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Württemberg.

Stuttgart, 14. Juli. Der Bau der neuen Telephonleitung Stuttgart- Heilbronn wird nunmehr energisch in Angriff genommen, nachdem endlich der hiezu nötige Draht aus Mühlheim a. Rh. eingetroffen ist. Heute haben die Legungs­arbeiten begonnen und werden so rasch gefördert werden, daß die neue Telephon­leitung spätestens in 4 Wochen in Betrieb genommen werden kann. Die Geschäfts­leute in Stuttgart und Heilbronn, welche häufig telephonisch mit einander verkehren, werden diese Nachricht um so freudiger begrüßen, als der seitherige Telephonver­kehr zwischen beiden Städten oft recht schwierig sich gestaltete. An der neuen Telephonleitung von Ulm nach Frie­drichshafen wird gleichfalls tüchtig ge­arbeitet ; 40 Kilometer dieser Leitung sind bereits gelegt. In 14 Tagen dürfte diese Leitung dem Betrieb übergeben werden können. Der Nill'sche Tiergarten verschönert sich von Woche zuWoche, nament­lich gibt sich Herr Nill alle Mühe, die Umgebung des Tiergartens herauszuputzen. Leider ist das Kameel erkrankt und gestern mehrmals zu Boden gefallen. weshalb das Elephantenhaus zeitweilig geschlossen werden mußte. Hoffentlich gelingt es der tierärztlichen Kunst des Herrn Nill jun. den Garten von einem Verluste des Kameels zu bewahren.

Die Versteigerung der Seyffert'schen Altertümersammlung hat einen Ertrag von 60 000 ^ geliefert; das der Stadt Stutt­gart zufallende Vermächtnis dürfte damit aus '/i Million abgerundet werden.

Der V. Verbandstag württemb. Gast­wirte, der vom 15. bis 16. Juli in Eß­lingen zusammengetreten, hatte sein Haupt­quartier im Württemb. Hof, sodann bei Laich zur Post hart am Bahnhof. Die Verhandlungen fanden statt im Kugelschen Festsaalbau. Hier war auch die Aus­stellung von Geräten, die das Wirtsge­werbe betreffen, untergebracht. Die erste Anerkennung, die man derselben zu machen hat, besteht darin, daß sie, für nur zwei Tage berechnet, jeden unnötigen Prunk verschmähten und sich rein auf praktische Zwecke beschränkt hat.

Schramberg, II. Juli. Folgendes Curiosum aus dem diesjährigen Juni- Monat erzählt derSchw. B.": Zu An­fang dieser Woche war ein Schramberger Gutsbesitzer auf der Höhe bei Heiligen­bronn mit Heuen beschäftigt. Auf dem Heimwege kehrte er mit seinen Leuten im Hirsch" in Heiligenbronn ein und fand es in dem Wirtschaftszimmer recht behag­lich. Auf den Ofen zugehend, fragte er: Ich glaube wohl, Ihr habt eingeheizt?" Daraus erhielt er vom Wirt die Antwort: Ich dachte, wenn Ihr mit Euren Leuten vom Heuen kommt, dürfte eine warme Stube angenehm sein."

Nachdem diePulverfa brik Ro t t - weil" mit der Kölnischen Gesellschaft ver­schmolzen ist, wird nun der Sitz des Unter­nehmens, also auch die Generaldirektion, nach Köln verlegt und Rottweil künftig nurZweigniederlassung" sein.

W ei ld e rsta d t, 12. Juli. Die Prämierung ausgezeichneter Zuchtpferde und Fohlen durch die K. Landgestüts­

kommision fand gestern statt. Die Witter­ung war nicht günstig. Der Prämierung wohnte an Se. Exzell, der Herr Staats­minister des Innern v. Schmid und der Herr Ministerialdirektor Präsident von Bätzner. Das Preisgericht bestand aus den Herren Landoberstallmeister v. Hof­acker, Professor Zipperlen und Oekonomie- rat Ruoff. Wie bei den übrigen abgehaltenen Prämierungen wurden auch hier die ge­hegten Erwartungen übertroffen. Es ge­langten 10 Stuten-, 10 Fohlenpreise und 1 Familienpreis zur Verteilung. Die Preise wurden durch Se. Exzellenz den Herrn Staatsminister v. Schmid den Be­sitzern der prämierten Pferde übergeben. Während des Musterungsgeschäfts besuchte Se. Exzellenz der Staatsminister die an­läßlich der Pferdeprämierung veranstalteten Ausstellungen von Simmenthalervieh und gewerblicher Erzeugnisse hies. Einwohner. Ueber beide Ausstellungen äußerte sich Se. Exzellenz sehr befriedigt in äußerst aner­kennender Weise.

O e st e r r e i ch.

Innsbruck, 14. Juli. Ganz Nord- Tirol wurde in der Nacht vom Samstag auf Sonntag von starkem Schneefall heim­gesucht, so daß Innsbruck am Sonntag den Anblick eines prächtigen Winterbildes bot. Später gieng der Schnee in Regen über, wodurch Hochwasser eintrat, das den Verkehr über den Brenner und durch Arl­berg unmöglich machte. Auch aus Gastein und anderen Alpengebieten wird starker Schneefall gemeldet.

