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und, ihre Angst unter dem Schein mütter­licher Besorgnis verbergend, ruft:

Unglücklicher! . . . Welche Unvor­sichtigkeit . . .!"

Nicht ich bin unvorsichtig, denn ich fühle mich heute ausfallend gekräftigt," erwiderte Hektor, erstaunt über das Be­nehmen und das Aussehen seiner Mutter! aber Du bist nicht vorsichtig, daß Du Dich in so leichter Kleidung hier in diesem unerwärmten Zimmer aufhältst!"

Dumpfes Lärmen ertönte in diesem Augenblick von der Seite des Stadtwalles herüber, und man vernahm den gleich­mäßigen schweren Schritt marschierender Truppen.

Was gehl denn dort unten vor?" fragte Hektor aufhorchend.Schon seitdem frühsten Morgen hörte ich ein eigenthüm- liches, ungewohntes Getöse, als ob die ganze Stadt in Aufruhr wäre. Laß mich doch hinausschauen . . .!"

Nein nein! ... Du irrst Dich! . . . Ich gebe Dir die Versicherung, daß gar nichts außergewöhnliches geschieht! . . . Du wirst Dich erkälten! . . . Geh' in Dein Zimmer; ... ich folge Dir sogleich!"

Die Angst hatte ihre volle mütterliche Zärtlichkeit wieder erweckt, die sich in dieser flehentlichen Bitte bekundete. Sie ergreift ihren Sohn bei der Hand und zieht ihn nach der Thür seines Zimmers hinüber. Als sie beim Kamin vorüberkommt, wirst sie einen Blick auf die dort stehende Stutz­uhr : sie zeigt fast die siebente Stunde an. Nur noch fünf Minuten, und Alles ist beendet!

Der Verurteilte ist bereits am Fuße des Schaffots angelangt, er steigt von dem elenden Gefährt herab; von dem Gefängnis- Geistlichen begleitet, schreitet er auf das Gerüst zu. wo der Henker ihn erwartet, dessen Gehilfen den Unglücklichen ergreifen.

Indem die geängstigte Mutter sich die Vorgänge auf dem Richtplatz in solcher Weise denkt, sagt sie sich bebend, daß sie es ist, die den Aermsten durch ihr Schweigen dem Tode überliefert.! . . . Sie brauchte ja nur ein Wort zu sprechen, um ihn zu retten! . . . Doch nein, man würde ihren Angaben vielleicht gar keinen Glauben schenken, denn sie hatte ja das Beweis­stück, welches den Unschuldigen hätte recht­fertigen können, vernichtet. Mithin mußte das Schicksal Gauliots sich erfüllen, wenn nicht der wirklich Schuldige sich freiwillig stellte.

Sie war in Versuchung, ihren Sohn an's Fenster zu führen, und ihm, auf das Schaffott zeigend zuzurufen:

Geh' hin und sühne Deine Schuld!"

Aber sie vermochte es nicht! Wer könnte auch nur den Gedanken fassen, daß eine Mutter einer solchen Handlungsweise fähig wäre?

Ihre Sinne verwirrten sich, es wird Nacht vor ihren Augen, und sie gerät in Gefahr, ohnmächtig zu werden.

Was ist Dir, liebe Mutter?" fragt Hektor ängstlich, sie umfangend.

Nichts!" erwidert sie ihm, sich ge­waltsam fassend.Eine kleine Nerven- schäche, ... sie ist schon vorüber! . . . Komm!"

Vom Präfektur-Platz schallt erneuter, anhaltender Lärm herauf, und Hektor, der

diesmal sicher ist, sich nicht getäuscht zu haben, ruft besorgt:

Hörst Du denn nichts? Laß mich, Mutter! Ich mnß mich überzeugen, was dort geschieht!"

(Fortsetzung folgt.)

Die italienischen Weine und ihre Einfuhr nach Deutschland.

