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Weise zu übertreiben. Was aus Liebe gesündigt worden sei, müsse auch in Liebe vergeben werden, — denn unwandelbar sei die seinige zu ihr immer geblieben.
„Unwandelbar!" wiederholte sie spottend und bitter auflachend, „so schau mir in die Augen, wenn Du es kannst und sage ob Deine Sinne mir treu geblieben in diesem frevelhaften Spiel? Ob kein Schlag Deines Herzens schneller ging bei dem Weibe meines Vaters, ob Du immer kalt und wunschlos geblieben."
Bei ihrem durchdringenden strengen Blick senkte er den Kopf und eine tiefe Röte überzog seine Stirn.
„Nenne das nicht Liebe," sprach er, „es war nur eine vorübergehende Wallung. Mein Herz blieb Dir treu und wird es immer bleiben."
„Was könntest Du mir jetzt noch sein," stöhnte sie, nachdem ich das Vertrauen nachdem die Verachtung rastlos mich von Dir treibt. Du konntest Deinen Sinnen nicht gebieten, ich kann es meinem Urteil von Recht und Unrecht nicht. Es ist in mir da, ich muß ihm gehorchen. Wärst Du für mich nie auf jener Höhe gewesen, auf die meine Phantasie Dich stellte, hätte mein Glück nie so furchtbar tief sinken können. Ich kann Dich nicht mehr sehen, ohne daß meine Seele nicht aufschreit vor Qual, darum scheiden wir, je weiter, desto besser. Du wirst vergessen, denn Du kannst Deinen Sinnen Nahrung geben durch den Liebreiz anderer Weiber, ich aber muß dem Schmerz und der Entsagung leben. so lange ich atme. — Du hast mir nicht nur den Geliebten und den Gatten, Du hast mir auch die Mutter genommen, die ich bisher verehrte, — ich leide namenlos und bin so allein."
Kalenberg erhob sich von seinen Knieen, sein Gesicht war bleich, aber Rührung und Bitte waren aus demselben gewichen.
„Elsbeth," sprach er ernst, „Alles, was Du mir da sagst, enthält wohl einen großen Teil Wahrheit, das gebe ich zu, aber einen noch größeren Teil von Ueberhebung Deiner selbst. Das Weib, das liebende Weib vor allem sollte nie in solcher Weise den Mann verurteilen, sondern die Milde vorherrschen lassen und nicht richten, denn ihr, hörst Du, ihr gebührt nicht das Richteramt. Ich habe Dich tief und warm geliebt, Dich allein, Du aber bist zu stolz auf Dich selbst. Trotzdem ich Deine Fehler ebenso gut erkenne, wie Du die weinigen, bleibt meine Liebe Dir treu. Ich verlasse Dich jetzt, weil ich es unter meiner männlichen Würde halte, mich noch länger auf solche Weise verurteilen zu lassen. Du bist wie alle Frauen zu rasch nnd stark erregt, was Deine sonst klare Erkenntnis der Dinge verdunkelt. Ich halte mich nach allem, was geschehen und gesprochen ist, noch immer für Deinen Verlobten und will in Geduld warten, bis Du mich zurück rufst. Gott segne Dich mein Liebling, traurig ist es, daß ich in der Stunde Deiner jetzigen Seelennoth Dir keine Stütze sein kann, aber ich baue auf Deinen Rechtssinn. Der Sturm wird vorübergehen und die Sonne wieder über uns beiden leuchten. Mich jammert nur, daß ich Dich in diesem Sturm nicht schütze» darf."
(Fortsetzung folgt.,
In's Bad.
Eine Geschichte aus dem Leben von vr. I. K. Kemps.
(Nach dem Manuskript gedruckt; widerrechtl. Abdruck verboten.^
„Es ist nichts so fein gesponnen,
„Es kommt voch endlich an die Sonnen."
Ein schöner Juniabend vereinigte die aus vier Köpfen bestehende Familie des Kaufmanns Willibald in dem ringsherum von grünem Gesträuch und Tannenbäumchen umgebenen Gartenhäuschen. Das Anwesen lag vor dem unteren Thor der Kreisstadt gar lieblich an einem munter plätschernden Bache. Warme balsamische Düfte wehten von den der Sense zum Opfer gefallenen Grasschooren der nahen Wiese herüber und mit vollen Zügen erlabte sich die im Glücke strahlende Familie des reichbegüterten und angesehenen Kaufmanns an dem köstlichen Aroma.
