Aus Stadt, Bezirk uttd Umgebung.
* Neusatz, 26. Juni. In der Frühe des heutigen Pfingstmontags zog ein schweres Gewitter über unsere Gegend. Der Blitz schlug in den auf dem Schul- und Rathause sich befindlichen Glockenturm, glücklicherweise ohne zu zünden, jedoch im ganzen Hause bedeutende Spuren seines Zerstörungswerkes hinterlassend. Die Haus- bewohner kamen mit dem Schrecken davon.
Kronik.
Deutschland.
Der Bundesrat beschloß, vom 1. Juli ab eine Zwischenportostufe von 8 ^ für Drucksachen von 50 bis 100 Gramm einschließlich einzuführen.
Der Großherzog vonBadenwird voraussichtlich am 6. Juni die große landwirtschaftliche Ausstellung in Straßburg besuchen. Die Dörfer des Hanausrlandes beabsichtigen, an diesem Tage ihrem Landesherrn eine großartige Kundgebung darzubringen. Es werden über 100 Reiter, alle in der Hanauertracht, in langem Zuge mit Musikkorps in Straßburg erscheinen. Daß dann an dem Tage aus dem Hanauerlande eine Art Völkerwanderung nach Straßburg erfolgen wird, ist vorauszusehen.
Die teilweise unter Reichshilfe erbauten neuen badischen Eisenbahnlinien Leopoldshöhe - Lörrach, Schopfheim - Gückingen und Weizen-Jmmendingen, die überwiegend von strategischer Bedeutung sind, wurden am Dienstag dem Verkehr übergeben.
Für die Truppen des 1. und 2. bayerischen Armeekorps, des württembergischen und des badischen Korps, sowie deren Kriegsmaterial und Reserveformationen sind nunmehr die erforderlichen Bahnlinien nach der deutschen Westgrenze geschaffen, welche deren Transport dorthin gegebenen Falls leicht und rasch vermitteln.
Württemberg.
Stuttgart, 26. Mai. DerPfingst- verkehr auf dem hiesigen Bahnhof war geradezu ungeheuer. Schon am Samstag wurden hier ca. 24 000 -4L für Personenbillette vereinnahmt, am Sonntag dagegen ca. 31 000 okL Während die Samstagseinnahme diejenige des Pfingstvorabends 1889 nicht erheblich überstieg, betrug die Mehreinnahme vom Pfingstsonntag gegenüber dem Vorjahre ca. 5000 Dagegen wurden auch am Pfingstsonntag ungleich mehr Billete, diese also auf durchschnittlich kürzere Touren verkauft als im Vorjahr, während am Pfingstsonntag sowohl die Anzahl der beförderten Personen, als die durchschnittliche Entfernung des Reiseziels erheblich gewachsen ist. Im ganzen Lande sind — aus den hier angekommenen, stets überfüllten Zügen zu schließen — die Verhältnisse ähnlich gestiegen. Die weitaus größte Mehrzahl der Pfingstausflügler gehört den mittleren und unteren Volksschichten an. Diese Zahlen stimmen mit der Behauptung von dem Zurückgang der Lebenshaltung des Volkes nicht überein, sie beweisen das Gegenteil! ^S. C.-B.)
DieAdresse, welche die Festversammlung in der Liederhalle am Geburtstag des Fürsten Bismarck angenommen hatte, ist jetzt kalligraphisch vollendet und pracht
voll gebunden. Die Schrift ist in Rot und Schwarz ausgeführt, die Decke in getriebenem Leder zeigt die deutsche Eiche mit dem daran angehängten Reichswappen, darunter ein flatterndes Band mit dem Wahlspruch: „Viridu8 uuitis" und am Fuß die Wappen des Bismarck'schen Hauses und der Stadt Stuttgart. Ein Fries um- giebt das Mittelbild, der die Worte enthält: „Dem Gründer und Hort deutscher Einheit dankbare Bürger Stuttgarts."
Ulm, 25. Mai. Gestern nachmittag ereignete sich in der Militärschwimmschule in der Friedrichsau ein schweres Unglück. Lieutenant v. Beßerer II. machte beim Baden einen Kopfsprung in die Donau, die gegenwärtig einen ziemlich niederen Wasserstand hat. Er stieß mit dem Kopf auf einen spitzen Stein; sofort kam Blut an die Oberfläche des Wassers, und man konnte den bewußtlos forttreibenden Körper noch rechtzeitig auffangen. Der am Kopfe schwer Verletzte wurde in's Lazareth gebracht. Das Bewußtsein ist inzwischen zurückgekehrt, aber die untere Hälfte des Körpers ist völlig gelähmt. Es scheint auch eine Rückenmarkbeschädigung stattgefunden zu haben, und die Hoffnung, das Leben des allgemein beliebten Offiziers zu retten, ist gering.
(Telegr-Ag. Südd. Corr.-Bur.)
