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Lieber lasse man es beim alten, als daß man diesen Antrag annehme, sonst würden die Wirte die Brauer noch mehr drücken, und diese haben erst recht den Schaden. Leemann brachte den Antrag ein, die Regierung möge vom 1. April 1892 an die Malzsteuer ermäßigen, also ohne irgend welche Einschränkung. Storz und Ge­nossen beantragen, allen Brauereien für für die ersten 1000 Zentner Malz nur 4 vlL zu berechnen. In der Sitzung vom 23. April wurde der Reihe nach die Abstimmung über die Anträge vorge­nommen. Die Anträge von Storz, Sachs, Ebner und Leemann wurden abgelehnt; da­gegen der Kommissionsantrag mit 78 gegen 4 Stimmen angenommen. Dieser Antrag lautet:

1) die Eingabe des Württ. Brauerbimdes der K. Regierung zur Kenntnisnahme zu über­geben:

2) die Petitionen der Bierbrauer aus den Ober­ämtern Gaildorf, Biberach u.s.w. wegen Er­mäßigung der Malzsteucr für mittlere und kleine Betriebe der K. Regierung zur Be­rücksichtigung mitzuteilen und dabei dieselbe zu ersuchen, bei Revision der Malzsteuer­gesetzgebung daraus Bedacht zu nehmen:

a) daß diejenigen Bierbrauer, welche im

Jahr nicht mehr als 2000 Zentner Malz verbrauchen, für die ersten 1000 Ztr. nur 4 50 ^ vom Zentner zu be­

zahlen haben und

b) daß diese Ermäßigung vom 1. April 1892 an Platz greift.

In der letzten Woche sind im Lande ein paar Antisemitenversamm­lungen abgehalten worden, indessen mit nicht vielem Geschrei und mit noch weniger Wolle. Etwas Neues wußten die be­treffenden Redner übrigens nicht vorzu­bringen, und daß es unter der israelitischen Bevölkerung ebensogut unsaubere Ele­mente giebt wie unter der christlichen, be­streitet kein Vernünftiger. Ein Teil un­serer württembergischen Israeliten soll es der Regierung zum Vorwurfe machen, daß sie die Antisemitenversammlung des Dr. Böckel nicht verboten habe; der Vorwurf ist aber völlig haltlos, denn die Regier­ung konnte die Versammlungen beim besten Willen nicht verbieten, weil ja zu einem solchen Gebot jede gesetzliche Handhabe fehlt. Aber auch dann, wenn sie sich auf irgend einen Gesetzesparagraphen hätte stützen können, so hätte ein solches Ein­greifen der Regierung nur großes Auf­sehen gemacht und den Antisemiten zahl­reiche Anhänger zugeführl. Es ist des­halb nicht angezeigt, wenn ein Teil der sonstigen Pferdemarktbejucher diesmal vom Stuttgarter Pferdemarkt weggeblieben ist; denn da die Betreffenden doch nicht auf die Märkte kommen, um Geschenke auszu­teilen, sondern um selbst rentable Ge­schäfte zu machen, so haben sie in erster Reihe sich selbst geschädigt.

Aus Deckenpfronn bei Cqlw wird berichtet: Die Maurer Lutz'schen Eheleute wurden in großes Leid versetzt. Vor einem Gang in die Kirche hängten sie ihre durch­näßten Kleider zum Trocknen um den Ofen. Beim Nachhausekommen fanden sie das Zimmer mit Rauch und Qualm ungefüllt, die Kleider teilweise halb verkohlt und ein zweijähriges Mädchen, das im betreffenden Zimmer schlief, war den Erstickungstod ge­

storben. Wiederbelebungsversuche waren erfolglos.!

Nagold, 21. April. Gestern geriet das dreijährige Söhnchen des Sattler R. in die Waldach bei dem Brückenübergang auf die sogen. Insel. Obwohl viele Per­sonen dies sahen und die Gefahr erkannten, in welchem das Kind schwebte, so getraute sich doch niemand, in das nasse Element zu steigen, bis das Geschrei und Jammern den daneben wohnenden Musikdirektor Kitt er er hierauf aufmerksam machte. Rasch sprang er herbei und stürzte uner­schrocken in den Bach. Trotz des etwas trüben Wassers gelang ihm doch sofort sein Suchen und konnte er den Knaben, ob­wohl starr und schon dem Tode ähnlich, den sehr betroffenen Eltern noch lebend in die Arme legen. Wie Hr. Kitterer mit­teilt, ist dies das dritte Kind, das er in ähnlicher Weise von dem Tode rettete. Ehre einem solchen Manne.

O e st e r r e i ch.

Wien, 20. April. Die Sängcrfahrt des Wiener Männergesangvereins (176 Mitglieder) nach Konstontinopel zu Pfing­sten ist gesichert. Der Sultan hat unent­geltliches Paß-Visa und die Lloydgesell­schaft in Triest bedeutende Fahrtermäßig­ung bewilligt; das wird einer der inter- essantesten Ausflüge der Wiener Sänger werden.