Nicht von jeher konnte Willibald sich dieses Glückes erfreuen, erst die Zeit nach schwerer Arbeit und glücklich erfaßter günstiger Gelegenheiten brachte ihm Vermögen und Reichtum ein. Er war stets ein strebsamer, fleißiger Mann gewesen, den eine Ehefrau, reich an Klugheit und häuslichen Erfahrungen auf's Beste unterstützte. Der Himmel hatte ihnen zwei Kinder, nämlich ein Mädchen und einen Knaben bescheert und eine Hauptsorge der Eltern bildete die Erziehung der beiden Kinder. Das Töchterchen mochte jetzt 18 Jahre und der Sohn 17 zählen. Beide waren gleich groß, aber beide ganz verschieden an Charakterbildung. Das Gemüt des Sohnes entsprach vollständig dem seines Vaters. Ernst in allen Lebenslagen blieb der Kaufmann, berechnend, zählend, prüfend jederzeit und ganz dasselbe war als Erbstück auf Heinrich, so hieß der Sohn, übergegangen. Letzterer besuchte noch das Gymnasium und zählte zu den besten Schülern seiner Klasse.
Eme trauliche Unterhaltung hielt die Familie bis zum späten Abend beisammen, eine gewisse Unruhe aber zeigten schließlich Mutter und Tochter. Dieselben mußte etwas auf dem Herzen haben, denn von Zeit zu Zeit sahen sich die beiden verständnisinnig an und schon einigemal nahm die Mutter einen Anlauf zu einer andern Redewendung. Die Frau kannte ihren strengen Herrn Gemahl zu gut dafür, daß er vom Thema nicht leicht abwich und deßhalb mußte sie eben einen günstigen Moment abwarten, um mit den bereit gehaltenen Worten hervorzutreten. Dieser Augenblick war nun gekommen. „Denk Dir, Papa", Hub jetzt die stattliche Frau mit ihren hellleuchtenden schwarzen Augen und ihrem frischen gesunden Gesichte an, „die Frau Verwalter Engelberg, meine Freundin, teilte mir heute mit, daß sie morgen zum Kurgebrauch nach WildLad abreise." Willibald hatte sich eben noch eine frische Cigarre angezündet, ließ aber zum Vergnügen das schwedische Zündhölzchen vor sich ganz abbrennen. Erst dann antwortete er auf die mitgeteilte Neuigkeit in gleichgiltigem Tone: „Nun, die gute Frau wird es wohl nötig haben. Sie sieht in letzter Zeit so kränklich aus und ich glaube, daß sie sich in Wildbad gut erholen wird.
„Frau Engelberg kränklich?" lachte Willibald's Gattin auf, „so gesund, wie der Fisch im Wasser. Da mußt Du mich reden lassen, mich, mit dem Rheumatismus am linken Arm, ich hätte das Baden wahrhaft nötiger als Frau Engelberg."
„Ja", fiel die Tochter ein, „die arme Mama! Wie hat sie feit neuester Zeit so große Schmerzen! Mit wahrer Engelsgeduld ertrug sie aber dieselben und dachte kaum ernstlich daran, etwas dagegen zu thun." Der Sohn, welcher ein altes Studentenlied vor sich hin summte, achtete zuerst nicht auf die Rede, doch als der Ort „Wildbad" genannt wurde, griff er in seine geographische und historische Schatzkammer und dachte für sich: „Wildbad liegt im Schwabenland." Des Kaufmanns faltenreiche Stirne, er mochte erst nahe der SOiger stehen, wurde jetzt noch runzeliger und seine hageren langen Gesichtszüge wurden noch gezogener. Seine klugen kleinen, grauen Augen suchten wie nach einem vermißten Gegenstand, der nicht aufgefundcn werden konnte und mit verstohlenen Blicken sahen Mutter und Tochter verlegen nach dem strengen Familienoberhaupt.
„Nun," griff Willibald endlich wieder zum Worte, „die Frau Verwalter kann's ja machen;
es sind reiche Leute und haben keine Kinder. Die Badreise giebt für die Frau eine kleine Abwechslung, von der sie alsdann ihrem alten Gemahl den ganzen Winter hindurch zu erzählen weiß."
