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zirksverein Königreich Württemberg" be­tritt.

Der vor dem Ulmer Gericht ver­handelte Prozeß, welcher in erschreckender Weise das wucherische Treiben verschiedener Händlerenthüllte, giebt derSchw.Brgztg." zu folgender zeitgemäßen Ermahnung der Bevölkerung Veranlassung :Möchten doch endlich die kleineren Handwerker und der gesamte Bauernstand erkennen, daß die Genossenschaftsbanken, seien es ländliche nach Raiffeisen'scher Art oder Handwerker­banken oder Gewerbebanken, diejenigen Institute sind, an welche sie sich vertrauens­voll wenden können, die ihnen zu gesetz­lichem Zinsfüße und ohne alle Verklausu­lierung Gelder vorstrecken, und ihnen zugleich Gelegenheit bieten, kleinere Spar­einlagen zu machen. Fort mit der falschen Scham und dem einfältigen Stolze, der sich dagegen bäumt, bei derartigen Insti­tuten Gelder zu erhalten. Was sind die Folgen davon? Man füllt in die Hände unbarmherziger Würgengel nach dem Laupheimer Muster und schämt sich später, wenn schon man auch die strafbare Hand­lungsweise dieser sauberen Burschen merkt, dem Strafrichter Anzeige zu machen aus Furchr vor der Oeffentlichkeit; auf diese Weise geraten Dutzend und Hunderte in unerschwingliche Schulden und gehen rettungslos verloren."

In Plieningen auf den Fildern ist schon der erste Krauthandel abgeschlossen worden und zwar zu 7 ^ für's Hundert. In einem Garten wurden 2 Köpfe Rund­kraut gezogen, die abgeblättert ein Gewicht von je 4 Pfund haben.

Untertürkheim, 3. Aug. Diesen Mittag kamen 2 Kinder unter einen Stein­wagen; während das eine merkwürdiger­weise unversehrt blieb, wurde das andere überfahren und blieb tot auf dem Platze.

Saulgau, 29. Juli. Ein erschüttern­der Vorfall spielte sich heute während und nach der amtsgerichtlichen Schöffeugerichts- sitzung ab. Es wurde eine gegenseitige Beleidigungsklage zweier in einem Hause hier wohnender Ehefrauen verhandelt. Während der Verhandlung wurde eine derselben, die 37 Jahre alte Ehefrau des Postboten Lehn, plötzlich, wohl infolge der ungewohnten Aufregung, derart un­wohl, daß sie aus dem Saals getragen werden mußte. Ohne das Bewußsein wieder erlangt zu haben. starb sie kurze Zeit darauf, beinahe zu gleicher Zeit', in welcher der Spruch des Gerichts verkündet wurde, der ihre Gegnerin zu Haftstrafe und Kostenersatz verurteilte.

Von Friedrichshafen aus bot sich am l. August nachts ein wunderbar schönes Schauspiel anläßlich der Zentenarfeier des Bestehens der freien Eidgenossenschaft. Eine Höhenbeleuchtung für die ganze Schweiz war jeder einzelnen auch noch so kleinen Gemeinde des Landes von Bern aus angeordnet worden und so flammte gestern abend auf längere Dauer das Schweizer Ufer märchenhaft und großartig, wie man es wohl schwerlich mehr zu schauen bekommen wird; es müssen aus­giebige Feuerstätten und Holzstöße gewesen sein, auch kostspielige farbige Feuer in­zwischen hinein, die zum Opfer gefallen

sind und sich in den Fluten des Sees spiegelten.

Ludwigsth al, 2. August. Gestern nachmittag wurden die Arbeiter des hies. Hüttenwerks während der Gießarbeit durch einen donnerähnlichen Knall erschreckt, während zu gleicher Zeit aus dem Schmelz­ofen Mauerwerk, Kohlencinsätze und große Eisenteile herausgeschleudert wurden. Die angestellte Untersuchung ergab, daß in dem Schmelzofen auch alte Granaten mit Bleimänteln cingeworfen waren, von denen eine noch einen Teil der Sprengladung enthalten hatte. Glücklicherweise befanden sich die beiden Feuerleute seitwärts der Ofenmündung, so daß außer der Be­schädigung des Manerwerks am Schmelz­ofen kein Unglück zu verzeichnen ist.

Schweiz.

Das schweizerische Bundesfest zum Andenken an die vor 600 Jahren stattgefundene Freiheitserkämpfung der be­rühmten Eidgenossenschaften der Schweiz hat in allen Kantonen in glänzender Weise am 1., 2. und 3. August stattgefunden.

Ausland.

London, 3. Aug. DieTimes" meldet: In Petersburger unterrichteten Kreisen verlautet, der von Carnot und den französischen Ministern Unterzeichnete Motivenbericht zu dem russisch-französischen Defensivbündnis sei bereits vom Zaren gebilligt und von den Ministern v. Giers, Wannowski und Wyschnegradski in einem besonderen Ministerrat unterzeichnet worden.

