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des Städtchens Feuer aus, das so rasch um sich griff, daß trotz der schnell herbei- geeilten hiesigen Feuerwehr und dem lobenswerten Eifer der weiblichen Ein­wohnerschaft die Scheuer nebst dem ange­bauten Wohnhaus nicht mehr gerettet werden konnte und die herbeieilenden benachbarten Feuerwehren mit dem immer weiter sich ausbreitenden Elemente schwer zu kämpfen hatten. Nachts 9 Uhr konnte dem Feuer Einhalt gethan werden; zum Opfer desselben sielen aber 2 Wohnhäuser und 4 Scheunen. Die Gefahr der weiteren Einäscherung war sehr groß. (S. M.)

Ausland.

Lissabon, 19. Okt. Der König ist heute vormittag 11 Uhr gestorben. (König Ludwig von Portugal war am 31. Okt. 1838 geboren. Ihm folgt auf dem Throne sein ältester Sohn Karl, geb. 28. Sept. 1863.)

Monza, 20. Okt. Staatsminister Graf Herbert Bismarck stattete gestern abend dem Ministerpräsidenten Crispi einen längeren Besuch ab. Der König wird morgen mit Crispi dem Kaiser und der Kaiserin bis Genua das Geleit geben. Das Wetter ist fortgesetzt regnerisch.

(F. I.)

Miszellen.

Der Mord bei Marville.

Kriminal-Roman von Paul Labarridre.

Deutsch von Emil Neumann.

(Fortsetzung.)

Ein prächtiger Mann, dieser Herr Beulette: gütig, sanft und leutselig, da­bei stets zum Scherzen aufgelegt. Trotz seiner etwas altmodischen Kleidung, be­stehend in einem dunkelblauen langen Oberrock, der sich eng an seinen schmächti­gen Körper anschmiegte, gleichfarbigen enganliegenden Beinkleidern und Escar- pins mit Schleifen, sah er dennoch recht stattlich ans. Er hatte in seinen Muße­stunden den Homer in's Französische übertragen und war nun schon seit längerer Zeit mit der Uebersetzung der Oden des Horaz beschäftigt. Aber diese dichterische Thätigkeit beeinträchtigte eben­sowenig seine Amtsgeschäfte, die er mit größter Gewissenhaftigkeit verwaltete, als sie seiner angeborenen Fröhlichkeit Ein­trag that.

Bei all' seiner Gutmütigkeit hätte er aber in diesem Augenblick nicht das kleinste Opfer gebracht, um den Grafen von Bidione in's Leben zurückzurufen.

Man bedenke, daß seit den zwanzig Jahren, während welcher er in Marville als Jnstruktionsrichter waltete, dieses Ver­brechen der erste bedeutende Fall war, die Krönung einer Laufbahn, die bisher nichts gebracht hatte als kleine Diebstähle, erbärmliche Betrügereien, Prügeleien unter Betrunkenen, höchstens einmal eine ver­suchte Brandstiftung oder einen betrüger­ischen Bankerott. Diesmal jedoch handelte es sich um ein Verbrechen, das schon wegen des Dunkels, welches darüber schwebte, unbedingt ein großes Aufsehen machen mußte. Von dem berühmten Fall Vidione" würde viel in allen

Journalen, auch in denen von Paris, die Rede sein, und der glückliche Jnstruktions­richter freute sich innerlich schon darauf, überall gedruckt zu lesen:Der Geschick­lichkeit und der großen Umsicht des Herrn Beulette ist die rasche und erfolgreiche Führung der Untersuchung zu danken."

Inzwischen hatte er es für gut be­funden, zur Unterstützung seiner Umsicht sich der Thätigkeit eines Agenten der Pariser Sicherheitspolizei zu versichern, der sich gerade in Marville befand, um nach einem vor Kurzem aus der Haft entsprungenen Sträfling zu suchen, einem gewissen Framin, der ein schon oft be­strafter, sehr gefährlicher Verbrecher war.

Der Polizei-Agent hatte schon vor Ankunft der Gerichtsbeamten den Pavillon in Augenschein genommen und kam nun von einer Durchsuchung der nächsten Um­gebung zurück. Es war ein schon ältlicher Mann, von gedrungener Gestalt und kräftigem Körperbau, mit einem wahren Bullenbeißer-Gesicht, in welchem unter buschigen Augenbrauen die schlauen, blinzelnden Augen hervorleuchteten.

Nun, Freund Bernard", redete Herr Beulette ihn an,haben Sie etwas Auf­fälliges entdeckt?"

Leider nur wenig, Herr Jnstruktions­richter."

Berichten Sie!"

An der Westseite des Parks habe ich auf der Umfassungsmauer deutliche Spuren einer Uebersteigung gefunden: abge­brochenes Steinwerk und niedergetretenes Gebüsch. Unglücklicher Weise sind ans dem sumpfigen Boden die Fußabdrücke nicht zu erkennen."

