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und der Telegraph wurden beschädigt, sodaß der Verkehr von hier au« längere Zeit unterbrochen war. Wertsachen im Betrag von gegen 2000 ^ sollen vernichtet worden sein. Die Entstehung deS Brandes ist noch nicht aufgeklärt.
Ulm, 19. Nov. Ueber den Unfall beim Umbau des Rathauses berichtet die »Ulm. Ztg.*: Als am Samttag abend gegen 5 Uhr bereit- ein Teil der Arbeiter sich von der Baustelle entfernt hatte, stürzte mit furchtbarem Krachen eine neue, vor etwa einem Vierteljahr erbaute, 60 em starke, 3 Stock hohe und ca. 8 Meter lange Mauer in sich zusammen. Ein Arbeiter trug Verletzungen am Kopfe und einen Bruch des AchselstegS davon, ein zweiter, der oben auf der Mauer stand und rechtzeitig bemerkte, daß diese zu «eichen begann, konnte sich durch einen Seitensprung in Sicherheit bringen, ein dritter wurde unter den Trümmern begraben, seine Leiche konnte erst nach mehrstündige« Arbeit hervorgezogen werden. Er heißt Donner und ist nach Kicklingen, Bez -Amt Dillingen im tayer. Regierungsbezirk Schwaben zufiä dig, Witwer und, wie eS heißt, kinderlos.
Friedrichshafen, 19. Nov. Das Zep- pelinsche Luftschiff. All« Angestellten der Gesellschaft für Luftschiffahrt bis auf drei Arbeiter, welche zur Bewachung der Zeppelinschen Ballonhülle, die nun ganz ans Ufer geschleppt und dort festgelegt wurde, zur Stelle bleiben, w rden bis zum Frühjahr entlassen werden. Bis dohin sollen über den Ballon die weiteren Verfügungen getroffen sein.
St. Ludwig, 14 Nov. Auf rätselhafte und bis jetzt noch unaufgeklärte Weise ist in der SamStag Nacht der sehr beliebte und tüchtige Eisenbahn-Assistent Wagner von der Eilgut- Expedition der Elsässer Bahn aus Basel verschwunden. Derselbe, ein schon älterer verheirateter Beamter und Familienvater, hat am SamStag nachts bald nach 12 Uhr nach beendetem Dienst nach Abschluß seiner Bücher und seiner Kaff-, welch' letztere auf den Pfennig stimmt, das Bureau verlassen, um sich nach Hause zu den Seinen in der Gundvldinger- straße zu begeben. Dort ist er aber nicht eingetroffen, und alles Suchen und Nachforschen nach seinem Verbleib ist bis jetzt ohne Erfolg geblieben, sodaß ein Verbrechen oder ein Unfall vermutet werden muß. Die Angst und die Sorge der Frau und Kinder um den Gatten, Vater und Ernährer lassen sich wohl begreifen.
Berlin, 19. Nov. (Deutscher Reichstag.) Bei der Beratung der sozialdemokratischen Jnterpellation wegen der 12,000 Mark-Affaire, erklärt sich der Reichskanzler bereit die Interpellation am nächsten Donnerstag zu beantworten. Der Gegenstand wird von der heutigen Tagesordnung abgesetzt. Es folgt die Beratung des NachtragS- Etat für die China-Expedition. Reichskanzler Graf Bülow führt aus, er hege schon lange den Wunsch über di« chinesische Angelegenheit sprechen zu können; er sei durchdrungen von der Notwendigkeit, daß
zwischen de» verbündeten Regierungen und diesem Haus« und zwischen den verbündeten Regierungen und dem deutschen Volke die Fühlung nicht verloren gehe und erkennt das Recht d«S Landes- und deS Reichstages an, zu wissen, wohin die Fahrt gehe. Die Ziele der deutschen Politik in China habe er s. Zt. in dem bekannten Cirkulare an die Gesandten dargelegt. An diesem Ziele werde die Regierung festhalten. Der Reichskanzler widmet alsdann dem ermordeten Frhrn. von Kettele« einige Worte ehrender Anerkennung und weist den Vorwurf zurück, daß Deutschland mit seiner Pachtung von Kiau-Tschau hauptsächlich Schuld sei an den Vorkommnissen in China. Wir führen besonders kein« Eroberungspolitik, wünschen aber eine rasch« und schnelle Beilegung der Unruhen und eine Sühne für die Unthatrn und eine Sicherstellung der Zukunft. Deutschland hat kein Interesse an der Aufteilung Chinas. Unser Interesse ist, daß China sich j-tzt in die Neuordnung der Dinge einlebt, und wir erwarten, j-tzt unsere Beziehungen mit China auSzubauen und zu festigen, daß es zahlungsfähig bleibe, im übrigen aber seine Verwaltung selbst behalte. In dem deutsch-englischen Abkommen haben wir unsere Grundsätze bethätigt und und mit diesem Grundsatz haben sich auch die anderen Staaten einverstanden erklärt. Redner bespricht darauf die Frage der Verfaffungsmäßigkeit und sagt, ihm dem Reichskanzler liege nichts ferner, als die verfassungsmäßigen Rechte des Reichstages anzutasten, wonach dessen Zustimmung für alle Maßnahmen de- Reiche» einzuholen seien. Er erkläre sich bereit, an das hohe Haus daS Ersuchen zu richten, der Regierung durch die nachträgliche Genehmigung, Indemnität zu erteilen. Sollte der Reichstag Wert darauf legen, daß die Vorlage das Wort Indemnität enthalte, so werde er der Reichskanzler das Seinige thun, darüber einer Verständigung zwischen