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daß es in Marokko den offenen Sklavenhandel nicht nur duldet, sondern sogar unterstützt. Es giebt doch nichts widerliches im öffentlichen und privaten Leben als die Scheinheiligkeit, welche im Auge des Nächsten den Splitter sucht und im eigenen Auge das vollständige Balkenmagazin übersieht.
Newyork, 7. Okt. Der Mormonen- Kongreß zu Saltlake-City beschloß die Abschaffung der Vielweiberei.
Mis)kllcn.
Ahnungen.
Kriminal-Novelle von Gerhard v. Arnim.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Der Herr Landgerichtsrat war seit etwa einer halben Stunde mit seinem Schreiber in der Krone wieder angelangt und eben mit Frühstücken beschäftigt, als die Wirtin zu ihm in den Saal trat, und meldete, daß der Polizeisergeant, in dessen Begleitung ein Bauer sich befinde, ihn zu sprechen wünsche.
„Ah. das wird unser Mann sein," erwiderte der Angeredete, lassen Sie schnell den Tisch abräumen, Frau Wirtin, und die beiden Leute eintreten. Sorgen Sie aber dafür, daß solange dieselben bei mir sind, Niemand dieses Zimmer betritt."
Wenige Minuten später erschienen der Polizeisergeant und der Winzer Brockert, ein großer starker Mann mit wetterharten und kouragierten, dabei ziemlich gutmütigen Gesichtszügen auf der Schwelle. Sein Gesicht schien ungewöhnlich bleich, die Lippen hatte er fest aufeinander gebissen, die linke Hand steckte in der Hosentasche, während er mit der Rechten einen abgetragenen Filzhut umfaßt hielt und denselben fortwährend krampfhaft mit den Fingern zerknitterte. So trat er vor den Untersuchungsrichter hin, nicht demütig und verwirrt im Gefühle seiner Schuld, sondern erregt und zornig über die angethane Unbill.
Einen Augenblick heftete der Rat prüfend seinen Blick auf den trotzig und fast herausfordernd vor ihm stehenden Mann, und das Resultat dieser Prüfung schien für den letzteren kein ungünstiges zu sein, denn ziemlich freundlich wurde er ersucht, Platz zu nehmen.
„Haben Sie Ihre Schreibgeschichten bei der Hand, Herr Wagner? "
„Jawohl, Herr Rath."
„Nun, so notieren Sie. Sie heißen?", wandte er sich an den Vorgesührten.
„Johann Brockert."
„Wie alt und wo gebürtig und welchen Beruf haben Sie?"
„Vierzig Jahre alt in Grummersdorf in der Pfalz gebürtig, Ackerer und Winzer meines Berufes."
„Sind Sie schon bestraft oder in Untersuchung gewesen?"
„Noch niemals."
„Sie waren früher in Amerika."
„Ja, vor ungefähr 9 — 10 Jahren,"
„Waren Sie lange dort?"
„Etwa zwei Jahre."
„Haben Sie in New-York vielleicht eine gewisse Pauline Koch kennen gelernt und einen gewissen Karl Heidger? "
„Beide Namen höre ich heute zum ersten Male."
„So, so, Sie stehen aber im Verdachte , mit dieser Pauline Koch früher einmal verheiratet gewesen zu sein. Was sagen Sie dazu?"
„Gar nichts. Diese Behauptung ist einfach lächerlich."
„Hm! Sind sie nicht vor einiger Zeit mit einer fremden Dame im Walde zusammengetroffen? "
„Ich habe keine Bekanntschaft mit Damen und ferner bin ich seit einem halben Jahre nicht mehr im Walde gewesen. Meine Weinberge liegen diesseits des Waldes."
Sie haben doch von dem Morde gehört, der vor etwa 14 Tagen hier passiert ist."
„Freilich"
„Nun, man hat begründete Vermutung, daß — Sie der Thäter gewesen sind."
Das bronzene Gesicht des Mannes wurde erdfahl bei dieser ihm entgegengeschleuderten Beschuldigung. Einen Augenblick schien es. als ob die in ihm kochende Entrüstung zu einem heftigen und leidenschaftlichen Ausbruche gelangen sollte, im nächsten Momente hatte er jedoch diese Anwallung niedergekämpft. Mit heiserer Stimme antwortete er.
„Und was berechtigt Sie, einen unbescholtenen Mann eines so schweren Verbrechens zu beschuldigen?"
„Kennen Sie dieses Messer ? " , entgegnet der Untersuchungsrichter, indem er ihm den soeben gemachten Fund vor Augen hielt.
„Nein; ich sehe es heute zum ersten Male," erwiederte der Mann ruhig.
„Jetz sprechen Sie die Unwahrheit. Es ist dasselbe, mit welchem die unglückliche Pauline Koch ermordet wurde, und Sie sind der Thäter, denn in ihrer Wohnung hat man dasselbe, sorgfältig versteckt gefunden."
„So wahr Gott im Himmel lebt, ich weiß nicht, wie dieses Messer in meine Wohnung gekommen ist," rief Brockert feierlich aus.
