518
zirksverein Königreich Württemberg" betritt.
Der vor dem Ulmer Gericht verhandelte Prozeß, welcher in erschreckender Weise das wucherische Treiben verschiedener Händlerenthüllte, giebt der „Schw.Brgztg." zu folgender zeitgemäßen Ermahnung der Bevölkerung Veranlassung : „Möchten doch endlich die kleineren Handwerker und der gesamte Bauernstand erkennen, daß die Genossenschaftsbanken, seien es ländliche nach Raiffeisen'scher Art oder Handwerkerbanken oder Gewerbebanken, diejenigen Institute sind, an welche sie sich vertrauensvoll wenden können, die ihnen zu gesetzlichem Zinsfüße und ohne alle Verklausulierung Gelder vorstrecken, und ihnen zugleich Gelegenheit bieten, kleinere Spareinlagen zu machen. Fort mit der falschen Scham und dem einfältigen Stolze, der sich dagegen bäumt, bei derartigen Instituten Gelder zu erhalten. Was sind die Folgen davon? Man füllt in die Hände unbarmherziger Würgengel nach dem Laupheimer Muster und schämt sich später, wenn schon man auch die strafbare Handlungsweise dieser sauberen Burschen merkt, dem Strafrichter Anzeige zu machen aus Furchr vor der Oeffentlichkeit; auf diese Weise geraten Dutzend und Hunderte in unerschwingliche Schulden und gehen rettungslos verloren."
In Plieningen auf den Fildern ist schon der erste Krauthandel abgeschlossen worden und zwar zu 7 ^ für's Hundert. In einem Garten wurden 2 Köpfe Rundkraut gezogen, die abgeblättert ein Gewicht von je 4 Pfund haben.
Untertürkheim, 3. Aug. Diesen Mittag kamen 2 Kinder unter einen Steinwagen; während das eine merkwürdigerweise unversehrt blieb, wurde das andere überfahren und blieb tot auf dem Platze.
Saulgau, 29. Juli. Ein erschütternder Vorfall spielte sich heute während und nach der amtsgerichtlichen Schöffeugerichts- sitzung ab. Es wurde eine gegenseitige Beleidigungsklage zweier in einem Hause hier wohnender Ehefrauen verhandelt. Während der Verhandlung wurde eine derselben, die 37 Jahre alte Ehefrau des Postboten Lehn, plötzlich, wohl infolge der ungewohnten Aufregung, derart unwohl, daß sie aus dem Saals getragen werden mußte. Ohne das Bewußsein wieder erlangt zu haben. starb sie kurze Zeit darauf, beinahe zu gleicher Zeit', in welcher der Spruch des Gerichts verkündet wurde, der ihre Gegnerin zu Haftstrafe und Kostenersatz verurteilte.
Von Friedrichshafen aus bot sich am l. August nachts ein wunderbar schönes Schauspiel anläßlich der Zentenarfeier des Bestehens der freien Eidgenossenschaft. Eine Höhenbeleuchtung für die ganze Schweiz war jeder einzelnen auch noch so kleinen Gemeinde des Landes von Bern aus angeordnet worden und so flammte gestern abend auf längere Dauer das Schweizer Ufer märchenhaft und großartig, wie man es wohl schwerlich mehr zu schauen bekommen wird; es müssen ausgiebige Feuerstätten und Holzstöße gewesen sein, auch kostspielige farbige Feuer inzwischen hinein, die zum Opfer gefallen
sind und sich in den Fluten des Sees spiegelten.
Ludwigsth al, 2. August. Gestern nachmittag wurden die Arbeiter des hies. Hüttenwerks während der Gießarbeit durch einen donnerähnlichen Knall erschreckt, während zu gleicher Zeit aus dem Schmelzofen Mauerwerk, Kohlencinsätze und große Eisenteile herausgeschleudert wurden. Die angestellte Untersuchung ergab, daß in dem Schmelzofen auch alte Granaten mit Bleimänteln cingeworfen waren, von denen eine noch einen Teil der Sprengladung enthalten hatte. Glücklicherweise befanden sich die beiden Feuerleute seitwärts der Ofenmündung, so daß außer der Beschädigung des Manerwerks am Schmelzofen kein Unglück zu verzeichnen ist.
Schweiz.
Das schweizerische Bundesfest zum Andenken an die vor 600 Jahren stattgefundene Freiheitserkämpfung der berühmten Eidgenossenschaften der Schweiz hat in allen Kantonen in glänzender Weise am 1., 2. und 3. August stattgefunden.
Ausland.
London, 3. Aug. Die „Times" meldet: In Petersburger unterrichteten Kreisen verlautet, der von Carnot und den französischen Ministern Unterzeichnete Motivenbericht zu dem russisch-französischen Defensivbündnis sei bereits vom Zaren gebilligt und von den Ministern v. Giers, Wannowski und Wyschnegradski in einem besonderen Ministerrat unterzeichnet worden.
