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Ulm, Heilbronn, Reutlingen) mit viel geringerer Einwohnerzahl nur einen Abgeordneten in die zweite Kammer wählen. Daß hierdurch die Interessen der Stadt Stuttgart nicht genügend gewahrt worden seien, läßt sich zwar nicht behaupten, da die zahlreichen, in Stuttgart selbst wohnenden Mitglieder der zweiten Kammer stets mit Wärme sür die Landeshauptstadt einzutreten pflegten. Doch erscheint es nicht mehr als billig, daß der Stadt Stuttgart mindestens 3 Abgeordnetensitze eingeräumt werden, selbst auf die Gefahr hin, daß dann auch ein Sozialdemokrat feinen Einzug in den Halbmondsaal nimmt.
O e ft e r r e i ch.
Der neugewählte österreichische Reichsrat ist durch den Kaiser Franz Joseph mittelst einer äußerst friedfertigen, in der Hauptsache aber gänzlich geschäftsmäßigen Thronrede eröffnet worden. Oesterreich ist ersichtlich bestrebt, einen Krieg mit Rußland zu vermeiden, oder doch so lange als möglich hinauszuschieben, was sogar die russische Presse anerkennt. In diesem Bestreben der Friedenserhaltung wird Oesterreich - Ungarn von seinen deutschen und italienischen Verbündeten aufrichtig unterstützt. Was die innere Entwickelung der parlamentarischen Verhältnisse im Reichsrat betrifft, so sipd letztere so zerfahren wie nur möglich, und wenn je eine Adresse an die Krone beschlossen wird, was noch sehr zweifelhaft ist, so wird diese einen sehr verwaschenen Inhalt haben.
Ausland.
Aus Frankreich kommt wieder einmal eine recht pikante Enthüllung. Die russenfreundliche politische Schriftstellerin. Frau Adam hat nämlich erzählt, ihr ehemaliger Freund Gambetta sei durchaus gegen ein Bündnis Frankreichs mit Rußland, sondern gleich Jules Ferry für eine Annäherung Frankreichs an Deutschland gewesen. Bei dieser Gelegenheit erzählte indessen Frau Adam auch, daß Gambetta von seiner Maitresse, Madame Leon, erschossen worden sei. Gambettas Freunde haben dies stets in Abrede gezogen Nnd nur soviel zugegeben, daß Gambetta sich beim Putzen eines Revolvers aus Unvorsichtigkeit verwundet habe. Es ist bezeichnend für die französische Justiz, daß die wahre Todesursache Gambettas gerichtlich gar nicht untersucht wurde.
Die Engländer haben sich in Indien eine unangenehme Verwicklung zugezogen. Die Manipuris haben sich feindselig erhoben und eine Schaar Engländer vernichtet. Jetzt erhält der Vizekönig von Britisch-Jndien von dem Führer der Manipuris eine Nachricht, laut welcher die bisher vermißten Engländer getötet sind. Der Brief der Manipuris giebt zugleich den Grund der Erhebung an: die Engländer hätten Frauen und Kinder der Manipuris niedergemetzelt, die Behausungen niedergebrannt und die Tempel entweiht. Von englischer Seite sind bereits militärische Maßregeln getroffen, um die aufrührerischen Manipuris zu „bestrafen."
MiüMen.
Echt.
Erzählung von Jenny Hirsch.
(Nachdruck verboten.^ (Fortsetzung.)
Klara öffnete den Mund, um zu sagen daß ihre Schwester dagewcsen sei, aber sie schloß ihn wieder. Ein jäher Schreck durchzuckte sie. Der Auftritt mit Nanny zog blitzschnell an ihr vorüber. Ihre Geldverlegenheit, ihr Wunsch, die Steine zu besitzen. Dann war sie allein geblieben, während Klara nau, ihrem Zimmer ging, um das Geld zu holen; der Schlüsselkorb hatte auf dem Tisch gestanden und als sie zurückgekommen, war die Schwester so eigentümlich aufgeregt gewesen und hatte die Hände so beharrlich im Muff versteckt gehalten.
„Ich war allein," sagte sie nach einer Pause und mit einem Zögern, das dem Kommerzienrat nicht entging. Es half nichts, sie durfte die Wahrheit nicht sagen, sie durfte dem furchtbaren Verdacht, der ihr aufgestiegen war, keine Worte leihen nicht einmal eine, wenn auch nur die entfernteste Andeutung dafür geben.
Der Schlüssel zu dem Schranke ist nicht aus Ihren Händen gekommen?" forschte der Kommerzienrat weiter.
Wieder stutzte Klara, wieder anwortete sie nach einigem Zögern ausweichend, „ich habe ihn sofort wieder in den Schlüsselkorb gelegt und ihn der gnädigen Frau bei ihrer Rückkehr sofort überliefert. Erst in diesem Augenblick habe ich ihn wieder aus ihrem verschlossenen Bureau geholt."
