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Ausland.

Für den Wert der von gewisser Seite oft ausgesprochenen Behauptung, daß in einem politisch freien Staat z, B. in einer Republik alle sozialen Gegensätze zu einem friedlichen Ausgleich kommen können und müssen, ist es sehr bezeichnend, daß gerade in der Republik Frankreich .die sozial­demokratische Maifeier das schwerste Blut-, vergießen veranlaßt hat. In Fourmics haben die Soldaten die lärmende Menge, worunter auch Frauen, ohne Erbarmen zusammengeschossen und dabei ihr neues Lebelgewehr und das rauchlose Pulver zum erstenmal gegen Menschen, gegen ihre eigenen Landsleute, erprobt. Auch die französische Kammer hat in ihrer großen Mehrheit dem Ministerium Recht gegeben.

Der französische oberste Kriegsrat soll geneigt sein, die Hinausrückung der P ariserFe st u ngswerke zu beschließen. Die Kosten hiefür würden 150 Will. Frks. betragen.

Nantes. Im überfüllten Theater stürzte die Gallerie ein, teilweise auch das Mauerwerk. 50 Personen wurden ver­wundet.

Die letzte Pariser Volkszählung ergab eine Einwohnerzahl von 2 423 000 gegen 2 261000 im Jahre 1886, was einer Zunahme von nur 162 000 Ein­wohnern gleichkommt.

MiüMkii.

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Erzählung von Jenny Hirsch.

(Fortsetzung.)

Das Mädchen ist freilich arm," pflegte er zu sagen, wenn er in seiner Gedanken­reihe bis zu diesem Punkte gelaugt war, aber meine Frau hat mir ja auch nichts zugebracht als als den Becher!" fügte er mit einem Seufzer hinzu.Am Ende hätte er es aber mit ihr ebenso gemacht, wie mit Emilie Goldbeck und das Kind hätte sich gewiß schwerer getröstet als jene, die jetzt schon auf der Hochzeitsreise ist. Schlimmer als es jetzt schon ist, hätte es freilich nicht kommen können Georg verschollen und Klara, für die ich zu sorgen versprochen, aus dem Hause und uns ent­fremdet?"

Klara hatte in der That das Haus des Kommerzienrates verlassen.

Die Frau Kommerzienrätin war eine viel zu fromme Dame und viel zu sehr darauf bedacht, den Nimbus dieser Fröm­migkeit um sich zu erhalten, als daß sie das schwer erkrankte junge Mädchen in ein Hospital geschickt hätte. Klara war in ihrem Hause durch eine Diakonissin ge­pflegt worden und es hatte ihr an nichts gefehlt. Wenn die gnädige Frau sich und ihre Leute von dem Krankenzimmer fern hielt, so legte sie sich diese Zurückhaltung im Hinblick auf die vielen anderen Pflichten, die ihr oblagen, auf; sie durfte weder ihr Leben, noch das der Leute, mit denen sie im Verkehr stand, durch die Berührung mit einer ansteckenden Krankheit gefährden.

Auch Nanny hatte sich nicht in das Krankenzimmer gewagt, sondern sich mit Erkundigungen nach deni Befinden der Schwester begnügt; sie hielt das gerade

für ausreichend, um den zwischen Beiden unmittelbar vor Klaras Erkrankung ein­getretenen Bruch -den Blicken Fremder zu entziehen. So lag denn die Kranke allein, nur bewacht von der Diakonissin, und nur diese und der Arzt hörten die wirren Phantasien, in welchen sie bald Georg be­schwor das Kleinod zurückzubringen. da er ja nur Steine hatte durch Glasfluß ersetzen lassen wollen, bald ihre Schwester bat, den Schmuck herauszugeben, damit sie die Rubinen wieder in den Becher setzen lassen und diesen an seinen Platz stellen könne. Dann klagte sie sich wieder an. Georg falsch beschuldigt zu haben und rief jammernd, sie sei die Diebin, man möge sie einsperren, denn sie dürfe ja nicht sagen, wer den Becher genommen habe.

Die Diakonissin war durch ihr Amt daran gewöhnt, die seltsamsten Ausbrüche der Kranken mit anzuhören und sic wie eine Art von Beichtgeheimnis zu bewahren. Wenn sie in diesem Falle doch etwas von der feststehenden Regel abwich, so glaubte sie in ihrem vollem Rechte zu sein. Der fromme, brave Emsmann, der ihr als einer der fleißigsten Kircheubesucher be­kannt war, die rechte Hand der Frau Kommerzienrätin bei allen frommen Werken, kam täglich mehrmals heraufgeschlichen, fragte so angelegentlich »ach dem Be­finden des Fräuleins und legte ein solches Interesse für alles, was sie that und sagte, an den Tag, daß sie ihm auch von der Phantasie erzählte, die in so eigentüm­lichem Zusammenhänge mit dem auch ihr bekannten Becherdiebstahl stand.

