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meilenweit furchtbare Verwüstungen angerichtet. Dreißig Menschen sind ertrunken. Außerdem legte eine große Feuersbrunst den größten Teil der Stadt Tomsk in Asche.
London, 19. Mai. Der König der Belgier hat während seines hiesigen Aufenthaltes eine Reihe von Konferenzen mit den leitenden Staatsmännern Englands und mit Vertretern der größeren auswärtigen Mächte gehabt, um einen Weg ausfindig zu machen, die Arbeiterbewegung von dem internationalen Einfluß des Anarchismus zu befreien. Von Salisbury um Rat gefragt über die Vorteile einer internationalen Uebereinkunft, zu gemeinsamen Vorgehen gegen alle anarchistische Attentate und Wühlereien, antwortete König Leopold, das englische Asylrecht bilde die größte Gefahr für die moderne Gesellschaft. Beherbergte London nicht so viele Flüchtlinge, so würde unendlich weniger sozialistisches Propaganda in Belgien, Deutschland und Frankreich sein und die russischen Nihilisten dreiviertel ihrer Kräfte verlieren. Ebenso würden die anarchistischen Ausstandsbewegungen in Italien nnd Spanien von englischen Komites, aus ausländischen Revolutionären bestehend, geleitet. Salisbury antwortete dem Könige, seine Meinung hierüber sei längst gebildet, er erachte aber den Zeitpunkt für noch nicht gekommen, dem Parlament ein Ausweisungsgesetz gegen fremde Anarchisten vorzulegen.
Die Geldkrisis in Argentinien.
Man schreibt aus Buenos Ayres: Die seit Wochen angekündigte Kalamität einer Geld- und Kreditkrisis hat sehr rasch eine gefährliche Höhe erreicht, welche nicht allein das Weilerbestehen bedeutender Handelsfirmen. Industrie - Etablissements und Gesellschaften, sondern auch die eventuelle Zahlungsfähigkeit der offiziellen Banken und die Sicherheit der Regierung selbst in Frage stellt. Mit dem Course von 300 Pesos Papiergeld für 100 Pesos Gold stellt sich der Feind unseres ökonomischen Lebens vor die Pforten aller Gesellschaftsklassen. um den Rest aller unserer Vermögen mit in den Krach zu ziehen. Es ist porieukum in mora, daß die Not in alle Kreise bricht und die Unzufriedenheit der Bedrängten über die berechtigten Grenzen treibt.
Und was die Not nicht thut, das thut die Befürchtung, der Goldkurs könne einmal , auf dem schwindelhaften Satze von 300 angelangt, leicht noch 100 und mehr Prozent hinaufgehen und zur fast gänzlichen Entwertung der Umlaufsnoten, sowie eine Reihe der börsengängigen Wertpapiere, besonders die Hypothekenscheine führen. Mit dem Eintreten eines solchen Ereignisses wären dann allerdings die Verluste unabsehbar und die Wirkungen des unter den einheimischen und mehr unter den fremden Elementen bis ins tiefste Mark gehend. Die Hoffnungen der Optimisten auf baldiges Vorübergehen oder doch Sinken des Gold-Agios und der Krisis fangen jetzt an, selbst in den gläubigsten Gemütern zu schwinden, und es bleibt dem Volke wie der Regierung nichts mehr übrig, als mit der Thatsache
einer wirklich eingetretenen großen Gefahr und mit der Tendenz nach Hausse zu rechnen. Die offiziellen Kreise, welche sich früher von dem Vorhandensein einer intensiven Krisis nicht überzeugen wollten, haben in der letzten Zeit nicht umhin gekonnt, durch ihr amtliches Organ den akuten Charakter der Notlage anzuer- kennen, aber sie haben gleichwohl bisher noch immer Bedenken getragen, denjenigen Teil der Verschuldung einzugestehen, den ihnen die öffentliche Meinung aus guten Gründen zuschreibt.
Wenn sich das Volk, voran die höheren Klaffen, einer großen Verschwendung, einem maßlosem Luxus hingab, und wenn die Spekulationswut den gesunden Lebenserwerb und ökonomischen Sinn untergrub, so gab doch hiezu unfraglich wohl die erste Veranlassung das Vorgehen der Regierung, sowohl der Nation wie der Provinzen, welche Anleihen über Anleihen im Auslande ausnahmen. den Markt mit Banknoten und Hypothekenscheinen überschwemmten und den Luxus nach allen Richtungen hin begünstigten.
Das Publikum verhehlt sich nicht mehr, daß der größte Teil der Gelder, über welche die offiziellen Banken verfügen, nicht der Entwicklung der allgemeinen Wohlfahrt zu gute gekommen, sondern an Leute verliehen worden ist, welche dem politischen Ringe und dem Spekulanten- Syndikate angehörten. Das Publikum ist mißtrauisch geworden und wünscht den Zeitpunkt herbei, wo ihm genaue Einsicht in den Stand der ganzen Staats- und Staatsbank-Finanzen gegeben wird, damit es erfahre, wie die Aktien stehen. Die Lage ist sehr ernst, das gewöhnliche Volk vor allen Dingen leidet in hohem Grade. Der Arbeiter, welchem es vordem gelungen war, einen Teil seines verdienten Geldes aufzusparen, sieht das sauer Erworbene nunmehr entwertet. Der Familienvater, welcher früher durch seine Beschäftigung den Ansprüchen der Seinigen gerecht werden konnte, muß jetzt Tage wahrer Bedrängnis erleben. In diesem Zustande befinden sich viele Tausende von ledigen Arbeitern und von Tausende von Familienvätern. Was in dieser Klemme am besten zu thun ist, läßt sich schwer sagen.
