Paris, 12. Juli. Der Zar von Rußland genehmigte die Bestellung von 500 000 Gewehren bei der franz. Waffenfabrik in Saint-Etienne.
Paris, 15. Juli. Als sich der Präsident der Republik, Carnot, gestern auf der Rückfahrt von dem Paradefelde dem Elisöepalaste bereits bis auf wenige Minuten genähert hatte, wurde von einem am Wege stehenden Manne ein Revolverschuß in die Luft abgefeuert. Der Mann wurde sofort verhaftet. Er heißt Jacob und ist Chemiker. Er erklärte im Verhör, er fei der Urheber zahlreicher Erfindungen, mit denen er aber keine Erfolge erzielt; er habe mit dem abgefeuerten Schuß nur die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich lenken wollen. Zugleich lieferte er auch den Beweis thatsächlich, daß sein Revolver nur mit Pulver, nicht mit Kugeln geladen gewesen.
Paris, 12. Juli. Aus Oran war gemeldet worden, daß seit einigen Tagen die Heuschrecken sich der Wüste zuwendeten In Wirklichkeit ist die dortige Lage eine überaus trostlose. Die Heuschrecken treten zur Zeit in größerer Zahl als jemals früher auf und verheeren das ganze Land. Truppen sind erbeten worden, um den Ansiedlern bei der Rettung dessen, was noch von der Getreide- und Weinernte übrig geblieben ist, zu helfen.
London, 13. Juli. Der Streik der Postbeamten ist beendet, dieselben sind offenbar unterlegen, weil sie nicht genügend einig waren. Die entlassenen Postbeamten durchzogen diese Nacht die Hauptstraßen der Stadt, ohne ihre Kollegen aufzureizen, sich ihnen anzuschließen.
Genua, 12. Juli. Depeschen aus Buenos Aires melden den Ausbruch einer Revolution in Argentinien.
Newyork, II. Juli. Chicago hat jetzt nach den gemachten Zählungen eine Bevölkerung von 1 100 000 Seelen, St. Louis 449 114 und Baltimore 433 639.
Mnyi'llkn.
Per Schwanenritter.
Roman von E. von Martine;. (Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.!
Am nächsten Morgen, als er erwachte und an das seltsame Ereignis der vergangenen Nacht dachte, überlegte er, was er nun zu thun habe. Er mußte sich doch nach dem Befinden seiner Geretteten erkundigen. Er mußte sich der jungen Frau gegenüber erklären. Sie ist sehr schön,
— wie eine frische Apfelblüte. Und ihre Augen glühen wie die einer Spanierin
— Man sagt sie sei geistlos, langweilig, mir dünkt sie ein leidenschaftliches Weib zu sein. Er trat ans Fenster. Von dem Häuschen, das er bewohnte konnte er auf die Billa Alsenhorn hinüber sehen, die im sonnenschimmernden Morgenblau aus ihrem dunkelgrünen Garten hervorleuchtete. Wie kam nur das Mädchen mitten in der Nacht allein auf den See, dachte er. Ich sah den Kahn erst, als es schon zu spät war.
— Mir ist ihr Gesicht, wie es zu mir aufblickte, unvergeßlich für das ganze Leben. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn,
als wolle er sich etwas wegwischen. Und wie seltsam die junge Frau mir entgegentrat, als ich ihr die totähnliche Schwester ins Haus brachte, gerade als erwartete sie mich. — Ich wünschte, ich hätte niemals einen Fuß über die Schwelle dieses Hauses gesetzt. Nun es aber doch geschehen, — geschehen ohne meinen Vorsatz, werde ich wohl hinüber müssen, um mich nach der Verunglückten zu erkundigen. Er wurde in seinen Gedanken durch den Diener unterbrochen, der ihm meldete, der Schwan sei nicht in der Hütte, er müsse sich abgerissen haben, denn ein Schiffer habe ihm gesagt, daß er heute früh von Fischern nach Tauber gebracht worden sei.
„Gut," erwiederte Kolenberg, „sage den Leuten, sie sollen mir den Flüchtling wieder bringen und gebe ihnen dasDoppelte, was sie verlangen als Lohn dafür, mir bestelle einen Wagen, rch fahre um zwölf Uhr nach Tauber."
Sechstes Kapitel.
Nachdem sich in der Nacht Kolenberg entfernt, hatte sich Seraphine rasch erholt, sie wies alle Stärkungsmittel und Essenzen, die ihr die Schwester darreichte, zurück, eilte in ihr Gemach und legte sich zu Bett.
„Wirst Du mir endlich Aufklärung über die sonderbare Art Deiner Entfernung und über die noch sonderbarere Weise Deines Wiederkommens geben," fragte Lilli, die ihr gefolgt war.