„Könnte der Becher etwa durch Einbruch entwendet sein?" mischte sich der fremde Herr, der sich bisher als unfreiwilliger Zeuge dieses Auftrittes in einer recht peinlichen Situation befunden hatte, in das Gespräch.
„In diesem Falle würde man sich doch wohl schwerlich mit dem einen Stück begnügt haben," entgegnete der Kommerzienrat.
„Vielleicht war es nur auf den Becher abgesehen, vielleicht entdecken Sie auch bei näherer Untersuchung der Schätze noch weitere Verluste," meinte der Direktor. „Spuren von Gewalt scheinen mir freilich nicht sichtbar zu sein."
„Wenn es wäre, wie Sie voraussetzen, so könnten wir es nur mit einem Hausdieb zu thun haben, denn Diebe, die von außen kommen, können nicht so spurlos eindringen und wieder verschwinden. Jedenfalls wollen wir aber sofort ein Inventar aufnehmen."
„So werde ich mich Ihnen empfehlen, ich möchte Sie nicht länger stören."
„Sie haben freilich sür den Augenblick wenig Aussicht, den Becher zu sehen zu bekommen," antwortete der Kommerzienrat, „ich hoffe aber, Sie reisen nicht ab, ohne daß dies geschehen ist; er wird und muß wieder zur Stelle geschafft werden."
Sobald der Fremde sich entfernt hatte machte sich der Kommerzienrat in eigener Person an eine Revision des Inhalts sämmtlicher Wandschränke. Klara mußte ihm dabei an die Hand gehen, denn er wollte den Vorfall für den Augenblick
noch geheim halten und keinen Diener zur Hilfe herbeirufen. Mit wahrhaft über, menschlicher Anstrengung hielt sie sich ausrecht : aber sie war totenbleich, ihre Hände zitterten und so große Mühe sie sich auch gab, ihre Aufregung zu verbergen, konnte sie dem Kommerzienrat doch nicht entgehen und mochte er auch viel auf Rechnung des Schreckens schreiben, so konnte er doch nicht umhin, ihr Wesen befremdlich zu finden.
Die Untersuchung ergab, daß das ge- sammte Inventar richtig sei; es fehlte nichts als der Becher, der war aber wie vom Erdboden verschwunden. Der Kommerzienrat und Klara standen noch vor den geöffneten Schränken im Speisesaal, als Frau Eulalia nach Hause zurückkehrte. Verwundert darüber, daß Klara ihr nicht, wie sie gewohnt war, entgegenkam, fragte sie. wo die Gesellschafterin sei. und noch mehr erstaunt über den Bescheid, sie befinde sich mit dem Herrn Kommerzienrat im Speisesaal, der fremde Herr sei aber schon lange wieder fort, begab sie sich auch dahin. Emsmann öffnete ihr dienstfertig die Thür und sie sah mit einem Blicke, daß hier etwas Besonderes vorgezogcn sein müsse.
„Was geht hier vor?" fragte die Kommerzienrätin sich umschauend.
„Eulalia, meine Liebe, ich wollte Dich nicht gern erschrecken," stammelte der Kommerzienrat.
„Erschrecken," wiederholte sieverwurfs- voll, „eine Seele, die im Herrn ruht, erschrickt nicht; was hast Du?"
„Der Becher —
„Du hast ihn dem Direktor des Gewerbemuseums zur Nachbildung mitgegeben ?"
„O, wenn es das nur wäre! Er ist fort."
„Fort?"
„Ja, gestohlen, verschwunden, was weiß ich!"
(Fortsetzung folgt.)
Einen Lotteriegewinn von 50 OOl) Mark benutzte ein Fabrikant in Oschatz, indem er großmütigerweise für längere Zeit die vorgeschriebenen Beiträge der Arbeiter für die verschiedenen Kassen selbst begleichen will.
Schusterjunge in Berlin der sich längere Zeit, ein Paar Stiefel auf dm Rücken und pfeifend, ein Droschkenpserd besehen hat, plötzlich zum Kutscher: „Sie. Männeken!" Kutscher: „Wat willsie?" Schusterjunge: „Sagen Se mal, del is woll der Jeist von ihrem seligen Jaul?
Logogryph.
„Persönlich Fürwort" nennt man mich Und nur zwei Laute habe ich.
Nun einen vor, kennt mich allein,
Wer etwas weiß von dem Latein.
Noch einen und ich bin ein „Meß",
In Baden — glaub' ich — hat man es. Setzst diesem einen weitern vor,
Dann triffst du mich im Blumenflor, Noch einen — eilig fliehe mich,
Denn nur das Schlechte liebe ich.
Zum Schluß gieb 2 mir noch als Kopf, Getreten werd ich armer Tropf.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.