„Ach Papa, eine Badreise muß doch etwas Entzückendes, etwas wunderbar Schönes sein", sprach das Annchen — so hieß die Tochter — hierauf. „Denke Dir, wenn man für nichts zu sorgen und nichts zu thun hat als zu baden, Toilette zu machen, spazieren zu gehen, Musik hören, Theaterbesuchen; Ausflüge machen; nicht wahr, Papachen, wunderschön? Aber wo liegt denn das Wildbad, ist es nicht in Steiermark oder sonst wo da unten?"
„Aber Kind", erwiderte ernst der Vater, „Du kommst eben erst aus dem Töchterpensionat und du weißt nicht mal wo Wildbad liegt?"
„Ja, siehe Papa; ich wußte es. Wildbad — Wildbad, da hat etwas gespielt."
„Wildbad liegt in Württemberg", kam ihm jetzt der Bruder zu Hülfe. „Richtig, Heinrich", erwiderte Annchen froh, „Graf Eberhard der Greiner der alte Rauschebart", heißt es, nun weiß ich es wieder. Nicht wahr, Papachen, Wildbad ist reizend, hm?"
„Ich kenne den Platz nicht genau; hatte als ich noch Reisender war, nur einen Kunden dort, um die Schönheiten habe ich mich nie bekümmert", gab der Kaufmann zur Antwort. Frau und Tochter merkten an diesen Worten, daß ihr Familienoberhaupt, weil er nichts Lobenswertes an diesem Orte hervorhob oder hervorheben wollte, nicht besonders gut aus Wildbad zu sprechen war. Oder wollte er vielleicht Ärmchens Sehnsucht dahin nicht noch mehr steigern, oder hatte er thatsächlich schlimme Eindrücke von da mit fortgenommen? Wer wußte es? Er mußte daher von einer andern Seite aus angegriffen werden.
„Du glaubst gar nicht, Papa, wie mich der Arm zur Zeit schmerzt", Hub die Frau wieder an. „Ich merke, es wird von Tag zu Tag schlimmer mit mir und es wird gut sein, wenn ich morgen mal unfern Hausarzt darüber frage. O, ich halte es hier im Galten nicht mehr aus; kommt, laßt uns in unsere Wohnung und mich zur Ruhe gehen!"
Noch gar zu gerne wären, obgleich es schon spät war, der Sohn und die Tochter noch eine Zeit lang in der schönen Laube geblieben, da aber der Vater es ebenfalls für ratsam hielt, daß seine von Rheumatismus so sehr geplagte Frau sich gleich zurückziehe, so folgten auch Sohn und Tochter in das Wohnhaus.
Eine Prächtige Mondnacht entzückte das schw ärmerische Auge des Annchens und vom Fenster aus sah es hinüber auf den glänzenden Fluß, in welchen der Bach, woran die Besitzung lag, sich ergoß. Riesenhafte Pappelbäume, stumme Zeugen, die Aeste eingeschlossen — Sinnbilder der Verschwiegenheit — umsäumten das jenseitige Flußufer. Eben brach das Mondlicht zwischen zwei solchen Bäumen offen durch und beleuchtete das feine, zarte und reizende Gesichtchen der Kaufmannstochter. „Guter Mond, du gehst so stille durch die Abendwolken hin", melodierte sie vor sich. „O, es war doch eine schöne herrliche Zeit, die Jnstitutszeit; was gab es da Vergnügen und wie träumten wir uns das Leben so schön fernerhin, ganz anders, wie es bei mir zu Hause in der Wirklichkeit ist!
„He, Annchen". rief ihr die eingetretene Mutter zu, „ich glaube gar Du träumst am offenen Fenster? Lege dich zur Ruhe, schlafe gesund und wohl!" Ein Kuß und die Mutter entfernte sich, während die Tochter sich ihrem Schlafgemach zuwendete.
(Fortsetzung folgt.;
Viele Pariser Damen spritzen sich neuerdings wohlriechende Wasser, Pal- schuii, Rosen-, Veilchen- und Jasmin- Bouquet, unter die Haut, um gut zu riechen. Vergeblich warnen die Acrzte vor dieser Thorheit, die noch gefährlicher ist, als die Morphium-Vergiftung.
Palindrom.
Was fest gemacht aus Eisen Den Dieben wehrt,
Wird umgekehrt Euch beißen Wenn Jhr's verzehrt.
Redaktion, Druck und Verlag von Chrn. Meeh in Neuenbürg.