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Kronik.
Deutschland.
Potsdam, 26. Mai. Als der Kaiser sich mit dem Erbprinzen von Meiningen am Sonntag nachmittag in einem Einspänner von dem neuen Palais nach der Dampserstation begab, scheute das Pferd, dessen Zügel der Kaiser selbst führte, bei einer Straßenkreuzung und als der Wagen gegen einen Prellstein stieß sprang der Kaiser heraus und fiel auf den rechten Arm. Wenige Schritte Weiler schlug der Wagen um, wobei auch der Erbprinz von Meiningen herausfiel. Der Kaiser und der Erbprinz traten darauf in eine nahe gelegene Villa, wohin sich auch die Kaiserin, welche in einem zweiten Wagen mit dem Prinzen gefolgt war, begab, und wartete daselbst die Ankunft eines neuen Wagens ab. Mit diesem setzte das Kaiserpaar und der Erbprinz von Meiningen die Fahrt nach der Dampferstation fort, von wo mit der „Alexandra" eine Spazierfahrt nach der Pfaueninsel unternommen wurde. Der Kaiser hat sich glücklicherweise nur unerheblich beschädigt; er hat nur eine Verstauchun g des rechten Fußes davongetragen, der auf einer 8 bis 9 Zentimeter breiten Fläche blutunterlaufen ist. Anfänglich hat der Kaiser diese Verletzung gar nicht beachtet. Der kaiserliche Leibarzt, Generalarzt Dr. Leuthold hat jetzt indessen strenge Schonung des Fußes angeordnet, und der Kaiser wird demzufolge etwa acht bis vierzehn Tage lang den größten Teil des Tages liegend zubringen müssen. Im übrigen aber ist das körperliche Befinden des Monarchen sehr gut. Er hat im Laufe des heutigen Tages eine Anzahl Vorträge, unter anderem auch die des Reichskanzlers, eutgegengenommen.
Berlin. 26. Mai. Von Dr. A, Baumann, dem Beamten der hiesigen Ostafrikanischen Gesellschaft, sind bemerkenswerte Berichte aus Afrika mit der letzten Post vor einigen Tagen eingctroffen. Er fand in Usambara Urwälder mit großem Reichtum an Kautschuk. Das in 6 Tagemärschen erreichbare Land ist außerdem für Plantagen sehr geeignet und wird von den besten des Kongostaates, welchen Baumann seiner Zeit bereist hat, keineswegs übertroffen.
Danzig, 27. Mai. Gestern nachmittag unternahmen 11 Personen auf der Ostsee in einem Seegelbot die Fahrt nach Heubude; das Boot kenterte und sieben Personen, darunter der Schiffer, ertranken. — Ein ähnliches Unglück ereignete sich auf dem Seddiner See bei Potsdam, wo 4 Personen ertranken.
Das fünfte badische Sängerbundsfest fand über Pfingsten in Karlsruhe statt. Es waren gegen 4000 Sänger erschienen und die Feststadt war irächtig geschmückt. Der erste Festtag war vom schönsten Wetter begünstigt, während am zweiten, als ob der Himmel der An- icht wäre, daß Sänger feucht gehalten werden müssen, dieser seine Schleusen öffnete und zwar besonders weit, als der Festzug sich vormittags ^/rll Uhr in Bewegung setzte und von dem Schloßpark aus vor dem Schlosse vorbeizog, wo dem Großherzog und Erbgroßherzog begeisterte Huldigungen dargebracht wurden. So kam es, daß das Gelingen des Festes, großartig geplant und von der Stadt Karlsruhe auf jede Weise begünstigt, unter dieser Ungunst der Witterung kaum zu leiden hatte, ja es schienen die Stimmen der überaus großen Sängerschaar an Wohllaut und Frische noch gewonnen zu haben. Die beiden Wettgesangkonzerte vom Sonntag nachmittag und Montag vormittag in der großen Festhalle zeigten, welch sorgfältige Pflege in Baden überall dem Männergesange zu teil wird, so daß es ür die Preisrichter wahrlich nicht leicht war, die Entscheidung zu treffen. Mit dem ersten Preise wurden im Kunstgesang der Männergesangverein Pforzheim, der Liederkranz und der Singverein Mannheim, mit dem zweiten die Liedertafel Pforzheim und der Straßburger Männergesangverein ausgezeichnet. Im Volksgesang erhielten u. A. einen ersten Preis die Liederhalle, einen zweiten die Concordia Pforzheim. AnderePforzheimerVereine hatten sich am Wettgesange nicht beteiligt. Von Nachbarvereinen erhielten Preise: Eintracht-Brötzingen, Sängerbund- Neustadt-Brötzingen, Sängerbund- Huchenfeld, Sängerkranz-Wcißen stein. Am Dienstag abend wurde den nach Pforzheim heimkehrenden Sängern ein ehrenvoller Empfang bereitet. Im Wettgesang- Konzert sangen die Pforzheimer Liederhalle „Mein Schätzelein" von Attenhofer; die Pforzheimer Concordia „Fahr wohl du goldne Sonne" von Beethoven; der Pforzheimer Männergejangverein „Die beiden Särge" von Hegar; die Pforzh. Liedertafel „Das Heldengrab" von Liebe; die Eintracht-Brötzingen „Mein Herz thu dich auf" von Seidel; Sängerkranz-Weißenstein „Im Feld des Morgens früh" von Burkhardt; Sängerbund Neustadt-Brötzingeu „Schneeglöckchen" von Maier; Sängerbund-Huchenfeld „Wunsch" von Witt.
