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Nachtschoppen ergiengen sich die Kellnerinnen mit ihren Stammgästen in den üppigsten Combinationen über die Beantwortung dieser Frage. Wohl seit langer Zeit wurde in Zürich in den Bierhallen so wenig politische Blätter gelesen, wie an diesem Tage. weil diese lokale Frage die Gemüter auch der Gäste aller Schattierungen beschäftigte. Da, in der Tagblattnummer vom 12. April ward das Rätsel gelöst. Ein spekulativer Wirt in Zürich erklärte, daß die vier bayerischen Bierhallen zwar große Lokalitäten seien, dagegen sein neu renoviertes Lokal an Schönheit durch dieselben nicht übertroffen werde. Diese unerwartete Lösung dürfte wesentlich besänftigend wirken.
(Die erste telegraphische Depesche.) Nach einer im Postmuseum befindlichen Zeitung, der „Hanauer Europäischen Zeitung" vom Dezember 1794, ist in dieser Zeit die erste telegraphische Depesche in Deutschland befördert worden, und zwar mit dem optischen Zeichentelegraphen. Es war dies gelegentlich des Geburtsfestes des Markgrafen von Baden, welchem nachstehendes „Gedicht" durch den Telegraphen des Mechanikers Böckmann aus einer Entfernung von anderthalb Stunden nach Karlsruhe übermittelt wurde:
„Groß ist das Fest und schön! Triumph, der Gute lebt,
Um dessen Fürstentum der Vorsicht Auge schwebt;
Heil ihm, so tönt es fern und nah;
O Fürst, sieh hier, was Deutschland noch nicht sah,
Wie Dir der Telegraph heut' Segenswünsche schicket."
Aus Amerika. Der jüngste Lieutenant in Amerika ist John Alexander Logan in Joungstown, O., ein Enkel des bekannten verstorbenen Generals und Bundcs- senators Logan. Der jüngste Logan wurde am 12. Februar d. I. geboren und sofort nach seiner Geburt Lieutenant. Im Lande der Freiheit muß er ganz unzweideutige Beweise dafür erbracht yaben, daß er dereinst ein militärisches Genie zu werden verspricht, denn die Regiments-Kameraden seines Vaters wandten sich mit dem Ersuchen an den Gouverneur des Staates, den jüngsten Logan in Anbetracht der Verdienste seines „großen" Großvaters um das Vaterland zum Lieutenant im 5. Miliz-Regiment zu ernennen. Der Gouverneur hat dem Ansuchen entsprochen und Herr Logan junior als Patengeschcnk ein vom Tage seiner Geburt ansgefertigtes Lieutenants-Patent in die Wiege gelegt. Man weiß wirklich nicht, bemerkt dazu die „Newyorker Handelszeitung", was man in diesem Falle mehr anstaunen soll, die Albernheit des betreffenden Offizierkorps oder diejenige des Staats-Gouverneurs!
(Barnums Znkunftspläne.) Der große Humbugmann Mr. Barnum plant für die große Weltausstellung in den Vereinigten Staaten etwas ganz Außerordentliches. Stets bestrebt, die Besucher seines Museums durch neue Seltsamkeiten zu verblüffen, hat er sich eben an die ägyptische Regierung mit der sonderbaren Bitte gewendet, ihm gegen ein Leihgeld von einer halben Million Francs die durch Baksamierung
erhaltenen Leichen von Ramses II. (Sest- ostris), vom dessen Tochter, der Lebensrettern! des Moses, sowie von noch mehreren anderen berühmten Persönlichkeiten des alten Aegyptens für einige Zeit zu überlassen. Sollte der Khedive sich entschließen, ihm die gewünschten, derzeit im Museum von Bulak, einem Stadtbezirk von Kairo, befindlichen Mumien zur Verfügung zu stellen, dann räumt ihm Barnum das Recht ein, die unersetzbaren Schätze an allen Ausstellungsorten in den Vereinigten Staaten wie in den Hauptstädten von Europa durch ägyptische Soldaten bewachen zu lassen,
(Ein Wohlthäter.) Der am 18. l, M. in Wien verstorbene Privatier Anton Schey, ein überaus einfacher, bescheidener Mann, hat in seinem Testamente die Stadt Wien aufs höchste überrascht, indem er ein Legat im Gesamtbetrag von 600 000 ^ für verschiedene milde Stiftungen, ohne Ansehen der Konfession, vermacht und vorher seine eigenen Verwandten aufs Reichlichste bedacht hat.
