(Essen), Geh. Legationsrat Kayser und Re­gierungsrat Heim als elsaß-lothringische Kommissare für den Bundesrat, im ganzen 60 Personen.

Im Reichstage waltet bereits Ferien­stimmung vor, auf welche wenigstens das in den letzten Sitzungen hervorgetretene flottere Arbeitstempo des Hauses hindeutet. In höchst summarischer Weise ist der Rest der zweiten Etatslesung, der doch noch ziemlich belangreich war, erledigt worden, wenn man von den Erörterungen über die Mehrforderungen des Marine-Etats ab­sieht. Ferner hat der Reichstag eine Reihe kleinerer Vorlagen angenommen, vorbe­haltlich deren endgiltiger Genehmigung, und sich daneben noch mit der Prüfung von Wahlen und Petitionen beschäftigt. Bei letzterer Arbeit kam es am Mittwoch zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, die sich an eine Petition um Zulassung des weiblichen Geschlechts zum medizin­ischen Universitätsstumum von Reichswegen knüpfte. Es entspann sich hieraus eine lebhafte Diskussion über die Berechtigung der Frauen zum Universitätsstudium, wo­bei die Redner von der freisinnigen und und sozialdemokratischen Seite entschieden für diese Forderung als durchaus zeit­gemäß eintraten. Gegen dieselbe wandten sich der Zentrumsabgeordnete Dr. Orterer, sowie der Konservative Hultzsch, welche teils Kompetenzbedenken geltend machten, teils hervorhoben, daß das Universiätsstudium die Frauen ihrem natürlichem Berufe ent­fremden würde. Die Debatte endete da­mit, daß das Haus, entsprechend dem Kommissionsantrag, über die Petition zur Tagesordnung überging. Am Donners­tag genehmigte der Reichstag die zurück- gestellten und inzwischen von der Kom­mission angenommenen Positionen des Marine-Etats, welche je eine Million Mark als erste Raten für die Panzerfahrzeuge 8 und II fordern, mit beträchtlicher Mehr­heit. Das preußische Abgeord­netenhaus hat die zweite Lesung der Gewerbesteuer-Vorlage beendigt und sich hierbei im Großen und Ganzen an die Kommissionsbeschlüsfe gehalten.

Berlin, 14. März. Zu Ehren des hierher zurückgekehrten Dr. Peters fand gestern bei Hiller ein Festessen statt, au welchem namhafte Mitglieder der parla­mentarischen Parteien derNationalliberalen, Konservativen, Freikonservativen und des Zentrums teilnahmen. Dr. v. Bennigsen rühmte in einem Trinkspruch auf Peters dessen Verdienste um das deutsche Kolonial­werk, worauf Peters dankend erwiederte.

Der Abgeordnete Windthorst ist wie schon gemeldet am Samstag den 14. März verschieden. Die politische Bedeutung des Hinganges des greisen Führers des Zen­trums läßt sich wohl kaum überschätzen. Die Seele seiner Partei, besaß er bei seinen Fraktionsgenossen eine uneingeschränkte Au­torität, die ihn befähigte, die vielfach ein­ander widerstrebenden Strömungen im Zentrum immer auf das Ziel der ultra­montanen Bestrebungen hinzulenken und zwischen dem konservativen und dem demo­kratischen Flügel der Partei erfolgreich zu vermitteln.

Wer wird nun an seine Stelle treten? Diese Frage beschäftigt gewiß augenblicklich alle politischen Kreise, denn von ihrer Lös­ung wird es abhängen, ob das Zentrum die bisher innegehabte, nur zu oft ent­scheidende Stellung in den Parlamenten behaupten wird. So viel tüchtige Kräfte die ultramontane Partei zählt, auch unter den Ersten, Einflußreichsten findet sich Keiner, der die Lücke ausfüllen könnte, die mit dem Tode Windthorsts in ihren Reihen entstanden ist. Man braucht deshalb kein Prophet zu sein, um dem Zentrum eine Reihe heftiger innerer Kämpfe Voraussagen zu können, aus denen es. wenn auch nicht gespalten, so doch geschwächt hervorgehen dürfte, und die ihm einen Teil jener Aktionskraft rauben werden, mit Hilfe deren es in den letzten Jahren so namhafte Erfolge errungen hat.

