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Ufingstmahrmng.

Wie die Maiensonne freundlich Lächelt über Thal und Höh'n,

Und darunter blüht der Flieder,

Schallen lausend Freudenlieder Ach, wie ist der Mai so schön!

Ob der Herrlichkeit des Maien Jedes Herz sich freuen muß,

Auch das trübste Herz wemt nimmer, Pfingsten kam, voll Glanz und Schimmer, Bringt uns allen seinen Gruß.

Denn aus Bögleins zarten Liedern,

Aus der Blüten süßem Duft,

Aus den milden Maienlüften,

Aus den blum'besäten Tristen Eine ernste Stimme ruft:

Erdcnkind, o, laß' dein Jagen,'

Laß' dein Ringen nach dem Glück,

Denn der alle Pracht der Erde Mit dem Wörtlein schuf:Es werde!"

Hält in Händen dein Geschick.

Der den Vöglein ihre Lieder,

Und dem Lenz die Rosen gab,

Der sich heut' auf allen Wegen Mächtig zeigt in seinem Segen,

Lenkt auch deinen Wanderstab.

Könntest du doch recht verstehen,

Was der Pfingstgeist zu dir spricht!

Predigt dir nicht jede Blüte

Von des Schöpfers Macht und Güte?

Glaube fest und wanke nicht!

Also spricht der Geist, der wahre,

Der am Pfingstfest nieder stieg,

Lausche Herz doch seinen Worten,

Sieh' er predigt aller Orten

Treuer Glauben Ew'ger Sieg! (Luge»Lg°.)

Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

X Calmbach. Vergangenen Mitt­woch den 21. Mai fand hier eine Lehrer- Konferenz des Herrenalber Sprengels statt. Dabei hielt Herr Oberamtswund­arzt Dr. Süßkind einen mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag über einige Punkte der Schulgesundheitslehre, wie z. B. über Keuchhusten, Dyphlheritis und Tuberkulose, in welchem er, gestützt auf die Vorträge des in dieser Frage bahnbrechenden Herrn Medizinalrats Dr. Rembold, die großen Ansteckungsgefahren, denen namentlich Schule und Lehrer aus­gesetzt sind, aufs genaueste schilderte. Namentlich war es die Tuberkulose, diese schreckliche Ansteckungskrankheit, der täglich tausende von Menschen zum Opfer fallen, welche nach ihrem Wesen, ihrer Verbreitung und ihrer Bekämpfung in eingehender Weise besprochen wurde. Die Pflicht der Schule zur Mithilfe einer ernstlichen Be­kämpfung dieser schrecklichen Krankheit wurde allgemein anerkannt, aber über die verschiedenen Vorbeugnngsmaßrcgeln und Mittel dagegen, namentlich über die Ein­führung und Aufstellung der empfohlenen Spucknäpfe waren die Ansichten verschieden; doch wurde beschlossen, mit dem letzteren einen Anfang und eine Probe zu machen, um den Vorgesetzten Behörden über die dabei gemachten Erfahrungen zur Ent­scheidung der schwebenden Frage praktische Vorschläge machen zu können.

Kronik.

Deutschland.

Wochenschau.

Arbeiterwohl! Arbeitszeit! Ar­beitslohn! Arbeiterhausstand! Ar­beiterfamilie ! Arbeiterruhe und -Pflege!

Arbeitersparkassen, Pensionen und Unter­stützungsfonds! Arbeiterschutz und so weiter, das giebt eine neue, von Tag zu Tag sich erweiternde Arbeiterwissenschaft, undSe. Majestät der Arbeiter" ist, wie ein englischer Volkswirt treffend sagte, der Mann des Tages. Die Arbeit ist das Evangelium der neuen Aera, die Arbeiter­frage ist das internationale Schlagwort, und den Arbeiterinteressen muß alles andere weichen. Der Arbeiterschutz füllt zur Zeit die Thätigkeit des deutschen Reichstages vollständig aus, und wie einst der dritte Stand vor 100 Jahren, ist der vierte, der Arbeiterstand, heute eingerückt in die Reihe der Hilflosen und Unterdrückten, denen alle Nächstenliebe und alle Sympatien zu­fliegen. Monarchien, Aristokratien, Geld­mächte, die Kirche, alle einflußreichen Be­hörden des Reiches, der Staaten, der Provinzen und Gemeinden, die Korpo­rationen, die Presse und die Wissenschaft sind von der Arbeiterfrage und vom Arbeiterhilfssieber erfaßt, und schier ist es kein Wunder, daß allen Parteien der Arbeiterzeitgeist zu Kopfe steigt, und ein Arbeitergeist über allen Geistern, nicht nur über den Gewässern schwebt. Das alte Weisheitswort:idle «zuick niml8" steigt mahnend empornur nicht zu viel des Guten!" und es scheint die Zeit zu nahen, in welcher bei aller Ar- beitersreundlichkeit doch darauf aufmerksam zu machen notwendig ist. daß Viktor Hugos1,68 xuuvro mi86rabi68", die Auen und Elenden, wie man den berühmten Romantitel verdeutscht hat und nun gar erstdie Aermsten und Elendesten" durchaus nicht die Arbeiter sind, wenn sie ausreichende und gut bezahlte Arbeit haben, sondern daß und dazu wäre Pfingsten 1890 recht zeitgemäß die Christen- und Menschenliebe bei der Arbeiterbegeisterung durchaus nicht befrie­digt und selbstgefällig Halt zu machen braucht.