Von italienischer Seite bemüht man sich in neuerer Zeit, einmal die Kenntnis der in den einzelnen Provinzen und Gegenden Italiens ge­wonnenen Weine möglichst zu verbreiten, sodann aber ihren Weinen über Hamburg und Bremen nach Norddeuischland und auf dem Wege über die Alpen in der Schweiz und Süddeutschland vermehrten Eingang zu verschaffen.

In elfterer Beziehung ist besonders auf die Schrift des Professors Cerletti, welche von der Gesellschaft der italienischen Weinbergbesitzer zu Rom veröffentlicht worden ist, hinzuweisen. Dieselbe ist mit großer Sachkenntnis verfaßt, giebt ein reiches statistisches Material über Ein- und Ausfuhr der italienischen Weine und bietet eine übersichtliche Darstellung der in den einzelnen Provinzen und Gegenden gewonnenen Weine unter Namhaftmachung der hervorragendsten Weinbergbesitzer und Weinexporthäuser. Eine beigegebene Karte von Italien veranschaulicht, wo rote, wo weiße, wo Verschnittweine, wo Liquerweine erzeugt werden.

Was die Einsuhrbestrebungen betrifft, so dürften, wie in einem Artikel imWeinbau- und Weinhandel" ausgeführt ist, solange der Typus der italienischen Weine dem nordischen Geschmack nicht entspricht und sie mehr als feinere Dessert­weine anzusehen sind, dieselben den deutschen Weinen keine beachtenswerte Konkurrenz machen. Dagegen dürfte die Frage der Beachtung wert sein, ob die italienischen Weine m ihrem unver­arbeiteten Zustand nicht als Verschnittweine vortreffliche Dienste leisten könnten.

Durch Beimischung italienischer Rohweine zu leichten weißen deutschen Weinen würde sich, wie von kundiger Seite behauptet wird, eine dem nordischen Geschmack angepaßte Weinspezies erzielen lassen, welche um ihres erheblich billigeren Preises halber geeignet wäre, die sogenannten französischen Tisch-Bordeaux zu verdrängen, die ihrerseits auch nur das Produkt einer derartigen Verarbeitung und Anpassung sind. Aus einem Liter schweren süditalienischen Weines ließen sich nach Verschneidung mit leichten deutschen Weiß­weinen gut 34 Liter Rotweins zum Tischver­brauch in Deutschland Herstellen. Der nördlichere italienische Wein würde ein geringeres Quantum ergeben, seine Verarbeitung aber voraussichtlich auch noch mit Nutzen verbunden sein.

Angesichts des Umstandes, daß die italienischen Weine gegenwärtig infolge des Zollkrieges mit Frankreich noch billiger als früher eingekauft werden können, scheint für deutsche Weinhändler und Weinproduzenten die Frage erwägenswert, ob etwa der Zeitpunkt für den Versuch gekommen wäre, die italienischen Rohweine (Berschnittwcine) in größeren Mengen auf dem billigen Seewege über Hamburg und Bremen nach Deutschland einzuführen, sie unter Zuhilfenahme der leichten heimischen Weine für die Herstellung eines ge­sunden, reinen und billigen Tischweines zu ver­werten, und uns aus diese Weise von dem kost­spieligen Bezug unserer Tisch-Rotweine über die französischenEtiquette-Stationen" von Bordeaux zu befreien.

(Wieviel ist ein Vogelnest wert?) Die Antwort beruht auf einem sehr einfachen Rechenexempel. Nimmt ein Knabe in seiner Einfalt ein Grasmücken- oder Rot­schwänzchen-Nest mit 5 Eiern oder Jungen aus, so werden täglich 250 Raupen un- verzehrt bleiben und sich auf Kosten unserer Obstbäume weiter entwickeln, und zwar mindestens 30 Tage lang, das macht für jedes solcher Nester nach Adam Riese 7500 Stück. Jede Raupe frißt täglich ihr eigenes Gewicht an Blättern und Blüten. Gesetzt sie braucht gleichfalls 30

Tage. bis sie sich zur Puppe entwickelt und sie verzehrt täglich nur eine Blüte, die eine Frucht gebracht hätte, so macht das in dieser Zeit 30 Früchte. Die 7500 Raupen vernichten somit 225 000 solcher Früchte, die uns im Herbst sehr zu statten gekommen wären, selbst wenn der Verlust nur die Hälfte in Wirklichkeit betragen würde.