Ausland

Nordfjoerdeid, 17. Juli. Der Kaiser ist gestern abend 6 Uhr von einem achtstündigen Ausflug nach dem Brixdal- gletscher in bestem Wohlsein an Bord der Hohenzollern" zurückgekehrt. Das Wetter ist fortdauernd ungünstig ; der Regen fließt in Strömen.

Zur Feier des 14. Juli, des republi­kanischen Nationalfestes, hat in Paris große Truppenparade stattgefunden. Bei schöner Witterung verlief alles programm­mäßig und zu allgemeiner Zufriedenheit. Eine, glücklicherweise nicht sehr ernste Störung brachte nur ein Pistolenschuß, der auf den Präsidenten Carnot abge­feuert wurde, als derselbe auf der Rück­fahrt vom Paradefeld sich dem Elysoe- Palast auf mehrere Minuten genähert. Der Attentäter war wiederum eines jener traurigen Subjekte, die sich für verkannte Genies halten und die allgemeine Aufmerk­samkeit, die ihren Leistungen versagt bleibt, durch einen abgeschmackten Bubenstreich auf sich lenken wollen.

Petersburg. 14. Juli. Die großen Manöver, zu welchen der deutsche Kaiser erwartet wird, werden zwischen Gatschina, Krasznoje Selo, der Küste des finischen Meerbusens und Norwa stattfinden und vom 19. bis 25. August dauern.

London, 16. Juli. DieTimes" stellt ein englisch-portugiesisches und ein englisch-französisches Abkommen über Afrika in Aussicht. Portugal käme dadurch in den unbestrittenen Besitz von 800 000 Quadratmeilen westlich und 250 000 öst­lich. Die Grenze würde im Westen mit der Grenze von Deutsch-Südwest-Afrika

bis zum oberen Zambesi zusammenfallen, östlich erhielte Portugal das nördliche Ufer des Zambesi über Tete hinaus, ferner das Besatzungsrecht von Zumbo, vielleicht das ganze Schirehochland, schließlich freie Hand östlich des Niassa-Sees, wofür England das Durchzugsrecht durch Manica nach Maschonaland am Flusse Pungwe entlang zugestanden würde, um den Weg durch Lobengulas - Land zu vermeiden. Der Zambesi würde eine internationale freie Wasserstraße. Frankreich würde wahr­scheinlich die Gambia-Colonie erhalten mit dem Hinterland bis zur Zentral-Sahara, während Sokoto und Zentral-Sudan an die Niger-Compagny sielen. Damit würde allerdings die endgiltige Verteilung Afrikas unter die europäischen Völker eine voll­endete Thatsache.

Der internationale Friedenskongreß ist am Montag in London im Stadt­hause von Westminster eröffnet worden. Zum Präsidenten wurde der amerikanische Jurist Dudley Field gewählt. Es sind Ver­treter deutscher, amerikanischer, französischer und italienischer Friedensfreunde auf dem Kongreß anwesend.

Missttllen.

Jer SchwanenriLter.

Roman von E. von Martine;.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Erst als der Morgen zu dämmern be­gann, versank ihr unruhiger Geist in tiefen, traumlosen Schlaf. Auch Lilli war, bis die Sonne am Himmel aufstieg, wach ge­blieben, auch in ihrem Kopf wechselten bald trübe, bald angenehme Gedanken ab. Erst der Zorn, als sie Seraphine am See wußte und dann die Aufregung, als er Nachts so allein bei ihr war, er hatte sie so eigentümlich angeschaut, daß ihr Herzblut unter seinem Blick wild pochte so fragend, so forschend wie noch nie das Auge eines Mannes sie angeblickt hatte. Es kam ihr vor, als frage er ihre Seele und dann senkte sich sein Auge plötzlich scheu und erschrocken zu Boden und flog doch im nächsten Moment wieder nach ihr hin.

Nach dem Frühstück, bei dem Sera­phine bleich wie eine weiße Rose, Lilli dagegen wie eine frische rote Blüte, ging jede der beiden Schwestern in ihr Gemach, um das wichtigste des Tages, die Wahl des Kostümes vorzunehmen. Beide hatten gut gewählt und als Kolenberg vor ihnen stand konnte er nicht umhin, den Offizieren der Garnison Recht zu geben, die be­haupteten, in der Villa Alsenhorn wären zwei Schönheiten.

Seraphine kam ihm schmachtend hin­gebend entgegen und reichte ihm mit un­nachahmlicher Grazie beide Hände dar.

Mein Lebensretter! Wie danke ich Ihnen!" und sie sah ihm mit einem ent­zückten Blick ins Auge.

Sprechen Sie doch nicht davon, mein Fräulein, Sie beschämen mich, denn ich hätte nicht so gedankenlos auf dem See umherfahren sollen. Wäre es mir nicht geglückt, Sie unter dem Wasser zu fassen, so hätte ich Ihr Leben auf meinem Gewissen. Aber warum wichen Sie meinem Schiff,