(Das Verleihen von Kindern an Bettlers bildet in Paris eine flotte Industrie, die in so hohem Maße überhand zu nehmen scheint, daß ein Gemeinderatmitglied es sogar für notwendig erachtet, ein Gesetz zu erwirken, welches diesem Unfug steuern soll. Das Munizipalmitglied Berrp erzählte die Veranlassung hierzu folgendermaßen: Einer meiner Freunde wurde in der Rue de l'Estrapade von einer Bande kleiner Kinder angefallen, welche bis dahin ruhig gespielt hatten, nun aber durchaus Almosen haben wollten. Während er ihnen Einiges gab und ihnen Vorhaltungen machte, schlichen einige verdächtige Frauenumdie offene Thür eines Schankwirtes herum. Mein Freund forschte nach und erfuhr sehr bald, daß diese Frauenzimmer sich dort zu ihrer täglichen Bettelfahrt durch Paris gestärkt, zugleich aber auch Kinder geliehen hatten. Zu dem Schankwirt bringen Eltern jeden Morgen ihre Kinder, sie den Bettlern zu verleihen. Mein Freund und ich haben darauf Nachforschungen angestellt, und in verschiedenen armen Vierteln, in Belleville, Montmartre, unweit des Jnvaliden- hauses und des Jardin deS Plantes, sieben weitere Schankwirte gefunden, bei denen dieser Kinderhandel betrieben wird. Die Preise sind verschieden. Ein kleiner Junge wird für einen Franken den Tag verliehen, ein Mädchen für zwei Franken. Hübsche Mädchen von neun bis elf Jahren werden höher, selbst bis sechs Franken und mehr bezahlt. Dieselben werden dazu gebraucht, Blumen ans den Boulevards und in den vornehmen Stadtteilen zu verkaufen, d, h. unter dem Vorwand des Anbietens derselben zu betteln. An Festtagen, wie Neujahr, Palmsonntag, Ostern, Pfingsten und am großen Nationalfest, werden manchmal sechs bis acht Franken für ein hübsches Mädchen gezahlt. Die Eltern streichen das Geld ein und erhalten ihre Kinder oft erst spät Abends zurück. Den Tag über erhalten dieselben von den Mieterinnen zu essen, je nach Umständen, leiden Not, wenn der Ertrag des Bettelns gering ausfällt, was jedoch selten der Fall ist. Denn alle diese Mieterinnen sind abgefeimte Bettlerinnen, welche stets ihr Ziel erreichen. Abends betrinken sie sich mit ihren Männern, welche ihrerseits den Tag über irgend ein zweifelhaftes Geschäft treiben, wenn sic das Herumlungern nicht vorziehen. Deshalb ist es auch selten, daß Männer Kinder zum Betteln leihen. Während des Winters steigt die Zahl der zum Betteln geliehenen Kinder bis 3000, im Sommer sind es 2000. So Herr Berry. Das von ihm gewünschte Gesetz wäre nur teilweise nötig, wenn in Paris das Gesetz über den Schulzwang durchgeführt wäre. Denn dann könnten ohne weiteres alle Kinder über 6 Jahren, welche beim Betteln betroffen werden, festgenommen und der Schule zugeführt werden. Aber für den Schulzwang genießt Paris, wie in so Vielem, eine Ausnahmestellung. Das betreffende Gesetz ist ausdrücklich nicht in Paris cingeführt.