„Was ist da viel zu erzählen." antwortete Seraphine so ruhig als möglich, ihre innere Aufregung unterdrückend. Die schöne Mondnacht hat es mir angethan, ich stieg in den Kahn und ruderte hinaus — da, da bohrte mich der Schwan in den Grund, — weiter weiß ich nichts, bis ich die Augen aufschlug' und in die seinigen sah."
„Eine schöne Erzählung," höhnte Lilli ebenfalls mit bebender Stimme. „Ich muß Dich bitten, solche Liebhabereien aufzugeben. mein Mann würde diese Nachtfahrten sicher nicht dulden. Ich kenne Dich bei Gott nicht wieder. Bedenke doch was die Leute sage» würden, wenn es bekannt würde. Nur mir hast Du es zu verdanken, daß Niemand geweckt wurde. Ich konnte nicht schlafen."
„Hat es Dir auch der Mond angethan," unterbrach sie lauernd und sarkastisch Seraphine.
Lilli beobachtete sie nicht und fuhr fort: „Ich stand am Fenster und sah — den Schwan auf unser Ufer zukommen. Da ich Dich vorher durch den Garten
schleichen sah, so war ich wohl erschrocken, aber nicht außer außer Fassung, als der Graf an das Ufer stieg und etwas Schweres im Arm trug. Ich huschte über die Treppe, zum Glück ungehört, und öffnete das Thor. Unglückliche, wenn er Dich nun nicht hierher, sondern heimgesahren hätte! — Ja. wenn er es gethan hätte, Du leichtsinniges Geschöpf Du, so wäre Dein guter Name für immer vernichtet."
„Was!" rief Seraphine, „und das wagst Du auszusprechen! Du lügst, denn Du glaubst es selbst nicht, Du fühlst so gut wie ich, daß ein Mann wie Kolenberg nimmer den Ruf eines Mädchens befleckt. Er würde, wenn er durch Umstände gezwungen. nicht anders hätte handeln können, mich dann zu seinem Weibe machen. Doch geh und laß mich ruhen. Der Schrecken ist mir noch in allen Gliedern, ich werde den Todesschauer, den ich beim Stoße des Schiffes empfand, nie vergessen. Und doch, — ach wie gerne würde ich nochmals jenes Entsetzen zurückrufen, könnte ich wieder so in seine Augen schauen."
Lilli schleuderte ihr einen wutflammenden Blick zu und verließ sie. Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, da machte sich Seraphinens Aufregung in einem krampfhaften Weinen Luft. Bild auf Bild durchwogte ihre Seele, Schrecken, Entsetzen und seliges nie empfundenes Entzücken. Todesangst wechselte mit Himmelslust. Sie war von seinen Armen umfaßt worden und wenn sie es auch selbst nicht empfunden, so durchrieselte sie doch jetzt bei dem Gedanken eine köstliche Wonne. „Nun, Schwanenritter. knüpft Dich ein festes Band an mich, das ich immer enger und enger zuziehen will, bis Du ganz mein gehörst."
(Fortsetzung folgt.)
Mutmaßliches Wetter
am Donnerstag den 17. Juli.
Ein Hochdruckgebiet dehnt sich von der Ostschweiz nordöstlich aus bis hinter Moskau, wenn auch mit verhältnismäßig geringer Breite. Aber es gibt einem von Westen her sich ankündigenden neuen Luftwirbel, dessen erste Vorboten bereits den Aermelkanal überschritten und Paris erreicht haben, ersichtlich Terrain ab. Dazu kommt, daß sich in Süddeutschland speziell im Schwarzwald und Allgäu, ebenso in Süowestfrankreich und in Ungarn größere Einsenkungen entwickeln, welche Gewitter bringen. In Folge dessen ist für Donnerstag und ebenso für Freitag gewitteriges, zumehrfachen Niederschlägen geneigtes Wetter bei einiger Abkühlung in Aussicht zu nehmen.
Kalrv. Iruchtpreise am 12. Juki 1890.
Heutiger
Höchster
Wahrer
Niederster
Verkaufs-
Getreide-Gattungen.
Verkauf.
Preis.
Mittel - Preis.
Preis.
Summe.
Ztr.
4
4
4L
Kernen, alter . .
—
—
_
neuer . .
-.
—
-
Roggen, alter . .
—
—
—
—
—
_
—
neuer . .
—
—
—
_
Gerste, neue . . .
—
—
—-
——
_
alte . . .
—
—
—
—
Dinkel, neuer . .
57
7
90
7
68
7
40
437
65
Haber, neuer . .
32
9
80
9
59
9
40
307
—
Summe
89
744
65
Für die Redaktion verantwortlich: Chrn. Meeh; Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.