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haben. Besonders sind es dann die Vereine vom roten Kreuz gewesen, die Hand an­gelegt. um schon im Frieden geschulte Kräfte auszubilden. Eine Unterweisung für Jedermann über erste Hilfeleistungen bei alltäglich vorkommenden Unglücksfäüen wurde zuerst in England gegeben; in Deutschland sind durch die verdienstvollen Bemühungen Esmarchs dieSamariter­schulen" begründet worden, deren Erfolg in Norddeutschland beweist, einem wie groben Bedürfnis ein solcher Unterricht entgegenkam. Besonderes Interesse hat der Gegenstand für alle, die als Arbeit­geber oder Leiter eines gewerblichen Be­triebes thätig sind, da das Unfallver- sichcrungsgesetz die Betriebsunternehmer zur Versicherung mit heranziehl. Auch die neuere Medizin hat anerkannt, daß das Schicksal einer Wunde von der ersten Behandlung derselben abhängt, daher haben die Aerzie darauf gedrängt, die Belehrung über die erste Hilfe in möglichst weilen Kreisen zu verbreiten.

Stuttgart. 2 Dezbr. Die durch Schneeverwehungen herbeigeführten Be­triebsstörungen auf den Württ. Eisenbahnen sind seit gestern wieder gehoben und die Züge treffen wieder zur fahrplanmäßigen Zeit ein.

Die erledigte Hauptlehrerstelle an Klasse Hl des Lyeeums in Cannstatt ist dem Präzeptor Zimmer in Vaihingen übertragen.

Crailsheim, 3. Dez. Gestern Abend hat sich auf dem hiesigen Bahnhof ein Unfall ereignet. Der Wagenwärter Veigel aus Heilbrvnn wollte vor dem herein- fahrenden Mergentheimer Zug das Geleise noch überschreiten, wurde aber von der Maschine erfaßt und gräßlich zugerichtet. Er war sofort tot. (S. M.)

Heringen, 30. Nov. Infolge zu festen Schnürens starb hier die Tochter eines Maurers auf dem Wege nach dem Bahnhose an einem Herzschlage. Um den Zug nicht zu versäumen, hatte sich dieselbe etwas übereilt, wobei sie umgefallen ist, und sofort tot war.

Oesterreich.

Wien, 2. Dez. Infolge eines seit den gestrigen erste» Morgenstunden einge­tretenen, bisher ununterbrochen fortdauern­den beispiellos heftigen Schneesturms sind sowohl die Lokalkommunikationen, als auch der Eisenbahnverkehr teilweise empfind­lich gestört. Viele Eisenbahnzüge mit wichtigen Posten sind ausgcblieben.

Ausland-

InNewyork wurde ein Kommis in einem Laden der 8. Avenue am 30. Nov. abends durch einen elektrischen Schlag getötet. Als er nämlich einen metallenen Schaukasten, der vor dem Laden auf dem Trottoir stand, wegrücken wollte, berührte das Metall desselben den Kohlenstift einer vor dem Laden hängenden elektrischen Lampe. Der Kommis stieß einen lauten Schrei aus und stürzte als Leiche zu Boden.

Japan ist, wie unter dem 2. Dezbr. gemeldet wird, aufs Neue von furchtbaren Katastrophen heimgesucht worden. Auf der Insel Sado wurden 50 Häuser von einem Wirbelsturm umgeweht und ebenso- viele Boote gingen a» der Küste unter.

In Kauldamanchi brannten 183 Häuser nieder, wobei viele Bewohner in den Flam­men umkamen. Am 4. Nov. stürzte in Senichima ein Theater während der Vorstellung zusammen. 5 Personen kamen dabei ums Leben und 100 wurden ver­letzt. An Bord eines chinesischen Exkursions­dampfers explodierte auf dem Minflusse der Kessel. 70 Fahrgäste wurden gelötet.

Misikllen.

Der Word bei Marville.

Kriminal-Roman von Paul Labarridre.

Deutsch von Emil Neumann.

(Fortsetzung.,

9.

Die Nachricht von der bevorstehenden Hinrichtung des Mörders Gauliot hatte sich im weilen Umkreise von Marville wie ein Lauffeuer verbreitet.

Am festgesetzten Tage kamen schon vor drei Uhr morgens die ersten Neugierigen, trotz der herrschenden Kälte, in offenen Wagen auf dem Platz vor der Präfektur an. Die bis über die Ohren in Schaf­pelze und wärmende Decken eingehüllten Insassen der Wagen reckten die Hälse, als sie über den in nächtliches Dunkel gehüllten Platz fuhren, um sich zu überzeugen, ob das Schaffst schon aufgerichtet sei; sie sahen aber nichts als eine Anzahl von Ge­stalten , die beim matten Schein einiger Laternen Allerlei herbeitrugen und auf der Mitte des Platzes niederlegten.

Bald nachher ließen sich andauernd hastige Hammerschläge vernehmen, woraus zu schließen war, daß man eben damit beschäftigt sei, das unheimliche Gerüst zu erbauen.

