674
bei der GeldauSzahlung am Nebentisch gesessen war. Die auf seine Beschreibung hin angestellten Nachforschungen führten auf die Spur des Angel!., welcher festgen ommen wurde, übrigens jede Schuld leugnete. Im Laufe der Untersuchung wurde daS von ihm verborgene Geld jedoch entdeckt und nun legte der Angelt, ein Geständnis ab. Er wist sich, um auS- zuruhen, im Walde niedergelegt haben und erst beim Erscheinen des Schroth auf den Gedanken der Beraubung desselben gekommen sein. Seine erst zwei Tage vor der Hauptoerhandlung erhobene Einwendung, durch frühere epileptisch« Anfälle in seiner Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigt zu sein, konnte durch Vernehmung d?s GerichtSarzteS als eine unbeachtliche Ausrede widerlegt werden. Von den Geschworenen wurde die Schuldfrag« auf schweren Raub bejaht und die Frage nach mildernden Umständen verneint, worauf der Angeklagte neben dem Verlust der Ehrenrechte auf 6 Jahre zu der Zuchthausstrafe von 5 Jahren verurteilt wurde. Die Anklage wurde von Oberstaatsanwalt Fetzsr vertreten. Verteidiger deS Angeklagten war Rechtsanwalt Liesching. Als neunter Fall wurde unter Ausschluß der Oeffentlichkeit verhandelt die Anklazrsache gegen den 25 Jahre alten Schuhmacher Benjamin Rentschler aus Altburg OA. Calw wegen versuchter Notzucht u. a. V. Der Angekl. ist beschuldigt, Liese Verbrechen in der Nacht vom 24. auf 25. Juni d. I. auf Markung Oberriedt Gemeinde Speßhardt an einem 16 Jahre alten Mädchen von da begangen zu haben. Die Geschworenen sahen nur eine thätliche Beleidigung als vorhanden an, weshalb der Angekl. nur wegen dieses Vergehens zur Strafe gezogen wurde. Es wurde auf eine Gefängnisstrafe von 3 Monaten (ab 1 Monat Untersuchungshaft) erkannt. Die Anklage wurde von Hilfsarbeiter Linder vertreten. Verteidiger des Angekl. war Rechtsanwalt Jäger. — Die 10. Verhandlung in der Anklagesache gegen den 26 Jahre alten Fabrikschlossrr Stefan Eckhardt aus Unterboihingen wegen zweier Verbrechen des versuchten Mords nahm 2 Tage in Anspruch. Eckhardt hatte auf dem Wege von Nürtingen nach Neuffen 2 Kinder, den 8 Jahre alten Hermann Sterr und die 7 Jahre alte Rosa Sterr, Kinder des Korbmachers Sterr in Nürtingen, mit einem Messer in den Unterleib gestochen. Dem Mädchen waren die Gedärme 6fach und auch diejenigen deS Knaben mehrmals durchstochen. Beide Kinder konnten am Leben erhalten werden; ihre Wiederherstellung bezeichneten die Sachverständigen als einen ungewöhnlich glücklichen Zufall. Der Angeklagte war in einer Wirtschaft in Nürtingen, woselbst er sehr erhitzt ankam, verhaftet worden; er ist der That nicht geständig, wurde aber von beiden Kindern als der Thäter erkannt und der That überwiesen. Der Staatsanwalt beantragte «ine Strafe von 9 Jahren, das Gericht erkannte auf eine solche von 8 Jahren.