(Kartoffelsalat.) Fräulein v. L. aus Berlin so erzählt man uns weilt zum Besuche bei ihrem Onkel, einem Ritter­gutsbesitzer in der Provinz. Auf einem Spaziergange bemerkt die Nichte:Sieh doch, Onkel, wie herrlich der Salat dort aussieht!"Aber, Kind", erwidert der Onkel,das ist doch kein Salat, das sind Kartoffeln."Nun ja", fällt rasch die Nichte ein,ich meinte ja auch Kartoffel­salat!"

(Rauhe Hände.) Um rauhe Hände binnen einer Viertelstunde so zart zu machen, daß man sogleich mit offener Seide sticken kann, gebe man einen Eßlöffel voll Leinöl in eine Untertasse und menge mittelst eines Holzspaltcs nach und nach seingesiebte Steinkohlenasche darunter, bis ein sehr steifer Teig entsteht; mit diesem reibe man die Hände an den rauhen Stellen wohl eine Viertelstunde lang, beseitige dann die Masse und wasche die Hände mit einer Bürste und viel Seife. Die Steinkohlenasche wirkt dabei als feinste Feile, die abgerissenen Hautteilchen be­seitigend, während das Leinöl die noch feste Haut durchdringt und biegsam erhält. Einmaliger Gebrauch hilft bei fortgesetzter rauher Arbeit aut etwa 14 Tage und müßte dann wiederholt werden. Die Masse läßt sich in einem Porzellan­oder Glasnäpfchen, luftdicht verschlossen oder mit Wasser übergossen aufbewahren.

(Türkische Art, den Kaffee zu bereiten.) Das Brennen und Mahlen des Kaffees geschieht nicht eher, als bis man ihn braucht; dann wird er schärfer gebrannt und zu einem feineren Pulver gemahlen, als bei uns. Zur Bereitung desselben wird ein kleines blechernes Gefäß, das genau die erforderliche Quantität enthält, über das Feuer gesetzt, mit dem Kaffee zugleich der Zucker Hineingethan und beides zusammengekocht, in eine kleine Porzellantasse gegossen und, wenn der Satz zu Boden gefallen ist, ohne Beimischung von Milch oder Sahne genossen.

Liste

der im Hkovkr. 1889 an Erfinder im Königreich

Württemberg erteilten Reichspatente, aufgestellt

durch das Patent-Bureau von Gerson u. Sachse Berlin 8.^.*)

Nro. 50076. Staubfänger mit sternförmig an­geordneten Kammern. Gg. Kiefer in Feuer­bach bei Stuttgart.

Nro. 50178. Abstellvorrichtung von Kraftma­schinen durch Lösen der Verbindung zwischen Schieber- und Exzenterstange H. Held in Firma Löchgauer Sohlennägelfabrik, Held u. Braun in Löchgau, Württemberg.

Nro. 50277. Röhrenverbindung für Dampfer­zeuger mit Wassereinspritzung. K. Geiger in Schorndorf.

Nro. 50306 Vorrichtung zum Begrenzen des Verschlußzylinderhubes, Auswersen der Pa­tronenhülsen und Festhalten von Patronen­rahmen bei Gewehren. Waffenfabrik Mauser in Oberndorf a. Neckar, Württemberg.

* Die Firma erteilt Abonnenten Auskünfte über

Patente- Muster- und Markenschutz gratis!

Marktpreise. Neuenbürg, 7. Dezember.

Butter 1.05 bis 1.10 pro V» Kilo.

Erer 2 St. 15 1 St. 7 und 8

Vergesset der Vögel nicht!

Mil einer Freitage.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.