jener Festlichkeit eingeladen sei. und daß er deshalb im Gesellschasts-Anzuge von Hause fortgieng. unter dem Vorwände, den Ball beim Präfekten zu besuchen. Nun sagte er sich, daß es in der Klugheit läge, noch jetzt dorthin zu gehen, um auf diese Weise jedem etwaigen Verdacht vorzubeugen.

Rasch entschlossen wandte er seine Schritte jenem Hause zu und betrat bald darauf, nachdem er seinen Anzug geordnet hatte, den Ballsaal, in welchem fröhliche Leute sich ihrem harmlosen Vergnügen überließen, während er mit schwerer Sorge belastet war.

Zweite Abteilung.

I.

Am nächstfolgenden Morgen war Jo­seph, den man mit der Aufsicht über den Pavillon betraut hatte, höchst überrascht, als er die Eiugangsthür zu demselben offen fand, da er doch ganz bestimmt wußte, sie am Tage vorher fest ver­schlossen zu haben. Sein Erstaunen wurde noch größer, als er im Innern Alles in vollster Unordnung vorfand; der Tisch war auf die Seite geschoben, mehrere Stühle waren umgeworfen, als hätte dort ein Kampf stattgefunden.

Als er die Fensterläden öffnete, er­blickte er den Körper des Grafen von Vidione, der Länge nach auf dem Fuß­boden liegend, die Beine ausgespreizt, die Arme über Kreuz, und das Gesicht nach unten gewendet. Eine Minute hindurch stand Joseph ganz bestürzt und blickte mit jenem Schauder, den der unvermutete Anblick einer Leiche auf Jeden hervor­bringt, zu dem Toten nieder; bald aber faßte er sich und murmelte sogar einige für den Hingeschiedenen nicht sehr schmeichel­hafte Worte. Als er gleichzeitig auf einem der Stühle ein Portefeuille liegen sah, griff er hastig danach und öffnete es ohne jedes weitere Bedenken, Es enthielt lauter wertlose Papiere, die er verächtlich be­trachtete und bei Seite legte; plötzlich aber verzog sich sein Gesicht zu einem freudigen Lächeln: das letzte Papier war jenes Schuldbekenntnis, welches er, auf^Berlangen des Grafen, über den Vor­fall imGroßen Club" zu Paris hatte ausstellen müssen. Endlich also hielt er dieses verwünschte Schriftstück wieder in Händen, und er war nun frei, erlöst aus der moralischen Gefangenschaft, zu welcher ihn die Grausamkeit des nun Ver­storbenen verdammt hatte. Er rollte das verhängnisvolle Papier zu einer Kugel zusammen, steckte diese in den Mund, zer­nagte und zerkaute sie eine Weile und schluckte sie endlich hinunter. Nachdem dies geschehen, lief er eiligst nach dem Schloß, um Lärm zu schlagen.

Madame Daupin schrie entsetzt auf, als sie das Ereignis erfuhr.

Dergleichen kann nurmir begegnen!" rief sie jammernd.Weshalb mußte auch der Graf von Vidione den unglückseligen Einfall haben, hierher zu kommen, um sich auf meiner Besitzung ermorden zu lassen! Welche Aufregung, welche Wider­wärtigkeiten erstehen daraus für uns! Eine gerichtliche Untersuchung, Vorlad­ungen, Vernehmungen, und Gott weiß welche weiteren Unbequemlichkeiten!

Und ich hatte gehofft, den Herbst hier so recht in vollster Ruhe zubringen zu können! O, ich habe es schon tausend­mal bereut, meiner Nichte zu jener un­glücklichen Verbindung geraten zu haben! Daß nur Niemand der Frau Gräfin von dem Vorfall Mitteilung macht. Ich selbst werde sie schonend davon benach­richtigen !"

Mit diesen Worten wandte sie sich an Joseph und stieg dann so eilig, als ihre körperliche Fülle es erlaubte, in das obere Stockwerk hinauf. Wie eine Bombe fiel sie in das Ankleidezimmer ihrer Nichte, die eben mit ihrem Morgen-Anzüge be­schäftigt war.

O mein armes Kind", sagte sie weinend,wenn Du wüßtest . . ."

Martha sprang erschrocken auf, denn sie ahnte ein großes Unglück. Die ganze Nacht hindurch hatte ihr die Drohung des Grafen:Ich werde Ihren Geliebten töten!" in den Ohren nachgcklungen. Angstvoll fragte sie deshalb:

Was ist geschehen, liebe Tante? Sie erschrecken mich! Sprechen Sie!"

Schluchzend erwiderte Madame Dau­pin :

Fasse Dich, Martha! Sei mutig! Er ist tot!"

Wer ist tot?" schrie die Gräfin, die bei dem Gedanken an ein Zusammen­treffen ihres Gatten mit Hektor einem Marmorbild gleich erbleichte.

Die Tante aber ergänzte:

Der Graf, Dein Gemahl! Er wurde getötet, ermordet, dort unten im Pa­villon !"