Die Leiden des Arbeiterstandes wollen wir durchaus nicht verkennen, noch weniger wird man den Arbeitern ihr Recht auf menschenwürdiges Dasein. auf Hilfe und Unterstützung im Unglück, in Not und Gefahr, Krankheit, Unfall, in Invalidität und in des Alters Sorgen mißgönnen, aber abwärts der Arbeiter fangen ja eigent­lich erst die Hilfsbedürftigsten an, die körperlich schwachen Arbeitslosen und Arbeitsunfähigen, die geistig Schwachen und mit Gebrechen behafteten, die, wie die verhärtete Frömmelei und scheinheiliger Hochmut in inhumanem Sprachgebrauch einst zu sagen pflegte:die von Gott Gezeichneten!" Dort ist eigentliche wahre Hilfsbedürftigkeit, wahre Verlassenheit, und das Reich dieser Elendesten und Aermsten ist leider sehr groß; zu ihnen gehören die Krüppel und die durch geistige Schwäche, wie durch körperliche Schäden und Gebrechen herabgekommenen, die arbeitslosen entlassenen Verbrecher und Bestraften, die Vagabunden und Vaganten, die Prostituierten, die der Not und dem Elend anheimfallen, und eine unerbittliche Statistik lehrt, daß auch dort die Staats­hilfe noch keinesweg ausreichend ist.

Pfingsten ist da, das liebliche Fest! Ein herrlicher Frühling wird abgelöst vom erwachten Frühsommer, und wiederum

prangt die Natur im schönsten Feiertags- gewande. Die Glocken läuten das alte Erinnerungsfest an die Ausgießung des heiligen Geistes ein, die Gedenkfeier an die Stiftung der christlichen Kirche. Der heilige Pfingstgeist senkt sich herab in einer Zeit neuer sozialen Offenbarung; sie bringt uns das neue Evangelium von der Arbeit. Nun, so möge sie auch neue Kraft er­wecken zu neuer Nächstenliebe, zu neuem Mitleid und zu neuer Hilfe für die wirk­lich Hilfsbedürftigen, die mühselig und beladen sind, für Alle wirklich Armen und Elenden, für die Arbeiter nicht allein, sondern auch für die Arbeitslosen und Notleidenden. Gott hat Deutschland 1890 mit elementarem Unheil verschont und die Herzen für den Arbeiterstand erweckt, vielleicht ermöglicht, die aufblühende In­dustrie und der wiederkehrende Wohlstand, eine gute Ernte und Aufschwung der besseren Zeit dieopore pie", die frommen Werke, die soziale Hilfe für das Elend im weitesten Maße zu fördern.

Im deutschen Reichstage ist die Arbeiterschutz-Debatte hoffentlich nicht ohne praktisches Ergebnis geblieben. Die Interessen der Arbeiter und der Ar­beitgeber sind entwickelt worden, ohne daß ein wildes Aufeinanderplatzen der Geister zu roher Schärfe oder besonderer Bitter­keit geführt hätte. Minister und Bundes­ratsbevollmächtigter Freiherr von Berlepsch verstand es, in sachlicher, ruhiger Weise den Standpunkt der arbeiterfreundlichen Regierung zu wahren und die Aufgaben des Staates lichtvoll zu entwickeln. Der Geist des Entgegenkommens milderte die sozialen Gegensätze, und selbst der Stand­punkt der Gewerkvereine, den Dr. Max Hirsch vertrat, erregte nicht, wie sonst schon früher, den Arbeiterkönig von Stumm oder die sozialdemokratischen Gegner. Man ist allgemein sachlicher und damit ruhiger geworden und hegt die besten Hoffnungen für das Fortschreiten zum sozialen Frieden. Dadurch festigen sich auch die Erwartungen, daß man auf dem Gebiete der Militär- und Ministerfragen, in Bezug auf die Ansprüche des Etats, und über die kolonialen Vorlagen zur Einigung mit der Regierung ge­langen werde. Damit würden sich die Hoffnungen der Thronrede er­füllen und Deutschland fortschreiten auf der Bahn zum inneren Frieden.

Berlin, 23. Mai. In der Militär- Kommission des Reichstags am 21. Mai gab der Kriegsminister v. Verdy inter­essante Aufschlüsse über die Grundzüge für die weitere Entwicklung der Heeresmacht, an der darüber folgenden Diskussion be­teiligten sich die Abg. Bennigsen, Richter, Windthorst, Stolberg, Rickert. Hierauf hielt General!. Vogel v. Falkenstein einen instruktiven Bortrag über die Militär­dienstzeit. Abg. Rickert den Antrag ein, Z 1 so zu fassen: Die Friedenspräsenz wird jährlich durch den Reichsetat fest­gestellt, sie beträgt für 1. Oktober 1890 bis 31. März 1891 .... Mann (Ziffer vor­läufig offen gelassen).

Berlin, 23. Mai. Die heutige Parade ist glänzend verlaufen. Nach dem Adretten der Fronten nahm der Kaiser den zweimaligen Vorbeimarsch der Garnison