Reichstag und Bundesrat herbeizuführen. Während seiner ganzen Amtsdauer werde er an dieser Auffassung von den Rechten des Reichstages festhalten. Er bittet zum Schluß die Mittel zu gewähren, um die chinesischen Händel besonnen aber auch mit Kraft auSzu- tragen. Abg. Lieber (Centrum) freut sich über die Erklärung des Reichskanzlers betreffend das Abkommen mit England und betont, daß das Centrum die Notwendigkeit zu den getroffenen Maaßnahmen in China anerkenne. Abg. Bebel (Soz) bezeichnet es als eine dem Reichstag von den verbündeten Regierungen angethane Schmach, daß er nicht vorher befragt worden sei. (Präsident Graf Ballcstrem ruft den Redner wegen dieser Worte zur Ordnung.) Redner erwähnt in seinen weiteren Ausführungen daß die Hauptschuld an den Wirren in China die Europäer selber treffe, namentlich auch die Missionare. Die Sendung von Schutztruppen nach Peking ohne Genehmigung der chinesischen Regierung sei ein Völkerrechtsbruch gewesen. (Lärm rechts.) In China handle es sich um nichts anderes als um einen Eroberungskrieg. Wenn dieser so geführt werde, wie z. B.: Gebt keinen Pardon! Gefangene werden
nicht gemacht! Führt de» Kampf so, daß es in tausend Jahren kein Chinese wagt, «inen Deutschen scheel anzusehen! dann werde erst recht der Haß gegen die Deutschen in China geschürt und man werde bis in unabsehbare Zeit aus dem Kriege mit China n-cht herauSkommen. Die Erfolge der Bülow'schen Politik find: steigender Haß gegen Deutschland und Sinken unseres Handels. Eine solche Politik können wir nicht billigen, wir verweigern derselben die Mittel. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Nachdem sich der KrirgSminister von Goßler gegen die Ausführungen des Vorredners gewendet, wird di« Weiterberatung auf morgen 1 Uhr vertagt.
Berlin, 20. Nov. Die Beratung des Nach- tragS-EtatS für di« China-Expedition wird fortgesetzt. Abg. Bassermann (ntl.) wendet sich gegen die gestrigen Ausführungen des Abg. Bebel und gegen die Ausführungen über die Erwerbung von Kiau Tfchou. In China sei die deutsche Nationalehre engagirt seit der Ermordung deS Gesandten von Kettcler und habe Deutschland sein« national« Pflicht voll zu erfüllen. Die Entsendung von Truppen sei deshalb zu billigen. Bezüglich der Jnscenirung der Sache müsse er sich der Kritik des Abgeordneten Lieber anschließm; denn es seien hierbei Ding« vorgekommen, die einen theatralischen Anstrich hatten und dem deutschen Wesen nicht entsprechen. Dahin gehörten auch die vielen Reden. Hinsichtlich der vorgekommenen Plünderungen sei festgestellt, daß die deutschen Truppen tabei nicht beteiligt gewesen seien. Das gestern vorgelragene Programm deS Reichskanzlers billigten seine Freunde, ebenso das Zusammengehen mit den andern Mächten und speziell daS Abkommen mit England. Redner kritisiert in seinen weiteren Ausführungen abfällig, daß sich Deutschland mit der 80 Millionen-Anleihe an Amerika gewandt und betont, daß die Nichteinberufung deS Reichstages im Sommer ein« offenbare Verfl fsungSverletzung gewesen ist. Der Standpunkt der Nationalliberalem sei, Wahrung deutscher Ehr« und deutscher Rechte, Förderung deutscher Interessen, aber auch Achtung deS Rechts der deutschen Volksvertretung. Abg. v. Levetzow (kons.) erklärt ebenfalls dckS Vorgehen Deutschlands in China für geboten und freut sich über vaS Fortbestehen der deutschen guvn Beziehungen zu Rußland. Abg. Richter (freis. Volksp.) erklärt, seine Partei sei der Meinung, daß unmit..lbar nach der Ermordung deS deutschen Gesandten eine militärische Machtentfaltung nötig gewesen sei. Die Uebernahme der Oberbefehle durch den Grafen Walderfte sei ein schwerer politischer Fehler Deutschlands gewesen. Redner glossiert die Waldersse'schen Ovationen als theatralische Aufführungen eisten Ranges und stellt dies in Gegensatz zu Mollke, er geht weiter, eingehend auf die kaiserlichen Reden, und sagt, es sei dringend geboten dieselben in die Debatten hineinzuziehen, indem der Kaiser doch Stimmung zu machen such« für das, waS er wünsche; die Volksvertretung könne unmöglich stillschweigend darüber hinweggehen. Was das Wort anlange Pardon wird nicht gegeben, so frage er den Kriegsminister,
Verbindung zu setzen? Die Tante DamariS machte mir auch Sorge. Sie war sicherlich auf die Seite ihres Bruders getreten, und diese australische alte Jungfer war nun di« dritte im Bunde, die meinem Liebling daS Leben sauer macht«. Di« meist« Furcht aber hatte ich vor Mr. Hawke selbst. Er braucht« eigentlich nur mit seiner Tochter mS Ausland zu gehen, und dort so lange umherzureisen, bis er denkm konnte, er habe sie meinen Nachforschungen gänzlich entzogen und uns wirksam getrennt. Dies war die Angst, die mich j-tzt beständig verfolgte.