Martha sank kraftlos auf einen Sessel nieder; sie zitterte am qanzen Körper, während sie in krampfhaftes Weinen aus­brach.

Madame Daupin eilte zu ihr, umfaßte sie, drückte sie teilnehmend an sich und sagte tröstend:

Beruhige Dich, mein Kind!"

Und da Martha sich noch immer weinend an sie schmiegte, fuhr sie fort:

Ja, weine nur, das erleichtert das Herz! Ich weiß es wohl, Du liebtest ihn trotz alledem! Gestern abend noch überzeugte ich mich davon und ließ Euch deshalb gleich nach Beendigung des Diners allein. O mein Gott! welches Unglück!"

Da in dem nämlichen Augenblick vom Schloßhofe der Lärm von nahenden Reitern und rollenden Wagen, unter­mischt mit Säbelgerassel, herauftönte, so verließ Madame Daupin ihre Nichte, lief eiligst an's Fenster und sagte:

Ach, da kommt schon die Gerichts- Kommission! Ich werde die Herren empfangen. Bleib' Du ruhig hier; Deine Gegenwart wird wohl nicht nötig sein. Sammle Dich indessen; bedenke, daß wir Alle sterblich sind."

Nachdem sie bei diesen Worten ihre Nichte nochmals umarmt hatte, gieng sie zur Thür. In der Nähe derselben blieb sie aber nochmals stehen, wandte sich um, und sagte in sehr lebhaftem Tone:

Wir werden auch an unsere Trauer­kleidung denken müssen. Was meinst Du zu ganz glatten Röcken mit hochgerafften Krepp-Ueberwürfen, und unten mit einem

Doppel-Plissä? Nun, wir sprechen noch darüber! Ich werde die Schneiderin von Mademoiselle d'Ambleuse Herkommen lassen."

Als Martha allein war, gieng sie an's Fenster, zog die Vorhänge zurück und blickte nach der Parkseite hinaus, als könnte sie, trotz der Entfernung und den dichten Baumgruppen, welche nicht einmal die Aussicht bis zum Pavillon gestatteten, das Geheimnis des blutigen Vorfalls durch­dringen, das sie zur Witwe machte.

Soeben ritten zwei Gendarmen in den Park ein und verfolgten die große Allee, welche zum Pavillon führte. Martha schloß die Augen. Sie glaubte in nebel­hafter Ferne ein Schaffst zu erblicken, und auf demselben zwischen dem Priester und dem Henker einen Mann, der im Begriff war, sich nach ihr umzuwenden. Unwillkürlich wandte sie sich weg, als wollte sie sein Gesicht nicht sehen, und sank erschöpft vor ihrem Betpult nieder. Sie betete lange und inbrünstig, ohne aber zu wagen, den Namen Dessen dabei auszusprechen, den sie liebte.

Im Innern des Pavillons saß der Gerichtsschreiber an einem mit Schrift­stücken bedeckten kleinen Tisch, mit den Vorbereitungen zur Aufnahme des gericht­lichen Untersuchungsprotokolls beschäftigt. Zunächst füllte er in dem vor ihm liegen­den gedruckten Formular den Ort und das Datum der bevorstehenden Verhandlung aus, wobei er, wie das seine Gewohnheit war. wenn er sich allein befand, die Worte, welche er schrieb, gleichzeitig vor sich hin murmelte.

Um es sich bequem zu machen, halte er seinen Rock, der den Schmeerbauch beim Sitzen beengte, weit aufgeknöpft, und auf sein nur spärlich behaartes Haupt, um es vor Zuglust zu schütze», ein schwarzes Sammetkäppchcn gesetzt. Auf seinem stark geröteten vollen Gesicht machte sich, der Wichtigkeit dieser Amts­handlung angemessen, ein tiefer Ernst bemerkbar, dem sich jedoch eine gewisse Besorgnis zugesellte, sobald sein Blick auf den Leichnam fiel, der sich noch immer an derselben Stelle und in der gleichen Lage befand, wie Joseph ihn zuerst bemerkte.

Zur wesentlichen Beruhigung des Gerichtsschreibers kamen bald nach ihm der Prokurator der Republik, Herr von Saint-Estäve, und der Jnstruktionsrichter, Herr Beulette, an, begleitet von dem Stadt-Arzt Doktor Roquy. Die beiden Elfteren setzten sich an einen großen Tisch, und der Prokurator bat den Dokwr, sich neben ihn zu setzen, während der Jnstruk­tionsrichter, vergnügt lächelnd, sich mit den Händen durch seinen spärlichen Backenbart fuhr.

(Fortsetzung folgt.;

(Sprach-Verwandschaft.) Nürnberger: Aber heunt is haaß!" Engländer im Wörterbuch nachschlagend:Haas? Ja, Haase im Felde." Nürnberger:Na das is a Hoos." Engländer nachschlagend: Hoos? Hose, Beinkleid." Nürnberger: Na, Sie, das is a Husen. Zum Malefiz, daß man mit so einem großbrittanischen Engländer nit mal deutsch reden kann."

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.