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Ufer, während man links auf die Rosenvilla und die hinter derselben sich erhebenden Bergen sah, die durch eine Felsenschlucht getrennt, ihre hohen spitzen Häupter gegen den Himmel emporreckten.
„Welchen Weg wählen wir?" fragte Seraphine, „welcher ist der schönere?"
„Das ist Geschmacksache" antwortete der Graf, „ich bitte, dak die Damen bestimmen." ^
Lilli wandte sich nackree^hts und konnte nicht genug Worte des L^obes über die Aussicht, die man hattH h.nden.
„Das war eine güte Idee von Ihnen, die Burg aufzubauen," sprach der Rittmeister, „sie wird aber Heuer nicht mehr vollendet werden können."
„Leider nein, im Winter kann man hier nicht bauen, die Arbeit muß eingestellt werden."
„Und Sie gehen dann fort?" fragte Lilli sorgenvoll zu ihm aufblickend.
„Wer weiß es," erwiderte er, doch so, daß nur sie es verstehen konnte.
Oben angelangt war alles über das Schloß entzückt. Der Graf geleitete seine Gäste durch das eisenbeschlagene Thor, über dem der alte, jetzt renovierte Schwan thronte, in einen großen gewölbten Gang, von dem man in einen Hof gelangte, der in das eigentliche Schloß führte. Er zeigte ihnen den ganzen Bau und zuletzt betraten sie einen bereits vollendeten Saal, von dem aus man durch eine hohe Spitzbogenthür auf die breite Terrasse kam. Zwei große, aus weißem Marmor äußerst kunstvoll gearbeitete Schwäne standen auf beiden Seiten, hinter denen man rechts und links durch die in den Felsen gehauenen Treppen in die englischen Anlagen kam. Auf dieser Terrasse wurde ein reiches Souper eingenommen; nach demselben schlug Seraphine vor, den Wartturm der Aussicht wegen zu besteigen, alle, außer Alsenhorn, folgten diesem Vorschlag. Als er sich allein sah. stand auch er auf, schritt die Stufen der Terrasse hinab und schlug den Weg ein, von dem aus man auf die Rosenvilla sehen konnte.
Wie ganz verschieden Annette von Lilli ist, dachte er, das Glück, das ich bei dem kindlichen Weibe erhoffte, habe ich nicht gefunden. Nicht einmal dankbar zeigt sie sich für all' das, was ich ihr gab. Ja, Annette hatte recht gehabt. — und dennoch würde er heute ebenso handeln wie damals, wenngleich ihm jetzt die Augen aufgegangen, daß er er sich mit Lilli keinen Frieden in's Haus gebracht hatte. Unwillig und verdrossen wandte er sich ab und ging wieder der Terrasse zu; als er die letzten Stufen der Treppe erstiegen, blieb er stehen und lauschte. Ja er täuschte sich nicht, das war die Stimme seiner Frau, leise stieg er hinan und verbarg sich hinter dem Schwan, von wo aus er die ganze Terrasse übersah. Der Mond warf sein Licht auf den Grafen und auf Lilli'S volle reizende Gestalt, ihre großen Augen blickten mit strahlender Seligkeit zu ihm auf. Der Graf neigte seinen Kopf zu dem ihrigen herab. Alsenhorn dachte. daß er Zeuge eines Kusses sein werde, seine Pulse klopften so furchtbar, daß er meinte, der Schlag werde ihn treffen. Unfähig, sich länger ruhig zu halten, wollte er eben
vorstürzen, als zu gleicher Zeit unter dem Thor des Saales Seraphine und die beiden Herren sichtbar wurden, die jedenfalls die ganze Zeit im Saale waren, weswegen der Graf doch unmöglich die Keckheit haben konnte, sie vor diesen küssen zu wollen. Das elende schlechte Weib, fluchte er im Innern, ich Haffe sie, ich hasse sie. Mit verdoppelter Aufmerksamkeit verfolgte er nun jede ihrer Bewegungen und da wollte er bemerken, daß sie während der Heimfahrt ihre Hand dem Grafen gab, die dieser einige Minuten in der seinigen behielt.
Lilli stand in ihrem Gemach vor dem hohen Spiegel und besah ihr Gesicht. Aus ihren Augen erglänzte ein eigentümliches Licht und um den volle» Mund war ein sanfter, weicher Zug, den sie früher nie besessen, das ganze Gesicht war wie verklärt. Sie lächelte und drückte die Hand auf die hochklopfende Brust. Da wurde die Thür aufgerissen und herein stürmte Alsenhorn. der sie zornig anfuhr, wie sie es wagen könne, ihn lächerlich zu machen.
„Hast Du vergessen, welch' ein Glück es für Dich blutarmes Ding war, daß ich Dich zu meiner Frau machte? Glaubst Du, ich sähe gutmütig zu, wie Du mit dem Grafen liebelst! ich verbiete Dir Dein Kokettieren, hörst Du, ich dulde es nicht länger mehr."
Erst sah sie ihn erstaunt an; als er den Grafen nannte, wechselte sie die Farbe und wandte sich dem Spiegel zu.
„Ja sieh' nur hinein nach Deiner Larve, auf sie allein kommt es auch nicht an, sie kann mir widerlich werden, ja sie ist schon. Du thust so unschuldig. und bist es nicht. Eine Komödiantin ist an Dir verloren gegangen! Eine Lügnerin bist Du, weiter nichts."
