. zum Verhör gerufen zu werden und jede Antwort hatte er sich im Geist zurecht gelegt. Der Tag neigte sich zu Ende und er blieb allein, ungestört. Selbst den folgenden Tag noch. Dieses ungeduldige Warten, die fortgesetzte Aufregung, das fortwährende Sichbereit- halten rieben seine Kräfte am meisten auf.
Er erblickte eine Absichtlichkeit des Untersuchungsrichters darin, der sich auf' diese Weise für die ihm widerfahrene Kränkung rächen wollte. Sein Haß gegen diesen Mann steigerte sich dadurch bis zum Höchsten.
Ein anderer Zwischenfall hatte indes diese Verzögerung hervorgerufeu, denn Conradi war mehr von Mitleid als von Erbitterung gegen ihn erfüllt.
Als Heinrich mit seiner Mutter in die ^ Stadt gefahren war. hatte er auch die ^ Erlaubnis erhalten, den Waldhüter zu besuchen und eine frohe Nachricht hatte ei ihm überbracht. Die Versicherung seiner baldigen Befreiung hatte er ihm geben können.
Endlich — endlich hatte Steingrubei freier aufgeatmet. Sein ganzes Wesen schien plötzlich eine Umgestaltung zu erleiden. Die Furcht hatte bis dahin alles in ihm niedergehalten. Selbst sein Gedächtnis war freier und schärfer geworden, weil er ruhiger zurückdachte an alles, was geschehen war. Nun mußte alles bald ein Ende nehmen.
Am andern Morgen hatte er den Untersuchungsrichter um ein kurzes Gehör gebeten und ihm mitgetcilt, daß es ihm während der Nacht eingefallen sei, daß er damals, an jenem Abend, wo er die beiden Zehn-Thalerfcheine gefunden, das Papier, in welches dieselben eingewickelt gewesen, nicht weggeworfen, wie er angegeben. Seine Büchse habe er damit geladen und er habe sie nicht wieder abgeschossen.
(Fortsetzung folgt.)
Berlin, 30. Juli. Eine besonders unliebsame Unterbrechung seiner Reise erlitt ein reicher Rumänier, welcher am letzten Dienstag von Karlsbad nach Berlin unterwegs war. An dem Goldfinger seiner rechten Hand blitzte em Diamautring im Werte von über 3000 M. Kurz vor Berlin wollte der Reisende Papier durch das Coupsfenster werfen, wobei ihm der Ring vom Finger und auf die Bahnstrecke flog. Er verließ auf der nächsten Haltestelle den Zug; der Damm wurde nach allen Richtungen hin abgesucht, doch das vermißte Kleinod nicht gefunden. Allem Anschein nach ist das Wertstück die Böschung hinabgerollt und wird vielleicht bei der bevorstehenden Ernte in einem Kornfelde entdeckt werden.
Regen-Wetten. In Indien richtet sich die Lust am Wetten besonders auf den Regen. Diese Art Wetten, „Sulla" genannt, wird in Calcutta gerade so leidenschaftlich wie in Bombay betrieben. Im letzten Monat sollen große Geldsumme» durch diese Wetten von einer Hand in die andere gegangen sein. (Bei uns zu Lande , wären solche Wetten gewiß nicht einträglich, ganz besonders in gegenwärtigem Sommer nicht.)
(Zeitbild.) Tochter (einer Witwe — ! zum Dienstmädchen, welches die Zeitung - bringt): „Geben Sie mir nur die Zeitung, aber flink, flink, sonst schnappt mir Mama wieder die besten Heiratsgejuche fort."
Auflösung des Rebus in Nr. 121.
Cochinchina.
Lösung hat eingesandt: Wilhelm Psrommer von Wasseralfingen.
Logogryph.
Zieh nicht zu früh, mein Freund, es an, Tonst siehst du keine Beute d'ran.
Füg' dran ein o, so ward genannt Ein Künstler einst, der weltbekannt.
Doch setzest du ein d dafür,
So zahlt es wohl ein Käufer dir.
Redaltion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.