Ausland.

Den Franzosen liegt ihr Tong - King schwer im Magen ; erst vor wenigen Monaten mußten 19 Mill. Fks. zur Regel­ung der Finanzangelegenheiten jener Ko­lonie abgesandt werden und nun ist schon wieder von einem Defizit Tong-Kings im Betrage von 25 Mill. die Rede. In der französischen Presse wird zwar auch raison- niert, aber im Parlament bewilligt man die Kredite glatt.

Die Italiener haben von den Nord­amerikanern für die Lynchjustiz von New- Orleans noch immer keine Gcnugthuuug erlangen können, da die amerikanisch^ Bundesregierung auf den Staat Loui­siana in dieser Beziehung gar nicht ein­wirken kann. Die Italiener erklären da­gegen, die Verfassung der einzelnen ameri­kanischen Bundesstaaten gehe sie gar nichts an, aber sie berufen sich auf das allge­meine Völkerrecht; zu einer Verständigung fehlt also noch alles, zu einem Kriege wird es indes trotzdem nicht kommen.

New-Aork, 23. April. Die Un­sicherheit nimmt hier in erschreckender Weise zu. Gestern sind hier und in den Vor­orten nicht weniger als 20 M o rd thaten verübt würden.

London, 22. April. Frau Elisabeth Orr Bell, die am 12. April gestorben, hat ihr Vermögen, welches annähernd auf 1400000 geschätzt wird, der Heils­armee vermacht.

Miszellen.

Aus Baden, 16. April. Durch die Nachricht einer projektierten Reise des Kaisers zur Auerhahnjagd nach dem großherzoglichen Jagdhaus Kaltenbronn ist die Aufmersamkeit wieder mehr als zuvor

auf dieses Vogelwild gelenkt worden. Die großen Bergforsten des badischen Landes vom nördlichen Mittelland bis auf den hohen Schwarzwald sind noch verhältnis­mäßig reich an Auerhähnen und die Mit­glieder unseres Fürstenhauses, früher auch der jetzt regierende Großherzog Friedrich, ließen nicht leicht die Frühlingszeit ver­gehen, ohne sich diesem Jagdvergnügen hinzugeben, das allerdings ein gewaltiges Frühaufstehen erfordert, seine Strapazen in sich schließt und noch zu alledem ein Jagdhazardspiel ersten Ranges ist. Dies Wildvögel werden gehegt und die Forst­beamten kennen ziemlich genau die Anzahl und den Standort der im nächsten Um­kreis befindlichen Auerhühne und -Hennen. Trotzdem hängt die Jagd von so vielen Zufälligkeiten ab, daß das Erlegen eines oder gar mehrerer dieser Vögel zur reinen Glückssache wird. Eine kaiserliche Auer­hahnjagd ist demnach für die verantwort­lichen Jagd-Redakteure zwar eine sehr ehrenvolle, aber auch hinsichtlich des Er­gebnisses außerordentlich heikle Sache.

In Preußen traten in den Jahren 1875 bis 1888 2441 Evangelische zur katholischen Kirche über, umgekehrt 22764 Katholiken zur evangelischen Kirche. Aehnlich ist das Verhältnis bei ! den Juden; denn gegen 135 Evangelische, l die zur mosaischen Religion übergiengen, s stellen sich 1901 Juden, die evangelisch ! wurden. Nur die Sekten sind der evangel­ischen Kirche gegenüber inr Vorteil. Es traten zwar 6913 Sektierer zur Landes­kirche über; aber 14825 traten aus der Landeskirche ans zu sonstigen religiösen Gemeinschaften.

(Schnell geholfen.) In Australien trat kürzlich ein bekannter englischer Schau­spieler als Macbeth auf. Für die Er­mordungsscene brauchte er wirkliches Blut, seine Hände damit zu röten, und der Requisiteur" hatte den Auftrag bekommen, aus einer Schlächterei den Saft holen zu lassen. Im Drange der Geschäfte aber vergaß dieser die Besorgung. Der bewußte Auftritt kam kein Blut war zur Stelle. Aber der Tragöde ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Kurz entschlossen schlug er den Vergeßlichen mit der Faust unter die Nase, packte ihn mit der einen Hand beim Kragen und ließ über die andere s das Blut rieseln. Dann wuscheine Hand die andere," und seiner packenden Wirkung gewiß, trat der Künstler aus die Bühne.

Bei der Volkszählung in Vilshofen hat eine Frau als Haushaltungsvorstand die im Zählbogen befindliche RubrikVor­übergehend abwesend" dahin aufgefaßt, daß sie sehr eifrig während des ganzen Tages die am Hause vorübergehenden Per­sonen zählte und solche dem Zähler gewissenhaft angab.

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