218
sich für sie aufopferte, zur mächtigen Flamme aufloderte. Es drängte und wogte in ihrer Seele; wie eine Lerche hätte sie jubelnd der wieder aufgehenden Sonne entgegenfliegen mögen.
Fast am Ende der Hauptstraße trat sie in einen großen Laden ein.
>k-
Als Eberhard Andernach einige Stunden später in seine Wohnung zurückkehrte, war es ihm, als wehen ihm Frühlingslüfte entgegen. Der Tisch war wie an einem Festtag weiß gedeckt, ein prächtiger Blumenstrauß stand in der Mitte, und Klara kam ihm entgegen, zitternd vor Erregung wie im Frühling ihrer Liebe und schöner als je mit dem Ausdruck der Reue und der wiedererwachten Liebe auf den feinen Zügen. Da sah sie, wie er schnell seine mit einem blutbefleckten Taschentuch umwickelte Hand zu verbergen suchte.
„Was ist Dir begegnet, Eberhard?" fragte sie mitleidsvoll.
Diese Teilnahme überraschte ihn. Ein fragender Blick ans seinen traurigen Augen begegnete den ihrigen; dann wandte er sich ab und sagte leichthin:
„Es wird nicht viel zu bedeuten haben; infolge einer Ungeschicklichkeit habe ich mir die Finger etwas zerquetscht."
Sie trat schüchtern und teilnahmsvoll näher und bemerkte einen blutigen Striemen, welcher seinen Hals bedeckte und von dem scharfen Eck irgend einer schweren Last herrühren mußte.
„Er hat im Hafen Waren verladen, der Arme", dachte sie, von tiefstem Mitleid ergriffen, und plötzlich fühlte sie sich jo erbärmlich klein neben dieser Helden- seele; sie kniete nieder, ergriff die blutende Hand und küßte sie inbrünstig:
„Eberhard, verzeih mir!"
Diese Stellung, diese Worte von diesem stolzen Weibe verwirrten den Arbeiter vollständig. Er trat erregt zurück, blaß wie ein Marmorbild.
„Klara, was soll das?"
Statt aller Antwort holte sie das zerrissene Schreibbuch.
Er errötete wie ein Schuldiger und sagte verlegen:
„Der Kleine muß es mir aus der Tasche genommen haben oder ist es herausgefallen, als ich ihn heute mittag auf den Knieen schaukelte."
„Gesegnet seien die Hände des Kindes", sagte Klara mit einem dankbaren Blick gen Himmel, „und hier ist mein Vermögen, Eberhard."
Triumphierend öffnete sie ihr Schmuckkästchen. Da gab es keine schillernden Steine mehr, keine Perlengeschmeide, keine Brillantringe, die Reste einer glücklichen Mädchenzeit im reichen Elternhaus; fort war der kostbare Diamantenschmuck, den ihr Eberhard als Brautgeschenk verehrt hatte, dahin .waren auch die königlichen Armbänder und Halsketten, die sie als Hochzeitsgeschenke so gefreut und überrascht hatten. Statt dessen rollte ein kleiner Berg von funkelnden Goldstücken auf den Tisch, die für sich ein bedeutendes Vermögen nach bürgerlichen Begriffen darstellten.
„Klara, was hast Du gethan? Wirst Du niemals den Verlust Deiner Perlen und Diamanten bedauern?"
„O Eberhard, eine Thräne aus Deinen treuen Augen wegzuwischen, ist mir viel mehr wert. Liebst Du mich noch, Eberhard?"
„Frage nicht, Klara; die wahre Liebe ist geduldig und treu, sie dauert ewig, sie erträgt alles und hofft alles. — Und hier sind die einzigen Perlen, welche in Gottes Augen Wert haben", fügte er hinzu, als er die Thränen in den glücklächelnden Augen seiner Frau sah.
„Ach, ich vergaß, ein Brief von der Fabrik ist für Dich da."
Er öffnete denselben hastig. Während er las, verschwand der letzte düstere Schatten auf seinem schönen Gesicht, Helle, reine Freude lag auf demselben.
„Gott sei gelobt! Der Streik ist beendigt! Freue Dich mit mir! Der Direktor schreibt mir, daß ich von dem Verwaltungsrat zum ersten Buchhalter mit einem Jahresgehalt von 3000 ernannt worden sei."
Die junge Frau saß da, die Augen geschlossen, als fürchte sie. alles sei nur ein schöner Traum und werde im nächsten Augenblick zu Ende sein. Sie konnte nicht sprechen vor innerer Erregung.
„Denke nur, Klara, ich habe heute im Stadtgarten die ersten Veilchen gesehen."
Klara zog ihren Mann zu der Wiege des kleinen Schläfers, der mit einem engelsgleichen Lächeln auf dem schönen Gesicht- chen darlag, als freue er sich darüber, daß seine zerstörenden Hündchen das Glück seiner Eltern neu erbaut haben.