Milllt-ffen.
Der scherzhafte Monat April ist vergangen. Der Wonnemond ist ihm gefolgt, reich an überraschenden Gaben — man nennt ihn nicht umsonst den „wundervollen" Mai. Wie reich er die Natur beschenkt, zeigt eine erbauliche Geschichte, die uns von einem Maikätzchcn erzählt wird: „Eine Katze eines Berliner Leder- Händlers warf drei Junge, deren vordere Hälften Katzen, die rückwärtigen Hälften Hasen sind. Diese jungen Katzenhäschen, welche possierliche Männchen machen, fressen Gras und saufen Milch und während sie auf ihren Hinterfüßen aufwarten, spielen sie mit den Vorderpfoten nach Katzenart mit Wollknäueln. Diese drolligen Käuze, welche sich, sobald es dunkel wird, wie toll geberden und meterhohe Sprünge ausführen. haben ihrem Besitzer dessen gesamte Nelkenstöcke vollkommen aufgefreffen. (Was sich nicht alles in Berlin ereignet!)
Stanley verlobt. Der berühmte Afrikaforscher war bisher als „Weiberfeind" verschrieen, und die Thatsache, daß er, dessen Haupthaar schneeweiß ist und der in Bälde sein 50. Lebensjahr vollendet, sich doch-noch entschlossen hat, in den heiligen Stand der Ehe zu treten, macht in England begreifliches Aufsehen. Miß Dorothy Tennant, die Braut Stanley's, erfreut sich in England als Malerin eines vorteilhaften Rufes. Die Vermählung soll im Juli stattfinden.
(Frauenlist.) Frau (die einen neuen Hut haben möchte): „Ach, liebes Männchen, ich brauche wirklich ein neues Kleid!" — Er (erschrocken): „Ein Kleid, mein Kind? Das ist unmöglich. Denke Dir — bei den schlechten Zeiten! Wenn es noch ein neuer Hut wäre! Aber ein Kleid — nein, das geht beim besten Willen nicht!" — Frau! „Hast recht, Männchen; ich hatte mir das nicht überlegt und gebe gern nach! Also bitte, kaufe mir einen neuen Hut. (Fl. B.)
(Kindliche Auffassung.) Onkel: Nun, Elschen, was machst Du denn hier draußen bei dem Regenwetter? — Elschen: Ich wollte bloß mal Nachsehen, ob's auch wahr ist, Onkel! Die Mama hat nämlich gesagt: Pfingsten sei vor — der Thür!
(Kleines Mißverständnis.) Mutter: „Ach, wenn sich doch mein Matchen verheiraten würde!... Wissen Sie mir keinen guten Rat?" — Bekannte: „Einen guten Rat nicht, aber einen recht netten Assessor. (Fl. Bl.)
(Blumensprache.) Korporal: „Was sind Sie?" — Rekrut: „Der Sohn eines Metzgermeisters!" — Korporal: „Daskann man leicht sagen — das muß man beweisen können.
(Recht und billig.) Man sagt zwar: Was dem Einen recht ist, ist dem Andern billig; gewöhnlich aber ist das dem Mann zu teuer, was der Frau recht wäre.
Gemeinnütziges.
sMaikäsersuppe.) Rezept aus der „Jll. Garten- ztg.": Man fängt die Käfer, von denen man circa 30 Stück aus eine Portion rechnen kann, frisch ein, löst ihnen die hornartigen Flügeldecken ab und zerstößt die Käfer, nachdem man sie früher sorgfältig gewaschen, in einem Mörser. Hierauf röstet man die Masse in heißer Butter und läßt sie in Fleischbrühe aufkochen, dann die Brühe durch ein feines Haarsieb streichen und richtet die Suppe über geröstete Semmelscheiben an. Selbst wenn man nur dünne Bouillon zu dieser Suppe nimmt, so geben ihr die Maikäfer doch eine solche Kraft und einen solchen Wohlgeschmack, daß sie mit Recht der vielgerühmten Krebssuppe vorzuziehen ist. — Allerseits guten Appetit!
Das Schnarrchen entsteht durch das Rasseln des Gaumensegels bei jedem Atemzuge, sobald der Mund des Schlafenden geöffnet ist. Es handelt sich also darum, dafür zu sorgen, daß der Mund des Schlafenden geschlossen bleibt und die kluge Gattin erreicht dies durch folgendes einfache Mittel. Man näht an ein breites, weißes Band ein viereckiges Stück Leinwand, so daß eme Art primitiver Haube entsteht. Vor dem Schlafengehen legt der Schnarchkünstler sich das Stück Leinwand auf den Kopf, bindet die Bänder unter dem Kinn zusammen, so daß der Unterkiefer während des Schlafens nicht herabfallen kann und jedes Schnarchen wird unmöglich.
Für die Redaktion verantwortlich: Chrn. Meeh; Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.