Endlich, eine- TagrS, während ich mit meinen Verwandten bei Tische saß, erhielt Sophie einen Brief von Florence. Sie durchflog ihn, und in angstvoller Spannung beobachtete ich ihr Gesicht.
»Na, da schieß doch los I* unterbrach der Onkel daS allgemeine Schweigen. »WaS schreibt sie denn? Schickt sie mir rin Küßchen?*
»Denkt euch, sie reist nach Schottland l*
»Was!* schrie ich auf, ließ Messer und Gabel fallen, und sank in meinen Stuhl zurück.
»Amalie, gieb deinem Vetter schnell «in Glas Brandy, er stirbt uns sonst unter der Hand wie 'ne Flieg«,* vermochte der Onkel selbst in diesem erschütternden Augenblick zu spotten.
»Gott im Himmel, nach Schottland!* stöhnte ich.
»Hab dich nicht so, Junge!* schnautzt« mich der Orckel an. »Sophie, liehe» Brief vor, Geheimnisse werden wohl nicht drin stehen.*
Sie la»:
»Liebste Sophie!
Ich bi» sehr betrübt, daß «S mir in letzter Zeit unmöglich war. Euch zu sehen. Ohne Zweifel wirst Du «fahren haben, daß ich infolge ein« stark«
Erkältung das Zimmer hüten mußte. Der Doktor befürchtete, cS könnte rin« Lungenentzündung werden. Jetzt bin ich aber wieder ganz gesund. Inzwischen ist Tante DamariS gekommen, und hat mich unter ihre Fittiche genommen. Papa ist sehr glücklich, sie hier zu haben. Ihr Besuch wird wohl sechs Wochen dauern. Sie hat di« lange Reise nur gemacht, um uns einmal wieder zu sehen, und einer ihr verordneten Luftwechsels wegen. Ich schreibe hauptsächlich, um Dir mitzuteilen, daß Papa mit uns allen morgen nach Schottland reist. Wie lange wir dort bleiben, weiß ich nicht, ebensowenig kann ich Dir unser eigentliche« Reiseziel bezeichnen, da alles erst bestimmt werden soll, wenn wir in Edinburg angelangt sind. Wenigstens wirst Du ab« ungefähr wissen, wo ich bin. Papa sagt, die Reise würde nur meiner Gesundheit wegen unternommen, ich fühle mich ab« gar nicht mehr krank, und hätte durchaus keinen Luftwechsel nötig. Es macht mich sehr traurig, daß ich Clifton verlassen muß, wmn auch nur auf kurze Zeit. Wenn ich es möglich machen kann, Dir von Schottland aus zu schreiben, will ich eS bald thun. Inzwischen sei innig von mir gegrüßt und empfiehl mich herzlich all den Deinen.
Dein« Dich liebend«
Florence.
Nachschrift. Vergiß auch nicht, Deinen Vetter Jack zu grüßen. Er ist wohl noch in Bristol? Ob «, auch jetzt noch dort bleiben wird?*
»Da« ist alle-,* endete Sophie, steckte de» Brief wieder in da- Couvert und reicht« ihn alsdann mir.
Ich war fassungslos niedergedrückt. »Habe ich e- nicht gesagt, Sophie,* sprach ich fast tonlos, »daß Florence von hi« fortgebracht wrrden würde? — Und da- ist nur d« erste Schritt.*
»Wozu?* fragt« d« Onkel.
»Nun, zu rin« langen Resse nach dem Kontinent, auf der sie von ihr« Lieb« zu mir geheilt wrrden soll.*
(Fortsetzung folgt.)