Lange standen die Beiden am Bettchcn ihres Kindes. Beide schwiegen. Ein Engel des Friedens ging durch das stille Gemach. In namenloser Liebe schloß die glückliche Frau den wiedergefnndenen Gatten in ihre Arme und flüsterte ihm ins Ohr:
„Der Frühling kehrt wieder. Eberhard."
Berlin, 22. März. Die „Nordd. Allg. Ztg." berichtet: Die Entführung der Schwiegertochter durch den Stiefvater ihres Ehemanns macht im Süden der Stadt viel von sich reden. Vor zwei Jahren hatte der in der Oranienstraße wohnende Kaufmann B. ein junges, hübsches, blutarmes Mädchen geheiratet, mit welchem er bis vor kurzem in glücklicher Ehe lebte. Der Umstand, daß er einen großen Teil des Jahres als Reisender eines Confektionsgeschäfts von Berlin abwesend sein muß, veranlaßt«: ihn, seine Frau unter den Schutz seines Stiefvaters, ves Rentners F., dessen Frau vor kurzem gestorben war, zu stellen und demselben einige Zimmer seiner Wohnung abzutreten. Vor 14 Tagen nun verschwanden plötzlich der zum Beschützer der jungen Frau B. bestellte Rentier R. und sie selbst, um in London wieder aufzutauchen, von wo die Entführte einem hiesigen Rechtsanwalt Antrag erteilte, dieDcheidungsklage gegen ihren Mann wegen unüberwindlicher Abneigung einzuleiten. Zugleich erhielt Kaufmann B. von seinem Stiefvater einen Brief, worin dieser ihm eine größere Summe anbietet, wenn er in die Scheidung willige; der nahezu 60 Jahre alte Herr erklärt darin, ohne die Schwiegertochter, die er zu heiraten gedenke, nicht mehr leben zu können.
Straßburg. Vor einigen Tagen starb eine alte Dame, welche anscheinend in ärmlichen Verhältnissen in einem Mansardenzimmer in der großen Renngaffe hier gelebt hatte. Die alte Dame, Auguste Bandtke aus Pommern, war 40 Jahre alz Gouvernante in Frankreich thätig gewesen und vor etlichen Jahren hierher verzogen. Von allen Seiten wurden der alten Frau, die ohne Mittel zu sein schien, Unterstützungen von Vereinen, von der Armenverwaltung und noch in der letzten Zeit von der Frau Fürsten v. Hohenlohe zu teil. Als das Gericht die Durchforschung dei Wohnung der ohne Anverwandte hier gestorbenen Frau vornahm, fand dasselbe in Lumpen versteckt mehr als 20 000 ülL in Wertpapieren und außerdem viele Goldsachen und Edelsteine.
Als treffliche Zungenübung empfehlen die „Neuesten Nachrichten" das öftere Aussprechen des Namens, den die neue Kronprinzessin von Hawaii trägt. Die Dame heißt nämlich-^Viktoria Kawekin Kaiulani Lunalilo Kalaninuiahilapülapa!
(Darauf geholfen.) Treiber: „Guten Tag, Herr Baron!" — Baron (der sich momentan nicht erinnern kann, woher er den Mann kennt): „Wo Hab' ich Sie doch neulich getroffen?" — Treiber: „In d' Wadeln, Herr Baron!"
(Elastischer Tadel.) Dilettant: „Hier mein erster künstlerischer Versuch: „die Götter des Olymps" .... Was sagen Sie dazu?" — Kriti'ker: „Ich sage, der Mensch ders u che die Götter nicht!"
Auflösung des Festrätsels in Nr. 49. Paulus Jthaka Lorch Aristiph Taglioni Uganda Sandbank (Pilatus—Kaiphas.)
Richtig gelöst von Johannes Klaiber in Gräfenhaüsen.
Silbenrätsel.
Aus folgenden Buchstaben und Silben sollen 13 Wörter gebildet werden, deren Anfangs- und Endbuchstaben, je von oben nach unten gelesen, den Namen und den Wohnort eines „großen" Mannes ergeben, aeb an der bot bur ob orim ä ö ä clo onse or ou8 k k §or i j II fok Kai kan 1 1 lor mo met mit? mol niob ro roi roi rei ritd 8 8 8eba 8ebau 8or 8tän to ter ter ton to ü un ul val 2 .
Die Wörter bezeichnen:
1. einen Helden aus einer nordischen Sage,
2. den Titel einer illustrierten Zeitschrift,
3. den Gesamtnamen der berittenen Truppen,
4. die Gesamtheit der gewählten Volksvertreter,
5. em deutsches Gebirge, :
6. den Vertreter einer Macht an einem fremden
Hofe, ,
7. den Namen eines Monats,
8. einen Schlachtenort in Rußland,
9. einen österreichischen Diplomaten, >
10. einen griechischen Helden, j
11. den Titel des obersten Reichsbeamten,
12. eine Fabrikstadt in Sachsen,
13. eine Monarchie.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.