„Es wird sich zeigen, was von solchen vermessenen Beteuerungen zu halten ist," entgegnete der Untersuchungsrichter kalt, „vorläufig jedoch habe ich noch etwas anderes festzustellen. Wollen Sie einmal Ihre Oberkleider ausziehen. So, auch das Hemde."
„Wo haben Sie diese Narbe auf dem Rücken her? ", frug der Beamte nicht ohne Erregung, da das telegraphische Signalement auch in diesem Punkte wiederum so auffallend auf den des Mordes Verdächtigen paßte.
Diese Narbe verdanke ich. einem Geschwüre, welches mir bei meiner Herreise von New Jork auf dem Schiffe operiert und welches sehr schlecht geheilt wurde."
„Das ist allerdings seltsam. Ich möchte Ihnen doch ernstlich, und schon in Ihrem eigenen Interesse raten, ein Geständnis abzulegen und zu bekennen, daß jene Narbe von einem Messerstiche herrührt, daß Sie nicht Johann Brockert, sondern Karl Heidger heißen, daß Sie das Messer in Ihrem Holzschuppen versteckten und daß Sie der Mörder Ihrer rechtmäßigen Ehefrau, ge
borenen Pauline Koch, sind. Sie sind bereits so weit überführt, daß ferneres Leugnen Ihre Lage nur verschlimmern kann."
(Fort setzung folgt.,
Volkszählung. Bei der am 1. Dezember d. I. stattfindenden Volkszählung sollen nach einer seitens des Kriegsministeriums ergangenen Bestimmung die Militärpersonen in derselben Weise ausgenommen werden, wie die Zivilpersonen. Für die militärischen Anstalten (Kasernen, Lazarete, Magazine rc.) liegt-die Einteilung der Zählbezirke dem Kommandanten oder Garnisonältesten ob, welchen die erforderlichen Formulare und sonstigen Mitteilungen von den Civilbehörden zugehen werden. — Für den Tag der Volkszählung, Montag, den 1. Dezember, fällt, wie bei den früheren Volkszählungen, der Unterricht in sämtlichen Schulen aus. Der Kultusminister spricht die Erwartung aus, daß die Lehrer bereit sein werden, sich an dem Zählgeschäft zu beteiligen, dagegen sollen Schüler dazu nicht herangezogen werden.
Gemeinnütziges.
Um einen Obstteller auszuputzen, giebt die praktische Wochenschrift „Fürs Haus" (vierteljährlich 1 -4L folgende Anweisung: Aus weißem Papier schneidet man 4 sich abstufende Rundungen; die größte kann sich nach der Form des Tellers richten; die kleinste hat höchstens 5 bis 6 cm im Durchmesser. Auf diese Papierteller näht man 4 >/, cm breite Streifen von zartrosa Seidenpapier, welches in zierliche, gleichmäßige Fältchen geknifft wurde. Die größte Runde kommt zu unterst aus den Obstteller. Man ordnet daS so darauf, daß der farbige Rand möglichst wenig verdeckt wird. Auf diese erste Schicht Obst wird die zweite Papierrunde gelegt und aus diese wiederum Obst getürmt. So fährt man fort bis zur kleinsten Rundung. Obenauf kommen die schönsten Früchte. In die Falten des rosa Seidenpapiers legt man zarte grüne Blättchen unü bringt aus der Spitze der Pyramide einen zierlichen Zweig an. — Kuchen- und Konfektteller verzierte ich in ähnlicher Weise.
Logogryph.
Als Körperteil enthält's ein l,
Mil n wird es zum Namen schnell,
Machst Du ein Böglein noch darauf,
Nimmt es Dich gastlich in sich auf.
R. >v.
Hvffpretszettel.
Stuttgart, 9. Okt. Wilhelmsplatz: 8000 Ztr. Mostobst zu 5 ^4L 80 ^ bis 6 ^L 50 ^ pr. Ztr. — 6. Oktbr. Güterbahnhos: Zufuhr 5600 Ztr. Preis 5 -4L 30 ^ bis 5 ^kL 60 pr. Zentner, (schweiz. 4 -4L 80 bis 5 ^ 4 L) je pr. Ztr.
Reutlingen, 8. Okt. Aus Bayern und der Schweiz beigeführtes Mostobst fand zu 5 -4L bis 5 -4L 60 für den Zentner bei starker Nachfrage willige Abnehmer. Der gestrige Wochenmarkt nahm, trotzdem der Sack Aepfel mit 10 bis 13 -4L, der Sack Birnen mit 10 — 15 -4L bezahlt wurde, einen regen Verlauf.
Mutmaßliches Wetter
am Samstag den 11. Oktober.
In der oberen Nordsee scheint sich ein neuer Lustwirbel anzukündigen, während der ältere Lustwirbel am nördlichen Ural sich auszugleichen beginnt. Der Hochdruck über dem größten Teile Mitteleuropas hält an und leistet dem neuen Luftwirbel sehr kräftigen Widerstand. Bei äußerst schwachem Druckgefäll liegt das Maximum für Süddeutschland im Norden. Demgemäß wird das trockene und tagsüber heitere Wetter sowohl am Samstag als am Sonntag noch andauern. Die Nächte werden Reif, in rauhen Gegenden sogar Frost bringen, auch die starken Frühnebel werden sich täglich einstellen.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Me eh in Neuenbürg.