Stuttgart, 12. Nov. Im Stadtgartensaal hielt letzten Sonntag der Bund der Landwirte eine außerordentlich zahlreich besuchte Landesversammlung ab, die Guttpächter R. Schmid-Platzhof leitete. Gegen das Vorjahr hat der Bund eine Zunahme von 2 560 Mitgliedern und 80 OrtLabtei- lungen zu verzeichnen; er zählt heute 14620 Mitglieder in 503 OrtSabteilungen. Als ein besonderer Erfolg deS Bundes ist die glänzende Wahl deS Vorstandsmitglieds Stadtschultheiß H a u g - Langenau in den Landtag zu verzeichnen. Es sind jetzt in 10 Ober
ämtern selbständige Kandidaturen aufgestellt; in 4 Oberämtern muß die Kandidatenfrage noch erledigt werden. In 3 Oberämtern wurde eine gemeinsame Kandidatur mit der konservativen Partei aufgestellt und in ungefähr 20 Oberämtern wird der Kandidat der deutschen Partei unterstützt. Im Landtag ist die Bildung einer besonderen Gruppe geplant. Alsdann referierte Stadtschultheiß Haug-Langenau über: Die LandtagSwahlen und der Bund der Landwirte. Nach einer kleinen Pause sprach Rechtsanwalt Kraut- Stuttgart, der in Calw kandidiert, über Parteipolitik und Wirtschaftspolitik und sodann ReichStagsabge- ordneter Echrempf über: Unsere Freunde und Feinde. Den Reigen der freien Ansprachen eröffnete Oberbürgermeister Hegelmaier-Heilbronn, dem noch eine Reihe weiterer Redner folgten. Kurz vor 6 Uhr schloß der Vorsitzende die Versammlung mit einem Hoch auf die deutschen Bauern, die deutsche Landwirtschaft und auf das glückliche Gelingen der Wahl.
Cannstatt, 12. Nov. Nächsten Sonntag wird Prälat v. Braun in der hiesigen Stadtkirche seine Abschiedepredigt halten. Am darauffolgenden Sonntag, dem Tag der Einweihung der Lutherkuche, wird chm zu Ehren im Kursaal in Verbindung mit dem dort abzuhaltenden Gemeindeabend eine Abschiedsfeier stattfinden.
Rottweil, 12. Nov. Heute wurde ein 20 Jahre alter Hamonikamacher von Troffmgen in das hies. Untersuchungsgefängnis gebracht, weil er den 32jähr. Harmonikamacher Michael Meßner erstochen hat.
Vom Bodensee, 12. Nov. DerSchnee- fall in den Bergen dauerte gestern den ganzen Tag an. Die Drahtleitung zum SäntiSgipfel ist infolge der niedergegangensn Schneemaffcn unterbrochen.
Berlin, 12. Nov. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt über den Rücktritt des württembergrschm Ministerpräsidenten Frhrn. v. Mittnacht: Die deutsche Presse ohne Unterschied der Richtung spricht ihre dankbare Anerkennung aus für das segensreiche, vaterländische Wirken deS greisen Staatsmannes, der die Interessen der engeren Heimat mit denen des Reiches stets in Einklang zu bringen verstand. Indem er jetzt durch die Rücksicht auf seine Gesundheit genötigt als der letzte der Staatsmänner, die in sturmbewegter ernster Zeit an den Verträgen zur Gründung des Reiches mitgewirkt haben, in den wohlverdienten Ruhestand tritt, begleiten ihn die aufrichtigsten Wünsche aller für einen noch recht langen freundlichen Lebensabend.
Paris, 12. Nov. Die Gebäude der Weltausstellung wurden heute nachmittag endgültig geschlossen. Abends wohnte noch eine zahlreiche Menschenmenge der letztmaligen Beleuchtung deS Wasserschlosses und der Ausstellungsgebäude bei.
London, 13. Nov. Den letzten Nachrichten aus Südafrika zufolge liegt General Baden-Powell im Sterben. Auch der Zustand der Tochter deS Generalissimus Lord Roberts ist hoffnungslos.
Die Wirre« i« China.
Berlin, 12. Nov. Der Lokal-Anzeige» meldet aus Shangai: Nach Meldungen Eingeborener
aus Hankau, wurden zwei Telegraphen-Beamte in Singanfu auf Befehl der Kaiserin-Regentin geköpft, wer! sie ein geheimes Telegramm des Kaisers Kwangsü an den Grafen Walderse« zur Beförderung annahmen, worin der chinesische Kaiser dem Oberkommandierenden mitteilt, er werde gefangen gehalten und sei daher außer Stande nach Peking zu kommen, obwohl er «S gern thun würde. Im Zusammenhangs mit dieser Angelegenheit fanden noch weitere Hinrichtungen statt.