Württemberg.
Stuttgart, 27. Mai. Zu dem am nächsten Samstag abend auf der Wilhelm« stattfindenden großen Souper mit dem daran anschließendem Tanz (kein Gartenfest, wie von anderer Seite gemeldet wurde) sind über 300 Einladungen ergangen. Am Mittwoch den 4. Juni nachmittags 2 Uhr findet auf dem König!. Landhaus Rosenstein eine große Paradetafel für Generale und Stabsoffiziere rc. zu ca. 160 Gedecken statt.
(S. C.-B.)
Stuttgart, 26. Mai. Zu dem am Mittwoch beginnenden vierten allgemeinen deutschen Neuphilologentag zu Stuttgart hat der Württ. Verein für neuere
Sprachen, speziell dessen Vorsitzender, Prof. Günther von der hies. Realanstalt, etwas veranstaltet, was trotz Ben Akiba noch nicht dagewesen ist, nämlich eine literarhistorische Ausstellung eines Volksstammes oder wie es der genannte Verein kurz nennt: eine Ausstellung schwäbischer Dichter. Liegt schon an sich etwas Bestechendes in dem Gedanken, einer stattlichen Versammlung von Gelehrten aus allen deutschen Ländern zu zeigen, wie reich gerade der schwäbische Volksstamm seit Urzeiten an Geistesheroen gewesen ist, so wird der Besucher geradezu verblüfft nicht nur von der gewaltigen Reichhaltigkeit (über 1200 verschiedene Ausstellungsnummern von über 100 schwäbischen Dichtern!) und von der Seltenheit vieler Originalsachen (es sind Stücke darunter, bis zu 10 000 Versicherungswert), sondern auch von dem Riesensleiß, und von dem tiefen Verständnis, welche dazu gehörten, das Vorhandensein all' dieser Sachen überhaupt zu ahnen und sie für diese Ausstellung von den jetzigen Besitzern, die solche Schätze ängstlich zu hüten pflegen, zusammen zu betteln. Prof. Günther hat sich um sein Heimatland und um die deutsche Literaturgeschichte wohlverdient gemacht. Betrachten wir nun die (leider bloß bis nächsten Samstag dauernde) Ausstellung in der Aula des Polytechnikums etwas näher! Ein besonderer Schrank hinten im Saale, wo wir beginnen, ist den schwäb. Dialektdichtern gewidmet. Wir finden die Originalmanuskripte und und die ältesten gedruckten Ausgaben von Waizmann, Dreizler, Knapp, Nefflen. Sayler, Wagner u. a. Neben diesen Alte Meistersinger von Ulm (2 Tabulaturen und 1 Liederbuch von Handschrift), ein Programmblatt mit der Handschrift Hartmanns von der Owe (aus der Hohenstaufenzeit!) alte Manuskripte von Steinhöwel u. a. Wahrlich auch das Mittelalter zeigt uns herrliche Dinge von schwäb. Dichtern. Die religiösen Dichter Schwabens sind gleichfalls vereinigt. Unser unvergeßlicher Karl Gerok ist am reichsten vertreten, er selbst im Bilde aus verschiedenen Lebensalterstufen, Schülerarbeiten von ihm im Manuskript, hübsche Zeichnungen von seiner Hand, alle seine Werke, sehr viele Gedichte in Originalmanuskript, worunter auch sein letztes (Gedicht auf den Tod der Kaiserin Augusta), Albert Knapp und Grüneisen sind ebenfalls gut vertreten. Ebensowenig fehlen Glöckler, Ottilie Wildermuth, Schmidlin, Luise Pichler, Krais u. a. Außer den Werken der Genannten erblicken wir auch deren Gestalt in allen Arten der bildenden Kunst (Oelbild, Stahlstich u. s. w.) Es folgt das 18. Iahrhundert mit Martin Miller, dem Epigrammatiker Haug, Hölderlin (mit Bild und Handschriften), Waiblinger (ebenso), Schubart (mit Oelbild und alten Werken, auch Manuskripten), Joh. Christ. Schwab (Vater Gustav Schwabs), Chr. M. Wieland mit verschiedenen Bildern von ihm und seiner Jugendgeliebten Sophie v. Laroche, sowie allen seinen Werken in Prachtausgabe und vielen Originalzeichnungen hiezu speziell zu „Oberon."
Der mittlere Teil des Saales ist Fried r. v. Schiller und den Dichtern aus unserem Schwäb. Herrscherhause