„Schweig," herrschte ihn Lilli an und richtete sich hoch auf, „oder bleibe bei der Wahrheit, wenn Du mit mir sprichst. Welcher Lüge klagst Du mich an? Hast Du mich jemals gefragt, ob ich Dich liebe? Nein, Du thatest es nicht. Dich also belog ich nicht, wohl aber Du mich. Du schworst mir, mich glücklich zu machen, mir alle Wünsche zu erfüllen. Wie hieltest Du Dein Wort? — Glücklich! Als ob man es sein könnte, wenn man jede Minute über Deine Rohheit erröten, wenn man sich fortwährend Deiner Ungezogenheiten schämen muß."
„Was schämen! Du Dich meiner schämen. Weib ! Sag das noch einmal." Mit einem Satz sprang er auf sie zu, riß sie vom Spiegel und während er die Hand zum Schlage erhob, schrie er: „Jetzt sag es noch einmal."
Sie bog sich stolz zurück, ihr Gesicht wurde so kalt, so hart, als wäre es aus Marmor gemeißelt „Versuche es mich zu schlagen," sagte sie ruhig, „wir werden sehen, wer es bereut, der Geschlagene oder die Geschlagene."
Er stieß einen Wutschrei aus und ließ sie los. „Hosfärtiges Weib. das nichts anderes zu bieten hat als seine Jugend."
„Und die allein für Dich Wert hatte."
„Das habe ich teuer genug bezahlt bei Gott! denn Du selbst, Dein innerer Kern ist schal, fade, faul, pfui!" In feinem Zorn hieb er die silbernen Armleuchter,
die auf dem Marmortischchen vor dem Spiegel standen herunter, und ging fluchend, die Thür hinter sich zuschlagend, hinaus.
(Fortsetzung folgt.)
Das Verbrecheralbum hat einen Thüringer Schützen vor empfindlichen Schaden bewahrt. Unser Thüringer hatte vorgestern auf dem Schützenplatz die Bekanntschaft eines jungen Pärchen, „Bruder und Schwester", gemacht, welche sich im Laufe des Gesprächs als Landsleute vorstellten. Der biedere Thüringer freute sich natürlich dieses Zufalls und ging mit seiner neuen Bekanntschaft nach verschiedenen Restaurants und Cafos, woselbst das freundliche Pärchen die Zechen stets bezahlen wollte. Endlich, gegen 3 Uhr nachts, trennte man sich unter allerlei Freundschaftsversicherungen, und während die Geschwister im Dunkel der Nacht verschwanden. nahm sich der Schütze eine Droschke. Wie erschrak er aber, als er bei der beabsichtigten Bezahlung die Entdeckung machte, daß sein Geldbeutel, in welchem er 600 Mark gehabt, verschwunden war. Ein sogleich benachrichtigter Kriminalbeamter fuhr mit dem Bestohlenen nach dem Polizeipräsidium, wo der Schütze seine Landsleute bald in dem ihm vorgelegten Verbrecheralbum wiederfand. Es stellte sich heraus, daß er von einem Hochstaplerpaar gerupft worden war, welches zum Schützenfest nach Berlin gekommen, in der Louisenstraße domizilierte. Bei der am Morgen vorgenommenen Verhaftung der Geschwister wurden die gestohlenen Sachen des Thüringers noch glücklich aufgefunden. Das gefährliche Gaunerpaar wurde sofort verhaftet. (S. M.)
(Reicher Kindersegen.) In einem Berliner Standesamt ließ dieser Tage eine Portiersfrau ihr — sechszehntes Kind anmelden. Unter den Kindern befinden sich nicht weniger als drei Zwillingspaare. Die „glückliche" Mutter ist dabei erst 33 Jahre alt.
(Ein militärischer Schriftsteller.) „Hörst Gefreiter, an wen schreibst denn?" „An die Mei- lüge." „Du kannst an die Meinige auch glei an Briaf schreib'».,, „Was soll i denn schreiben ?" „Na halt Las, was Du der Deinigen schreibst."
(Der aufgesessene Zimmerherr.) „Siehst Du die Tafel an dem Hause? Hier wurde Joseph Lanner geboren, Nun, wenn Du einmal stirbst, wird an dem Hause, wo Du wohnst, auch eine Taiel angebracht werden." — „Glaubst Du? Und was wird darauf zu lesen sein?" — „Hier ist ein Zimmer zu vermieten."
Mutmaßliches Wetter
In Südengland, Nordfrankreich, Belgien und Holland hat ein großes und schweres Gewitter eine Depression gebracht, welche einen Teil des Hochdrucksim Südwesten absorbierte und so auch in Süddeutschland das Barometer zum langsamen Sinken brachte. Diese Depression wird jedoch durch den im Südwesten immer neue Reserven entwickelnden Hochdruck rasch ausgeglichen sein und ein neuer, westlich von Schottland sich entwickelnder Luftwirbel dürfte wieder nach Skandinavien wandern, also das Wetter in Süddeutschland nur wenig beeinflussen. Nach langem Verschollensein kündigt sich auch wieder ein aus dem Innern Rußlands westwärts vordringender Hochdruck an. Bei dieser Sachlage ist für Dienstag und ebenso für Mittwoch im allgemeinen warmes bis heißes Wetter mit zwar abnehmender aber noch nicht ganz aufhörender Gewitterneigung in Aussicht zu nehmen.
(S. C.-B.)
Für die Redaktion verantwortlich: Chrn. Me eh; Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.