Berlin, 12. Nov. Eine amtliche Bestätigung einer vom Berl. Tagebl. gebrachten Nachricht, wonach in Shangai ein« blutige Schlägerei zwischen deutschen Soldaten und englischen Polizisten stattgefunden habe, war nach der Kr. Z. bis heute nicht eingetroffen. Der Mangel einer Bestätigung wird dahin aufgefaßt, daß die Nachricht gewiß stark aufgebauscht ist und daß eS sich wohl um eine Schlägerei handelt, wie sie in Seestädten nichts Seltenes ist.
Berlin, 13. Nov. Die Wölfische Zeitung meldet aus Mailand: Dem hiesigen Corriere äslla Sera wird aus Peking telegraphiert, daß gestern eine Expedition bestehend aus 600 Mann Deutschen, 600 Mann Italienern sowie eine italienische Marine- und Artillerie-Abteilung unter dem Befehl deS Oberst- Leutnant Salsa nach Kalgan, 190 Lw nordöstlich jenseits der großen Mauer aufgebrochen sind. De« Zweck der Expedition ist, den militärischen Einfluß der Verbündeten in jenem Bezirk zu sichern. Die Kälte macht sich bereit stark fühlbar und die Truppen sind dagegen nicht genügend ausgerüstet.
Berlin, 13. Nov. Der Lokal-Anzeiger meldet aus London: Die Pekinger Gesandten haben nunmehr beschlossen, in einer gemeinschaftlichen Note an dis chinesische Regierung folgende Forderungen zu überreichen, welche vorbehaltlich der Zustimmung der Regierungen als Basis des Präliminar-VertcageS durchzus-tzen sind: China soll ein Denkmal für Ket- teler auf der Mordstätte errichten und einen kaiserlichen Prinzen nach Dsutschlcürd schicken um Entschuldigungen zu übe, bringen. China soll die Todesstrafe an den 11 schuldigen Beamten und Prinzen vollziehen. Wo Ausschreitungen stattgefunden haben, sollen die Provinzial Examina auf 5 Jahre aufgehoben werden. Künftig sollen Beamte, die sich nicht angemrssen bemüht haben, Ausschreitungen gegen Ausländer soweit ihre Machtbefugnisse reichen, zu verhindern, sofort ihres Amtes entsetzt und bestraft werden. An Staaten, Korporationen und Individuen toll eine Indemnität gezahlt werden, das Tsunali-Iamen in feiner j-tz-gen Verfassung soll abgeschafft und seine Befugnisse einem Minister des Aeußrrn übertragen werden Ein vernünftiger Verkehr mit dem Kaiser soll eil-nbt werden wie in civilisierten Ländern. Die Taku-Forts und dis Forts an der Küste sollen geschleift werden.
London, 13 Nov. Morning Post meldet, die Fn '---nsVerhandlungen in Peking seien soweit beendet. D utschtand habe seine Forderungen durchgesetzt, wo- ach eine chinesische Gesandtschaft nach Berlin geschickt wird, um Kaiser Wilhelm das Bedauern der chinesischen Regierung und deS HofeS über die Ermordung des deutschen Gesandten auszudrücken. Außerdem habe die chinesische Regierung ein Monument zum Andenken an den Ermordeten an der Stell«, wo der Mord geschah, zu errichten.
Als er in den Flur trat, polterte er sofort in seiner spaßhaften Art los: „Wer ist denn bei dir? Ist Florence gekommen, um mit dir durchzugehen?"
Es nutzt« mir nichts mehr, ihm ein Zeichen zu gebe» und ,bst' zu machen,
denn die Thür nach meinem Zimmer stand offen, und zum Ueberfluß trat Mr.
Hawke auS derselben auch gerade heraus, als die Worte gesprochen wurden.
