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An die Wähler

des Overamtsbezirks Calw.

Nachdem der seitherige verdiente Abgeordnete des Bezirks, Herr Stadtschultheiß Daffner in Calw, eine Wiederwahl ent­schieden abgelehnt hat, haben die Vertrauensmänner der konservativen und der deutschen Partei sowie des Bundes der Landwirte mich um Uebernahme der Kandidatur ersucht. Ich habe dem an mich ergangenen Rufe folgen zu müssen geglaubt, weil es Angesichts der vielen und wichtigen gesetzgeberischen Arbeiten, die der neue Landtag zu erledigen haben wird, dringend notwendig ist, daß auch die nationalen Parteien durch eine Anzahl mit der Handhabung der Gesetze und Bearbeitung neuer Vorlagen vertrauter, rechts­verständiger Männer vertreten sind.

Ich bin konservativ, halte Treue meinem König und Kaiser und bin der Meinung, daß die Erhaltung der Eigenart und Selbständigkeit unseres schwäbischen Stammes mit einer gut deutschen Politik, wie unser König sie führt, recht wohl verträglich ist. Als treuer Sohn meiner Kirche werde ich auch im politischen Leben meine christliche Weltanschauung stets betonen und für die Interessen der Kirche, sowie für die konfessionelle Volksschule eintreten. Es ist unmöglich, zu all den Aufgaben, vor welche der kommende Landtag gestellt werden wird, schon im Voraus bestimmte Stellung zu nehmen; ich werde daher mich jetzt nur zu den wichtigsten Tagesfragen äußern und gebe im übrigen das Versprechen, daß ich für den Fall meiner Wahl meine Pflicht als Abge­ordneter gewissenhaft und unter voller Wahrung der Interessen des Bezirks erfüllen will.

Trotz meiner konservativen Gesinnung stehe ich auf keinem einseitigen Parteistandpunkt, ich weiß auch das Gute am politi­schen Gegner zu schätzen und werde alle Vorlagen, mögen sie von der Regierung oder von anderen Parteien veranlaßt sein, ohne Voreingenommenheit sorgfältig prüfen und entsprechend meinen Grundanschauungen zu lösen suchen.

Im einzelnen erstrebe ich mit meinen Gesinnungsgenossen:

1. Als vornehmste Aufgabe des neuen Landtags gerechte Verteilung der Steuern durch möglichst rasche Einführung einer allgemeinen Einkommenssteuer und im Anschluß daran einer ergänzenden Vermögenssteuer mit aussteigend höherer Belastung der großen Einkommen und Vermögen zur Erleichterung der Mittelstände und der Arbeiter.

Bei der Steuerfreiheit eines angemessenen Mindesteinkommens ist die Zahl der Kinder zu berücksichtigen.

Abzug der Schuldzinsen!

Gerechte Besteuerung der großkapitalistischen Unternehmungen, insbesondere Umsatzsteuer für Warenhäuser und Großbazare, zum Schutz der mittleren und kleinen Geschäfte.

Nach kurz bemessener Uebergangszeit soll die Einkommens- und Vermögenssteuer als einzige direkte Staats st euer erklärt, die Ertrags steu er aus Grund und Boden, Gebäuden und Gewerben aber den Gemeinden zugewiesen werden.

Herabsetzung der Umsatzgebühren für Grundstücke und Gebäude.

Ermäßigung der Gemeindelasten durch fortschreitende Uebernahme der Volksschulkosten, der Armen­lasten und der Kosten für Nachbarschaftsstraßen durch den Staat.

2. Durchführung eluer «ruru Grmrindrordnuug, entsprechend den besonderen Bedürfnissen der Stadt- und Landgemeinden. Wenn im Zufammeuhang damit die Abschaffung brr Kebrusläuglichkelt der Ortsvorsteher durchgeführt wird, so habe ich dagegen nichts einzuwenden, vorausgesetzt, daß sie ohne Rückwirkung auf die im Amt befindlichen Ortsvorsteher und mit Einführung von Neuwahlen nach längeren Zeiträumen gesetzlich festgelegt wird.

Ich will ferner Erhaltung der Selbstverwaltung der Gemeinden, Entlastung der Gemeindeämter von staatlichen Geschäften oder angemessene Entschädigung der Gemeinden aus der Staatskasse.

Abänderung der Bauordnung von 1872 halte ich für nötig, da dieselbe den im Laufe der letzten drei Jahr­zehnte stark geänderten Verhältnissen in Stadt und Land nicht mehr genügend Rechnung trägt.

Z. Schutz »ub Förderung der eiuhetmischen landwirtschaftliche», gewerbliche« und Saudels-Thatigkett.

Ich habe schon bisher in meiner öffentlichen Thätigkeit mir zur Aufgabe gemacht, jede berechtigte Forderung der Mittelstände und der Arbeiter zu unterstützen und werde dies auch in Zukunft thun. Ich trete ein für

Energische Förderung unseres Weingärtner- und Bauernstandes durch den Staat.

Für Berücksichtigung von Landwirtschaft und Gewerbe bei staatlichen Lieferungen.

Für kräftige Unterstützung des Handwerks durch bessere Regelung des Submissionswesens, durch Beschränkung der Konkurrenz der Zuchthausarbeit durch Erleichterung der beruflichen und genossen­schaftlichen Organisation.

Für gesetzliche Maßregeln zu Gunsten des reellen Kaufmanns gegen Auswüchse des Hausierhandels, der Konsumvereine, der Wanderlager und Warenhäuser.

Für die Bedürfniffe des Arbeiter st andes habe ich ein offenes Ohr, und werde die Bestrebungen nach besserer beruflicher Ausbildung, Verbesserung der Arbeitsvermittlung, Erbauung gesunder und billger Wohnungen stets unterstützen.

Mein oberster Grundsatz in allen Fragen des Erwerbslebens ist: Jede ehrliche Arbeit soll ihren wohlver­dienten Lohn und Schutz gegen unlauteren Wettbewerb finden.

4. Heb««- de« Uerkehrswrfeu« insbesondere auch auf dem flachen Land, dessen Bahn- und Postverbind­ungen einer Verbesserung entschieden bedürfen.

5. Neuregelung der Dieust- «ud Grhaltsurrhältniste der Beamten, Bediensteten und Arbeiter des Staates.