(Ein Brief Blücher's.) Ein von „Potsdam, den 28ten July 1814" an Frau v. Vonin gerichteter Brief Blücher's lautet: „Ver-Ehrungs würdige Freündin. Ihr gültiges woll wollendes Schreiben ist mich von Parißnach London gefollgt und hat mein Hertz mit Freüde und Dank erfüllt, es ist mein Schönster lohn wenn ich den beyfall der jenigen erwerbe die ich libe und verEhre, bis hir hat mich der himell gehollsfen, in Englandt hat man mich Scharsf mitgenommen, aber ich muß die beweise der achtung so ich von dem Regenten der Nation erhallten Führ eine der glücklichsten begebenheiten meines lebens rechnen, wider allen meinen Widerspruch hat man mich hir zum Fürsten Oreirt ich habe mich geben müssen weil man behaupte, es müsse dieses der Nation wegen geschehen, die nation aber hat mich Ihrem beyfall als Blücher zugeruffen, wenn ich das hungrige HEHr deutschen Fürsten vermehre, werde ich dadurch bey meinen Zeitgenossen gewinnen, nein gewiß nicht, aber waß soll ich machen, sollte aber das Fürstenthum nicht so beschaffen sein, daß ich den Staudt angemessen leben kann, sollte meine Frau nicht so gesetzt werden, daß sie als Fürstin figerieren kann, so werde ich in öffentligen Blättern den Fürstentitel wider ablegen, ich erwahrte hir den König weill ich nicht Früher als mit ihm in Berlin erscheinen will, so vill die Berliner mich auch zusetzen. . . . Ich werde nun beständig den Sommer uf dem lande n Winter in Berlin wohnen, alle geschcffte habe ich entsagt n will die wenigen tage die ich noch lebe, Führ mich n die meinigen leben, daß fridlige soldaten spihl hat keinen Reitz vor mich, n vor krig wird uns gott bewahren. . . . Em- Pfehleu sie mich Ihrer liebens würdigen Familie n erhallten sie ihre gnade woll wollen n güte einem man der sie lebenslang verEhrt.
Blücher."
Gemeinnütziges.
(Ein neues Reizmittel.) In der letzten Sitzung der medizinischen Akademie zu Paris berichtete Heckel aus Marseille über die physiologischen Wirkungen der Kolanuß, deren Genuß den Menschen noch in weit höherm Maße wie der des Kaffees befähigt, lange Märsche ohne Ermüdung auszusühren. Die Sieger Mittelafrikas vermögen, nachdem sie eine frische Kolanuß gegessen, im größten Sonnenbrände 80 Kilometer an einem Tage zurückzulegen. Ein Oberst mit einem Lieutenant aus Perpignan bestiegen im Jahr 1888 den Carrigon (2302 Meter) und konnten bei einer Ruhepause von nur 25 Minuten 12 Stunden ohne müde zu werden marschieren, nachdem sie vorher eine gewisse Menge Kolapulver zu sich genommen, die 15 Cg. Coffein entspricht. Eine Anzahl Offiziere legte in 15^stündigem Marsche den 72 Kilometer langen Weg zwischen Laval und Rennes zurück. Um diese Strapaze ertragen zu können, hatten sie in verschiedenen Gaben jeder eine Kolamengc zu sich genommen, die 15 Cg. Coffein entspricht. Heckel hat daher dem französischen Alpenklub den Kolagenuß empfohlen, um die Ermüdung und das Außeratemkommen beim Bergsteigen zu bekämpfen, und will darauf hinwirken, daß die Armeeverwaltung diesen Stoff in die Ernährung des Soldaten beim Marsche und im Felde emsühre.
Em gutes und einfaches Erhaltungsmittel für Pfähle, die in den Boden kommen, besteht darin, daß man, nachdem das Loch für den Pfahl vermittels eines Hopfenloches gemacht ist, diese Oesfnung mit einer Mischung von 2 Teilen Steinkohlenasche und 1 Teil gebrannter Kalk trocken ausfüllt und dann den Pfahl einsetzt, so daß er davon umgeben wird. Auch Stcinkohlen- asche und Kalk allein bewirken größere Dauerhaftigkeit. Das Mittel ist ein sehr bewährtes.
(Gegen Fettsucht) verordnet nach der „D. Medr-Ktg." Stallard eine ausschließliche Fleischdiät, gleichviel, ob fette, oder magere, nebst 2 Quart heißen Wassers, täglich vor und nach der Mahlzeit zu trinken. Bei dieser Behandlung soll das Körpergewicht in 3 Wochen von 199>/„ auf 175 Pfund gefallen sein.
Für die Redaktion verantwortlich: Chrn. Me eh; Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.