Mein Onkel ließ sich aber dadurch nicht verblüffen, sondern rief ganz kaltblütig: „Ach, wie geht'S Ihnen, Mr. Hawke? WaS tausend machen Sie den» hier? Haben Sie ein Geschäft zusammen, so will ich nicht stören, ich setze mich dann, mit Ihrer Erlaubnis, so lang« in Ihren Wagen."
Mr. Hawke verbeugte sich steif, und wollte an uns vorüber, um sich zu entfernen. Ich hielt ihn aber auf, indem ich sagte: „Bitte, nun können Sie ja meinem Onkel all das Vorhalten, worüber Sie sich vorhin mir gegenüber beschwerten. — Onkel, Mr. Hawke ist nämlich in einer Angelegenheit gekommen,
die unS beide angeht. Wir hatten soeben eine sehr unerquickliche Aussprache,
und Dein unerwartetes Kommen bietet die beste Gelegenheit, die Sache zu Ende zu führen. Wir werden dann wenigstens ganz genau wissen, wie wir zu einander stehen."
„Da«, dächt' ich, wissen wir jetzt schon ganz genau," entgegnet« Mr. Hawke hochmütig. „Sie haben doch wahrhaftig deutlich genug gesprochen, und über mein« Meinung dürsten Sie wohl auch nicht mehr im Zweifel sein."
Darüber waren wir alle drei wieder ins Zimmer getreten, mein Onkel setzte sich, Mr. Hawke lehnt« sich an einen Tisch, und ich trat hinter meinen Onkel.
„WaS ist nun eigentlich los?" fragte dieser. „Was hat mein Neffe Ihnen gethan, Mr. Hawke?"
„Sehr viel, Mr. Seymour, wie «S Ihnen vielleicht nicht schwer fallen dürste zu errate». Ich mach« Ihrem Neffen den Vorwurf, wissentlich störend
zwischen mich und mein« Tochter zu treten. Ich bin gekommen mir das zu verbitten, ihn aufzufordern, jeden Gedanken an meine Tochter aufzugeben, alle weiteren Beziehungen mit derselben abzubrechen und Bristol zu verlassen. Und da ich allen Grund habe anzunehmen, — äh — daß Sie und Ihre Familie den ganzen Zustand der Ding« herbeiführten, so denke ich, habe ich da« Recht, von Ihnen zu erwarten, daß Sie mich in der Forderung unterstützen, di« ich an di« Ehre Ihres Neffen als Gentleman gestellt habe."
„Mr. Hawke," schrie ich ihn gereizt an, „Sie belieben zwar sehr viel von meiner Ehre als Gentleman zu sprechen, behandeln mich ober nicht als solchen, und da» muß ich mir von Ihnen ebenso verbitten, wie Sir glauben, sich etwas von mir verbitten zu müssen."
„Ja, das scheint mir auch," sprang mir der Onkel sogleich bei. „Hören Sie, alter Freund, dieser junge Mann ist meines Bruders Sohn, und ein Gentleman, wie nur einer, auf den lasse ich nichts kommen. Hätte er in Ihrem Hause sich Verstöße gegen die gute Erziehung zu Schulden kommen lassen, dann würde ich Ihre Vorwürfe wie ein Lamm ertragen haben, ans sein Herz aber habe ich keinen Einfluß. Wenn er Miß Florence liebt, trägt sie die Schuld, nicht ich, sie ist eben ein sehr hübsche» Mädchen. Wir waren auch einmal jung,'-mein werter Sir, und daran sollten Sie denken. Ich meine, mir thun am klügsten und besten, in dieser Sach« unfern Verstand sprechen zu lassen."
„Unfern Verstand I sagen Sie?" rief Mr. Hawke hitzig. „Es handelt sich hier wirklich nicht — Sh — um unfern Verstand, sondern nur um den meine«, und der sagt mir, daß meine Tochter mich allein angeht. Ich wiederhol« Ihnen, daß ich auf der Hut sein werde, um meine Tochter vor der unverschämten Aufdringlichkeit Ihre» Neffen zu schützen."
(Fortsetzung folgt.)
»