Viele andere Wagen langten an und begannen bereits die angrenzenden Straßen zu versperren, als eine von der Citadelle her aufmarschierende Abteilung Soldaten den Platz säuberte und die sich Vordrängen­den zurückwies; denn allmählich waren von allen Seiten auch zahlreiche Fußgänger herbeigekommen. Von Stunde zu Stunde wuchs die neugierige Menge immer mehr an, denn es kamen nicht nur die Bewohner der nächsten Umgebung von Marville, um dem seltenen Schauspiel bcizuwohnen, sondern auch aus weiter Ferue strömten Tausende zu Fuß, zu Pferde und zu Wagen herbei.

Selbstverständlich durften die guten Leute von Tuiles nicht bei der Hinrichtung fehlen. Die meisten von ihnen hatten überhaupt nicht geschlafen in dieser Nacht; bis nach Mitternacht waren sie in der Dorfschenke geblieben; dann machten sie sich, in bedenklich angeheiteter Stimmung, gemeinschaftlich auf den Weg zur Stadt. Als sie dort ankamen, suchten sie zunächst wieder ein Wirtshaus auf, um eine Stärk­ung einzunehmen, und begaben sich endlich in geschlossenen Reihen nach dem Richt­platz. Man erkannte sie übrigens unter den anderen Zuschauern sofort heraus an ihrer Wichtigthuerei und an den lauten Er­zählungen, die sie zum Besten gaben über das Leben und die Gewohnheiten des Ver­urteilten, den sie ja in ihrem Dorfe seit vielen Jahren Tag für Tag gesehen hatten.

Sehen Sie nur, mein Herr", rief Parizel, der Grobschmied des Dorfes einem

Einwohner von Marville zu,diese Holz­schuhe, die ich an den Füßen trage, sind sind von Gauliot angefertigt! O, er war früher ein tüchtiger Arbeiter, und wenn er hätte fleißig und ordentlich sein wollen, konnte er sich und die Seinigen ehrlich er­nähren. und hätte nicht ein Verbrechen zu begehen brauchen!"

Inzwischen setzte der Maire von Tuiles einigen seiner näheren Freunde, die ihn umstanden, mit großer Genauigkeit die Handhabung der Guillotine auseinander und schloß seinen Vortrag mit den Worten :

Ihr seht, wie einfach die Geschichte ist! Ein Druck des Henkers klopp! schlägt das Hackmesser runter, und ehe der Patient noch zur Besinnung kommt, ist das Geschäft schon besorgt . . . !"

Einige Frauen bedauerten die kleine Simone, die doch im Grunde ein recht braves Mädchen sei. Was sollte nun aus ihr werden? Man könnte doch nicht ver­langen, daß jemand die Tochter eines Mörders ins Haus nehme; denn jeder sage sich:Wie der Vater, so auch die Tochter!"

Auf den sich in unmittelbarer Nähe des Präfäktur-Platzes erhebenden Sladt- wällen hatte sich eine unzählbare Volks- maffe gruppiert: Männen, Frauen und Kinder aus den niedrigsten Gesellschafts­kreisen. untermischt mit allerhand Gesindel, dessen Aeußeres vermuten ließ, daß es zu allem fähig sei, was Gott und das Straf­gesetz verboten hat. Dort ging es sehr laut und lustig zu. denn man mußte sich doch die Zeit möglichst angenehm vertreiben bis zum Beginn des Schauspiels.

Plötzlich erscholl von jener Seite bes Platzes her, die der inneren Stadt zunächst liegt, der Ruf:Der Verurteilte kommt!"

Infolge dessen drängte alles nach jener Richtung hin; in der noch herrschenden Dunkelheit war jedoch nichts zu erkennen, und bald stellte sich auch heraus, daß es nur ein blinder Lärm gewesen sei.

Eine Anzahl junger Leute aus der Stadt Marville hatten, um sich einen be­quemen Weg durch die Volksmaffen zu bahnen, sich den spaß gemacht, mit über­lauter Stimme zu rufen:Platz für die Angehörigen des Verurteilten!" Darüber waren sie mit einigen Landleuten in Streit geraten, der bald in Tätlichkeiten aus­artete, so daß man genötigt war, die Kämpfenden mit Gewalt zu trennen.

Dadurch war das Gerücht entstanden, daß der Verurteilte komme.

Ein Gendarm, der den Umstehenden die Auskunft erteilte, fügte hinzu:

Es ist ja noch eine ganze Stunde Zeit bis zur Vollstreckung des Urteils!"

Wirklich verkündete gleich darauf die Turmuhr der Kathedrale in langsamen, weithin dröhnenden Schlägen erst die sechste Stunde.

(Fortsetzung folgt.)

Rätsel.

Als eine Brücke bin ich jedermann bekannt,

In deutscher Sprache werd ich oftmals angewandt. Nun setz ein Zeichen vor und hast du mich gethan,

So eigne niemals mich dir unrechtmäßig an.

Ist noch ein Zeichen vorn, dann unterschätz mich nicht;

Bin zwar nicht eben schwer, doch fall ich ins Gewicht. K. iv.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.