Ist das Alles?"

Ja, wenigstens für jetzt."

Gut", entgegnete der Richter, ein wenig enttäuscht.Wir wollen nun mit den ärztlichen Feststellungen beginnen. Herr Gerichtsschreiber, haben Sie die Güte, dem Herrn Doktor Rvquy die Eidesformel vorzulesen."

Als dies geschehen war, sprach der Doktor, die rechte Hand erhebend, in theatralischer Haltung die vorgeschriebene Bestätigung:

Ich schwöre es!"

Sodann schritt er auf den Leichnam zu, den Joseph und ein zweiter Diener auf das Kanape, in der Nähe des Fensters, niedergelegt hatten. Nach einer kurzen Untersuchung des Körpers wandte sich der Doktor um, indem er seine lang herunterhängenden Haare durch einen Schwung des Kopfes zurückwarf, und sagte mit wichtiger Miene zu den in ge­spannter Erwartung dasitzenden Beamten:

Der Tod des Herrn . . . ?"

Grafen von Vidione!" flüsterte der Gerichtsschreiber ihm zu.

Der Tod des Herrn Grafen von Vidione ist nicht die Folge eines Selbst­mordes, sondern eines Verbrechens."

In diesem Augenblick fiel Herrn Beu­lette, der sich bequem in seinen Fauteuil zurückgelehnt hatte, plötzlich die passende Uebersetzung eines Horazischen Verses ein, über welchen er schon lange vergeblich nachgesonnen hatte. Um diese Wendung nicht zu vergessen, griff er hastig zur Feder und schrieb den Vers nieder.

Der Doktor hielt einen Augenblick inne, weil er der Meinung war, der Richter notiere sich seine Aussage; als­dann fuhr er fort:

Alle Anzeichen einer stattgefundenen Erwürgung finden sich an dem Leichnam vor: das Gesicht ist angeschwollen, hat eine bläuliche Farbe und marmorierte Flecke; auch ist die Zunge fest an den Gaumen gepreßt. Ferner bemerkt man am Halse" und dabei riß der Doktor mit einem Ruck den Hemdkragen des Grafen auf,eine große Anzahl kleiner Flecke, die von einem Bluterguß in das Zellgewebe herrühren. Wenngleich dies nicht gerade ein untrügliches Zeichen einer Erwürgung ist, so muß als solches doch unbedingt die Spur gelten, welche der Druck der Finger des Mörders am Halse zurückgelassen hat. Sehen Sie hier, meine Herren . . ."

Der Jnstruktionsrichter und der Pro­kurator erhoben sich bei diesen Worten zu gleicher Zeit und traten dicht an den Leichnam heran.

Sehen Sie hier", fuhr der Doktor mit vielem Selbstbewußtsein fort,diese Haut-Abschürfungen können möglicher Weise von dem Grafen selbst gemacht worden sein, als er sich von dem An­greifer befreien wollte, aber jene bläulichen Abdrücke rühren von den Fingern des Mörders her. Nach der Art und der Form dieser Abdrücke kann man den Ver­lauf des Verbrechens folgendermaßen ver­muten : der Graf von Vidione wurde zu­erst von vorn angefallen, es gelang ihm aber, diesem Angriff zu entkommen, der nur eine gewisse Beklemmung, eine un­vollkommene Zuschnürung des Kehlkopfes verursachte. Sodann aber ward er von rückwärts angegriffen, denn die stärksten Eindrücke befinden sich auf beiden Seilen des Schildknorpels, oder wie man auch zu sagen pflegt, des Adamsapfels! . . . Wenn es mir erlaubt ist, eine persönliche Meinung auszusprechen . . . ?"

Sprechen Sie, Herr Dokror, ich bitte sehr!" entgegnete Herr Beulette höflich.

Dann möchte ich behaupten, daß das Verbrechen von zwei Menschen ausge- sührt worden ist. Der Eine, zu schwach, oder nicht entschlossen genug, hat den ersten, unvollkommenen Angriff gemacht, während der Zweite, als der Stärkere, den Mord erst wirklich vollführte."

(Fortsetzung folgt.)

(Wein, Weib und Gesang.) Manch köstliche Blüte deutschen Humors befindet sich wie derTourist" schreibt in dem Schwarzburger Fremdenbuche. Ein­mal hatte ein Gast eingeschrieben: Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang rc. Darauf entgegnete ein anderer:

Hätt'st du meinen Appelwein gekannt, Mein Weib dein eigen auch genannt, Wär' dir ihr Lied zu Ohren gedrungen, Fürwahr, du hätt'st nicht so gesungen.

Sie:Wann kommst Du heim?" Er:Wann ich will!" Sie:Gut, aber ja nicht später."

(In der Jnstruktionsstunde.)Wer hat das Pulver erfunden?"Wahr­scheinlich einer von der Artill'rie."

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.