Aus Ulm, 26. Mai wird uns telephoniert : Am heutigen Pfingstmontag vormittag entlud sich hier ein Gewitter von außerordentlicher Heftigkeit. Der Blitz schlug zuerst in dem benachbarten Söflingen in ein Bauernhaus, fuhr in den Stall und tötete 4 Kühe. Dann zog das Gewitter über die Stadt her, wobei der Blitz unter furchtbarem Donnerkrachen 5 bis 6 mal einschlug, eine Magd wurde vom Strahl betäubt, eine Schildwache beim Militärlaboratorium gelähmt. Im Weiterziehen des Gewitters ereignete sich dann bei dem städtischen Hofgut Oerlingen neben der Stuttgarter Bahnlinie der schreckliche Fall, daß der 26jähr. Sohn des Gutpächters (Oekonomierat Bräuninger), der eben mit Arbeitern zum Futterholen auf das Feld ging, vom Blitze erschlagen wurde.
(T.-Ag.d.S.-C.-B.Stuttg.)
Geradstetten, 23. Mai. Durch die herrliche Witterung der letzten Tage sind die Kirschen so rasch ihrer Reife ent- gegengegaugen, daß Anfangs nächster Woche mit dem Versandt begonnen wird. Der Stand ist seit vielen Jahren kein so günstiger gewesen wie dieses Jahr; es giebt sehr viele Kirschen, auch Birnen und Aepfel, und die Weinberge stehen wunderschön. Möge der Himmel gnädig sein, daß die Weingärtner auch einmal wieder voll für ihre Mühe belohnt werden!
Calw. Am Mittwoch hatte unsere Stadt die Ehre eiues Besuches von Herrn v. Gau pp, Direktor der Königl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel. Mit großem Interesse und außerordentlicher Sachkenntnis übersah Herr Direktor v. Gau pp alle Einrichtungen der auf der Höhe der Zeit stehenden Etablissements und nahm die Wünsche und Ansichten der H.H. Fabrikanten entgegen. Nach dem im Gasthof zum Waldhorn eingenommenen Mittagessen galt der erste Besuch unserer erst seit kurzer Zeit eröffnten „Ausstellung ganzer Zim
mereinrichtungen von Mitgliedern des Gewerbevereins". Ueber dieses ebenso zeitgemäße, wie praktische Unternehmen zeigte sich H. v. G. sehr erfreut, er halte dies für das beste Mittel den einschlägigen Gewerben aufzuhelfen und als weitere Anerkennung bezeichnte derselbe die verschiedenen Zimmereinrichtungen als stielgerecht und wohl gelungen und bezüglich der Preise und der Qualität als konkurrenzfähig. Den Ausstellern sei zu empfehlen, nicht zu erlahmen, wenn der Erfolg anfänglich klein sein werde, sondern der Sache Zeit zu lassen zu weiterer Entwicklung von innen nach außen — sie werde dann sicher gelingen. An die Besichtigung der Ausstellung schloß sich ein Besuch der Nudelfabrik des Herrn LudmannundHöfliger, dann unserer prächtigen, protestantischen Kirche, des Georgenäums und der Handelsschule. Von hier aus wurde noch die Kratzenfabrik von H. F. Baumann und die Spinnerei von I. F. Stälin u. Söhne besucht, der Rest des Tages bis zum Abgang des Zuges im Gasthof zum Waldhorn in geselliger Unterhaltung verbracht. Nachdem Herr Handelskammer-Vorstand Wagner dem hochverehrten Gast in kurzer Ansprache den herzlichsten Dank für den freundlichen Besuch ausgesprochen hatte, versicherte Herr Direktor von Gaupp, daß er von der Industrie und dem Gewerbe der guten alten Schwarzwaldstadt Calw den besten Eindruck mitnehme und er wünsche und hoffe mit derselben immer Fühlung zu behalten, indem er die anwesenden Herren wiederholt dringend bat, bei ihren Besuchen der Residenz auch bei ihm vorzusprechen und ihm ihre Wünsche und Vorträge vorzubringen. (C. Wochenbl.)
Ueber den Stand derJndustie unddesArbeitsmarktesinWürt- temberg. Der württembergische Fabrikinspektor schreibt über das Jahr 1890: „Die große Mehrzahl der Fabriken des Königreichs war im Betriebsjahre voll beschäftigt. Die Geschäftslage war anscheinend im allgemeinen eine sehr günstige und die Arbeitskräfte sehr gesucht, obgleich da und dort über allgemeine Ueberpro- duktion geklagt wird. Dies wird auch bewiesen durch die rege Bauthätigkeit an den meisten Orten, wo die Industrie vertreten ist, sowie durch die Errichtung zahlreicher neuer, großer Fabrikanlagen. Die nächste Folge dieser Erscheinung ist die übermäßige Inanspruchnahme aller derjenigen Großbetriebe, welche Baumaterialien liefern; eine Reihe von Sägewerken des Schwarzwaldes hat ihre verfügbaren Wasserwerke durch Dampfmaschinen ergänzt. Es sind mehrere große Maschinenziegeleien in der Nähe von Bahnlinien errichtet worden. Die seither schon bedeutende Zementfabrikation ist um zwei großartige neue Anlagen vermehrt worden, die eine an der oberen Donau, die andere den Wasserlauf des Neckars mit 1700 Pferdekräften benutzend. Ein Etablissement für Herstellung künstlicher Schleifsteine hat einen großen Ringofen mit Gasfeuerung erstellt. Die Maschinenbauanstalten sind mit Aufträgen überhäuft. Die Kunstgießerei in Bronze hat in verschiedenen Orten große Fortschritte gemacht. Die Industrie der Musik- Instrumente erfreut sich eines lebhaften Absatzes nach dem Auslande; Orgelbauer