Der französische Flottenbesuch in Kron­stadt scheint thatsächlich zu einem Bündnis zwischen Rußland und Frankreich geführt zu haben, denn in gut unterrichteten Petersburger Kreisen verlautet, daß der Entwurf eines Defensivvertrages zwischen Frankreich und Rußland, welcher einerseits von Carnot, andernseits von russischen Ministern unterzeichnet sei und zwar durch die Minister des Krieges, der Finanzen und des Aeußeren, die Billigung des Zaren erfahren habe.

Paris, 4. August. Das Ministerium des Aeußern dementiert die Unterzeichnung eines russisch-französischen Bündnisses.

Petersburg, 4. August. Infolge Befehls des Zaren begleitet ein russisches Geschwader die französische Flotte auf ihrer Rückreise bis Dänemark. Die Ab­reise erfolgt am 7. ds. Mts.

Die Finanzkalamitäten in Italien dauern fort und sind neuerdings noch da­durch verschärft worden, daß die italieni­schen Staatspapiere im Kurse bedeutend gesunken sind. Die wirtschaftlichen Ver­hältnisse Italiens haben sich aber gerade in letzter Zeit bedeutend gebessert, so daß auch auf eine allmähliche Hebung der italienischen Finanzen zu rechnen ist.

Die noch immer in der Schwebe hängende egyptische Frage scheint zwischen der Türkei und England nunmehr gelöst wer­den zu sollen. Wie aus Konstantinopel gemeldet wird, steht die Pforte im Begriff, die Verhandlungen mit England in Betreff Egyptens wieder aufzunehmen. Darauf be­zügliche Instruktionen würden dem türkischen Botschafter in London, Rustem Pascha unverzüglich übermittelt werden.

Wie aus San Francisco gemeldet wird, hat es die chilenische Kongreßpartei verstanden, sich mit Hilfe der Amerikaner Waffen zu verschaffen. In große Heu­bündel sind Gewehre, Tornister und Pa­tronen von amerikanischen Unterhändlern in San Francisco verladen und auf diese Weise nach dem nördlichen Chile geschafft worden. Auf diese Weise kann es der Kongreßartei gelingen, die Oberhand gegen Anhänger des Präsidenten Balmaceda zu erlangen.

Zur Bewaffnungsfrage. Den Vorsprung, den Frankreich durch die früh­zeitige Einführung des rauchlosen Pulvers und des Mellinit, sowie des kleinkalibrigen Lebel-Gewehcs in der Rüstungsfrage sich gewahrt hatte, ist immer mehr im Schwin­den begriffen; es wird immer wahrschein­licher, daß das Geheimnis des Mellinit, wie aus dem Turpin-Prozeß hervorgeht, in seinem wesentlichsten Stücken an Eng­land verraten ist, und in Oesterreich haben in den letzten Tagen umfassende Versuche stattgefunden mit dem furchtbaren Spreng­stoff Ekrasit, der, ebenso wie Mellinit, aus Pikrinsäure bestehend, demselben in seiner zerstörenden Wirkung wohl kaum nachsteht. Das kleine Kaliber des In­fanterie-Gewehrs ist von sämtlichen Groß­staaten nachgeahmt worden und die für Rußland und für Italien in Aussicht ge­nommenen neuen Gewehre gehen sogar in der Verkleinerung des Kalibers noch bedeutend weiter als Frankreich. Ob frei­lich der russische Soldat in geistiger und auch ethischer Beziehung genügend ent­wickelt ist, um eine so schwer zu be­handelnde Waffe, wie das neue enorm weittragende kleinkalibrige Gewehr, mit Verständnis auszunutzen, darf füglich be­zweifelt werden. Als neuestes zur Be- waffnungsfrage meldet der.Telegraph aus Pest, Ministerpräsident Graf Szapary habe im ungarischen Abgeordnetenhause jdie Mit­teilung gemacht, das neue rauchlose Pulver sei nicht nur ebenso aufbewahrungssähig wie das alte, sondern eigne sich auch voll­kommen für die jetzigen Geschütze der österreichisch-ungarischen Armee und nur eine unbedeutende Modifikation der Zünder und Geschosse, wozu jedoch neue Mittel nicht verlangt würden, werde durch die Einführung des neuen Pulvers notwendig werden.

Alexander Jacques, dem französi­schen Fastenkünstler, war es im letzten Jahre gelungen, 42 Tage ohne Nahrung zuzudringen. Das von ihm erfundene Pulver, das er während der Hungerzeil zu sich nahm, kann nicht als Nahrung be­zeichnet werden. Gestern hat nun Jacques im Royal Aquarium sich an das Wage­stück gemacht. 50 Tage zu fasten.

(Ein schlauer Gast.) Sie können morgen bei mir zu Mittag speisen! Könnte ich nicht übermorgen kommen? Sie können auch übermorgen bei mir essen!.. Wer hat Sie denn für morgen Mittag eingeladen? Ihre Frau Ge­mahlin war bereits gewesen so freundlich!

Wtt einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.