Von bäuerlichen katholischen Eltern am 17. Januar 1812 zu Staldenhof im Os- nabrückischen geboren, bereitete sich Lud­wig Windthorst ursprünglich auf den gerichtlichen Stand vor, wandte sich jedoch später dem Studium der Rechtswissen­schaften zu. Anfangs Rechtsanwalt in Os­nabrück wurde er 1848 Oberappellations­gerichtsrat in Celle, 1849 Mitglied der hanoverschen zweiten Kammer in der er die partikularistische Politik Stüwes eifrigst unterstützte. 1851 Präsitent der zweiten Kammer wurde er im November dieses Jahres Justizminister im Ministerium Scheele. Nachdem er schon 1853 wieder aus der Regierung ausgeschieden war, wurde er 1862 neuerdings und zwar in das versaßungsfeindliche Ministerium Brandis-Platen berufen, in dem er das Bündnis mit Oesterreich förderte. 1865 zum Kronoberanwalt in Celle ernannt, legte er nach der Annexion 1866 sein Amt nieder und führte im darauffolgenden Jahre die Verhandlungen mit Bismarck über die Abfindung des Königs Georg. 1867 in den norddeutschen Reichstag gewählt, trat Windthorst in seinen ultramontanen Be­strebungen vorerst sehr vorsichtig auf. Je­doch schon im ersten deutschen Reichstag und darauf im preußischen Landtage trat Windthorst als offener ultramontaner Par­teigänger hervor und übernahm die Führ­ung des Zentrums, an das er die parti- kularistischen Oppositionellen der Parla­mente (Polen, Welfen und Elsäßer) zu fesseln wußte. Von scharfem durch­dringenden Verstände, mit Witz und schlag­fertiger Dialektik begabt, erzielte Windk- horst insbesonders im Beginn seiner Wirksamkeit im Reichstage bedeutende rhetorische Erfolge, die jedoch leicht wiegen gegen das, was er als Taktiker für seine Partei und im Interesse ihrer Bestrebungen geleistet hat. Nach großen schöpferischen Ideen wird man in der Wirk­samkeit Windthorsts vergebens suchen; das zähe Festhalten an dem einmal gefaßten Entschlüsse einerseits und die kluge Aus­nutzung jedes auch des anscheinend gering­fügigsten Umstandes waren es, die die Ueberlegenheit des Zentrums unter seiner Führung über alle anderen Parteien be­gründete, und die Windthorst selbst die Leitung der gesamten Opposition in den Jahren 18811887 verschafften.

Seitdem und insbesondere nach den

vorjährigen Wahlen war der Einfluß Windthorsts womöglich noch gewachsen' ein Blick auf den Gang der parlamentar­ischen Ereignisse in den letzten Monaten zeigt die innerpolitische Frage fast gänzlich von dem Führer des Zentrums beherrsch, Um so schwerer ist der Schlag, der die ultramontane Partei mit dem Hinscheiden Windthorsts trifft; sie hat alle Ursache, an seinem Grabe den Verlust desjenigen z« beklagen, dem allein sie ihre Machtstellung, ihre Erfolge verdankt.

Berlin, 14. März. Windthori/ Tod erfolgte so langsam und allmählt daß die Umstehenden den Zeitpunkt du endgiltigen Erlöschens des Lebens kaue feststellen konnten. Fast alle Zentrum«- Abgeordneten erschienen heute im Steck­zimmer Windthorsts. Die Leiche wild nach der Hedwigskirche übergeführt, m dort aufgebahrt zu werden.

Württemberg.

Stuttgart, 14. März. Der Staats- Anzeiger schreibt: Windthorst, einst dn grimmigsteReichsfeind", war zuletzt Gast Bismarcks und vom Kaiser geehrt. Wi, ein guter Bürger nahm er an entscheidend«« Tagen patriotisch das Opfer von Bn- willigungen auf sich, und so fand ein m- söhnlicher Abschluß seiner Laufbahn statt.' DerSchw. Merk." schreibt:Windthorst verdankt seine Machtstellung neben seim Begabung der Uneinigkeit der liberal«, Parteien, zuletzt dem Bündnis des Frc- sinns mit den Ultramontanen, so warst! Regierung genötigt, die Gunst des Zentr« zu suchen, die Windthorst verwaltete."

Stuttgart, 15. März. Der Wem Pariser Orient-Expreßzug traf heute vor­mittag mit 2'/-stündiger Verspätung hier ein. Die Ursache dieser Verspätung war die Entgleisung eines Güterzuges bii München, wodurch beide Geleise längere Zerr gesperrt wurden, weshalb der Ocknt- Expreßzug längere Zeit liegen bleibe« mußte. Heute früh 6 Uhr 50 M«, stürzte der Lokomotivführer Rapp « Eßlingen aus der Vorspann-Marschine des Personenzuges Nr. 54 unmittelbar vor der Station Cannstatt (in der Nähe der Wagnerwerkstätte), wahrscheinlich m folge eines durch eine Weiche verursach!«» Stoßes heraus und fiel so unglücklich gege» einenSteigungszeiger", daß er äußersi schwere Verletzungen am Kopfe (Schädel j bruch) erlitt. Der Schwerverletzte wmie' in besinnungslosem Zustand in das C» statler Krankenhaus geschafft. Sein Je- finden ist äußerst bedenklich.

Regierungsrat Mosthaf vom Mm; sterium des Innern hat einen Ruf n«Ä Japan erhalte». Er soll als Beirat des japanischen Staatsministeriums in drei­jähriger Thätigkeit bei der Einrichtung bei Verwaltung nach europäischen Grundsätze» milwirken. Wie derSchw. Merk." M -

hat Reg.Rat Mosthaf angenommen u»bi

begiebt sich bereits im April auf seine». Posten, nachdem ihm der erforderliche llr^ laub bewilligt wurde.

Auflösung der Charade in Nr. 41.

Ofenschirm."

Mt einer Aetlage.

Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.