Emsmann hate bei solchen Mitteil­ungen stets den Kopf geschüttelt, zum Himmel emporblickt und mit gefalteten Händen geseufzt:Die Arme, ich glaube sie weiß von der Sache mehr als sie sagen will! Beten wir nicht bloß für die Ge­nesung ihres Leibes, sondern noch viel mehr für das Heil ihrer Seele".

Aehnlich, wenn auch etwas bestimmter lautete die Nutzanwendung, die er in seinem Rapport über das Befinden der Kranken an die Herrschaft beifügte, während er in der Domestikenstube nur in ver­wundertem Ton den Inhalt der Fieber­phantasie des Fräuleins erzählte und es seinen Mitdienern und Dienerinnen über­ließ, sichihren Vers" darauf zu machen.

DieserVers" ließ denn auch nicht lange auf sich warten. So lange Klara zwischen Tod und Leben schwebte, flüsterte man nur ganz leise; der Tod ist eine Macht, die, wo sie einzieht, die Verleumd­ung und üble Nachrede gewöhnlich doch so lange zu bannen vermag, bis den Ge­storbenen die Erde bedeckt. Sobald aber die Gefahr vorüber und Klara der Ge­nesung entgegenging, erzählte man sich lauter und bestimmter, sie wisse von dem Verbleib des Bechers und habe die Hand zu dessen Entfernung geboten. Merk­würdigerweise war dabei immer nur von ihr und Georg die Rede, daß sie auch von ihrer Schwester gesprochen, ward als unwesentlich nicht in Betracht gezogen, war auch vielleicht aus diesem Grunde von Emsmann gar nicht erwähnt worden.

Der einzige von der Dienerschaft, der diesen Reden keinen Glauben schenkte und alles, was man gegen den guten Georg

und das Engelsfräulein vorbrachte, für ganz niedrige, abgefeimte Lügen erklärte war Peters, der alte Portier, der dafür als Dummkopf und Grobian mit der ge­bührenden Verachtung behandelt ward. Er gab sic den Andern mit reichlichen Zinsen zurück und machte eine nichts weniger als schmeichelhafte Schilderung des männlichen und weiblichen Dienstper­sonals in den Unterhaltungen, die er mit seinem neuen Freunde, dem Herren Poli- zeikommissarius, führte, der, wie er ihm sagte, bei jenem Verhör ein großes Ge­fallen an ihm gefunden hatte und so o>t es thunlich war, im Vorübergehen ein Gespräch mit ihm anknüpfte. Nannte er aber die Köchin eine alberne Gans, die Jungfer eine Putznärrin und Emsmami einen heimtückischen Leisetreter und Augen­verdreher, so konnte er doch nie etwas Vorbringen, was als Beweis gegen die Ehrlichkeit der Leute zu benutzen wäre. Der Polizeikommissarius ließ jedoch in seinen Bemühungen nicht nach er wartete.

(Fortsetzung folgt.)

Zu den leidigen Vorkommnissen in einer Haushaltung gehört das Zerbrechen von Geschirr, namentlich von wertvollem.

Es dürfte interessieren, zu erfahren, daß ein zum Schadenersatz verklagter und in erster Instanz verurteilter Dienstbote, der kostbares Geschirr zerschlagen hatte, vom Oberlandesgericht auf seine Appel­lation hin nur zum Tragen von ei» Sechstel des Schadens angehalten wurde, indem das Urteil ausführte, daß die Herr­schaft selbst sich großer Fahrlässigkeit schuldig mache, wenn sie Geschirr von hohem Werte in die Hände eines nicht besonders geschickten Dienstboten gebe. Notwendig sei allerdings das Reinigen von Glas und Porzellan, der Dienstbote ; könne aber nur zum Ersatz mittlerer Quali- j tät der gebräuchlichen Gegenstände ange­halten werden; wer ihm Kostbarkeiten an­vertraue, müsse die Gefahr tragen.

Eine dem Flaschnermeister Weber in Bietigheim gehörige Katze, deren Junge verendeten, versieht die Mutterstelle bei jungen Gänsen. Ueberall hin folgt sie itzren adoptierten Lieblingen nach und be­schützt sie. Abends beziehen sie ein ge­meinschaftliches Nest und wehe dem, der eines von den jungen Gänschen antasten oder einfangen wollte. Wie lange wohl wird diese Freundschaft fortbestehen?

(Auch ein Vorteil.) Bürgermeister:

. . Wenn Euer Ort mit unserer Stadt vereinigt würde, so wäre das auch insofern von Nutzen für Euch, als Eure Gärtner mit ihrem Kräutelwerk nicht mehr in die Stadt fahren müßten, weil sie dann schon drin wären!"

(schlau.) Aus dem Früh-Rapportc des Unteroffiziers Johann Unterhuber, als er Kommandant der Militär-Schwimm- schul-Wache war: Wassertemp'ratur: 0 .. > weil der Neamur zerhaut ist."

Es gicbt Menschen, die man bis zur Treppe begleitet um sich zu überzeugen, daß sie auch ^ wirklich fort gehen.

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Me eh in Neuenbürg.