Der französische Flottenbesuch in Kronstadt scheint thatsächlich zu einem Bündnis zwischen Rußland und Frankreich geführt zu haben, denn in gut unterrichteten Petersburger Kreisen verlautet, daß der Entwurf eines Defensivvertrages zwischen Frankreich und Rußland, welcher einerseits von Carnot, andernseits von russischen Ministern unterzeichnet sei und zwar durch die Minister des Krieges, der Finanzen und des Aeußeren, die Billigung des Zaren erfahren habe.
Paris, 4. August. Das Ministerium des Aeußern dementiert die Unterzeichnung eines russisch-französischen Bündnisses.
Petersburg, 4. August. Infolge Befehls des Zaren begleitet ein russisches Geschwader die französische Flotte auf ihrer Rückreise bis Dänemark. Die Abreise erfolgt am 7. ds. Mts.
Die Finanzkalamitäten in Italien dauern fort und sind neuerdings noch dadurch verschärft worden, daß die italienischen Staatspapiere im Kurse bedeutend gesunken sind. Die wirtschaftlichen Verhältnisse Italiens haben sich aber gerade in letzter Zeit bedeutend gebessert, so daß auch auf eine allmähliche Hebung der italienischen Finanzen zu rechnen ist.
Die noch immer in der Schwebe hängende egyptische Frage scheint zwischen der Türkei und England nunmehr gelöst werden zu sollen. Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, steht die Pforte im Begriff, die Verhandlungen mit England in Betreff Egyptens wieder aufzunehmen. Darauf bezügliche Instruktionen würden dem türkischen Botschafter in London, Rustem Pascha unverzüglich übermittelt werden.
Wie aus San Francisco gemeldet wird, hat es die chilenische Kongreßpartei verstanden, sich mit Hilfe der Amerikaner Waffen zu verschaffen. In große Heubündel sind Gewehre, Tornister und Patronen von amerikanischen Unterhändlern in San Francisco verladen und auf diese Weise nach dem nördlichen Chile geschafft worden. Auf diese Weise kann es der Kongreßartei gelingen, die Oberhand gegen Anhänger des Präsidenten Balmaceda zu erlangen.
Zur Bewaffnungsfrage. Den Vorsprung, den Frankreich durch die frühzeitige Einführung des rauchlosen Pulvers und des Mellinit, sowie des kleinkalibrigen Lebel-Gewehcs in der Rüstungsfrage sich gewahrt hatte, ist immer mehr im Schwinden begriffen; es wird immer wahrscheinlicher, daß das Geheimnis des Mellinit, wie aus dem Turpin-Prozeß hervorgeht, in seinem wesentlichsten Stücken an England verraten ist, und in Oesterreich haben in den letzten Tagen umfassende Versuche stattgefunden mit dem furchtbaren Sprengstoff Ekrasit, der, ebenso wie Mellinit, aus Pikrinsäure bestehend, demselben in seiner zerstörenden Wirkung wohl kaum nachsteht. Das kleine Kaliber des Infanterie-Gewehrs ist von sämtlichen Großstaaten nachgeahmt worden und die für Rußland und für Italien in Aussicht genommenen neuen Gewehre gehen sogar in der Verkleinerung des Kalibers noch bedeutend weiter als Frankreich. Ob freilich der russische Soldat in geistiger und auch ethischer Beziehung genügend entwickelt ist, um eine so schwer zu behandelnde Waffe, wie das neue enorm weittragende kleinkalibrige Gewehr, mit Verständnis auszunutzen, darf füglich bezweifelt werden. Als neuestes zur Be- waffnungsfrage meldet der.Telegraph aus Pest, Ministerpräsident Graf Szapary habe im ungarischen Abgeordnetenhause jdie Mitteilung gemacht, das neue rauchlose Pulver sei nicht nur ebenso aufbewahrungssähig wie das alte, sondern eigne sich auch vollkommen für die jetzigen Geschütze der österreichisch-ungarischen Armee und nur eine unbedeutende Modifikation der Zünder und Geschosse, wozu jedoch neue Mittel nicht verlangt würden, werde durch die Einführung des neuen Pulvers notwendig werden.
Alexander Jacques, dem französischen Fastenkünstler, war es im letzten Jahre gelungen, 42 Tage ohne Nahrung zuzudringen. Das von ihm erfundene Pulver, das er während der Hungerzeil zu sich nahm, kann nicht als Nahrung bezeichnet werden. Gestern hat nun Jacques im Royal Aquarium sich an das Wagestück gemacht. 50 Tage zu fasten.
(Ein schlauer Gast.) Sie können morgen bei mir zu Mittag speisen! — Könnte ich nicht übermorgen kommen? — Sie können auch übermorgen bei mir essen!.. Wer hat Sie denn für morgen Mittag eingeladen? — Ihre Frau Gemahlin war bereits gewesen so freundlich!
Wtt einer Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.